personalmagazin 06/2016 - page 78

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RECHT
_NACHTZUSCHLAG
personalmagazin 06/16
und jede darüber oder darunter liegen-
de Ausnahme gesondert begründet wer-
den muss.
personalmagazin:
In dem entsprechenden
Urteil hat das BAG dem Arbeitnehmer
sogar 30 Prozent Nachzuschlag zuge-
sprochen. Wie hat es diese Ausnahme
begründet?
Bitsch:
Im konkreten Fall ging es um ei-
nen Lkw-Fahrer, der Dauernachtarbeit
zu leisten hatte. Er war regelmäßig im
Einsatz und ohne größere Ruhezeiten
die komplette Nachtschicht durchgefah-
ren. In diesem Fall entschied das BAG:
Bei Dauernachtarbeit liege eine solche
körperliche Belastung vor, dass ein hö-
herer Zuschlag erforderlich sei. Im All-
gemeinen lässt sich also sagen, dass bei
besonders anstrengender Nachtarbeit
ein Zuschlag von mehr, bei weniger
belastender Arbeit von weniger als 25
Prozent infrage kommt. Das bedeutet
aber auch, dass beispielsweise weniger
als 25 Prozent Nachtzuschlag nicht per
se unzulässig sind. Vielmehr müssen
Arbeitgeber darlegen und nachweisen,
weshalb im konkreten Fall eine Abwei-
chung nach unten gerechtfertigt ist.
Umgekehrt, wenn der Arbeitnehmer auf
einen höheren Nachtzuschlag besteht,
muss er diese Abweichung ebenfalls
darlegen und nachweisen.
personalmagazin:
Welche Argumente kön-
nen für die Differenz zum regelmäßigen
Nachtzuschlag herangezogen werden?
Bitsch:
Indizien wären, wie etwa im Fall
beim BAG, ob der Arbeitnehmer die ge-
samte Nacht konzentriert arbeiten muss
„Vergütungssysteme prüfen“
INTERVIEW.
Das BAG hat zuletzt klare Kriterien für Nachtzuschläge genannt. Erfüllen
Arbeitgeber diese nicht, kann es teuer werden, meint Arbeitsrechtler Christian Bitsch.
personalmagazin:
Das Bundesarbeitsgericht
hat im Dezember 2015 die gesetzliche
Regelung zur Vergütung von Nachtarbeit
konkretisiert und hielt einen regelmäßi-
gen Nachtzuschlag von 25 Prozent für
angemessen. Welche Auswirkungen hat
die Entscheidung für Arbeitgeber?
Christian Bitsch:
Das Arbeitszeitgesetz re-
gelt die Nachtarbeit, also die Zeit zwi-
schen 23 und sechs Uhr, und legt in
§ 6 Absatz 5 fest, dass Arbeitgeber diese
Zeit gesondert und angemessen vergü-
ten oder in Freizeit ausgleichen müssen.
Alles Weitere ist den Tarifvertragspar-
teien und – soweit diese nichts geregelt
haben – den Arbeitsvertragsparteien
vorbehalten. Das BAG hat nun in der
aktuellen Entscheidung ausführlich dar-
gestellt, wie es diese Norm einschätzt
und vor allem, wie für etwaige Verfah-
ren die wechselseitige Darlegungs- und
Beweislastverteilung sein soll. Insofern
sind für Unternehmen, die auf Nacht-
arbeit angewiesen sind, zum Beispiel
im Speditions- oder Wachgewerbe oder
für Krankenhäuser, klare Kriterien ge-
schaffen. Zwar müssen Arbeitgeber die
vorhandenen Vergütungssysteme even-
tuell anpassen, was mit Schwierigkeiten
verbunden sein kann. Dennoch: Bei der
Vertrags- und Vergütungsgestaltung ha-
ben Arbeitgeber nun eine Orientierung,
mit der sie gut umgehen können.
personalmagazin:
Sie sprachen von klaren
Kriterien, die das BAG aufgestellt hat.
Welche sind das?
Bitsch:
Zunächst gilt unabhängig von der
aktuellen Entscheidung: Der Arbeitge-
ber kann prinzipiell frei entscheiden, ob
er einen Nachtzuschlag zahlen, durch
Freizeitausgleich abgelten oder ob er
beide Optionen kombinieren möchte.
Diese grundlegende Weichenstellung
hängt natürlich von der Kostenkalkula-
tion und von der Arbeits- oder Dienst-
zeitplanung im jeweiligen Unternehmen
ab. Oft haben Arbeitgeber in Zeiten des
Fachkräftemangels beispielsweise gar
nicht die Option, mit Freizeitausgleich
zu arbeiten. Im Falle des finanziellen
Ausgleichs der Nachtarbeit gibt nun
das BAG die Marschrichtung vor, dass
der Mindestzuschlag zehn Prozent sein
soll. Weniger ist nach der Entscheidung
kaum vorstellbar. Zudem haben die
Richter jetzt erstmals festgestellt, dass
25 Prozent Nachtzuschlag die Regel ist
DR. CHRISTIAN BITSCH
ist Rechtsanwalt
und Partner bei Beiten Burkhardt in Frank-
furt am Main.
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