personalmagazin 5/2015 - page 74

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RECHT
_RESTRUKTURIERUNG
personalmagazin 05/15
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
da in der Regel keine ausreichend hohe
Korrelation zwischen Performance und
sozialen Auswahlkriterien besteht. Um
diesem Zielbild so nahe wie möglich zu
kommen, sollte die Personalabteilung
so früh wie möglich folgende ergän-
zende Maßnahmen ins Spiel bringen:
• genaue Planung von Abbauzielen in
den fachlichen Bereichen;
• Identifikation der Schlüsselmitarbei-
ter, die von der Sozialauswahl ausge-
nommen werden sollen;
• Übertragung ausgewählter Mitarbei-
ter/Funktionen oder Betriebsteile auf
andere Gesellschaften beziehungs-
weise in andere Betriebe;
• Veränderung von Betriebsstrukturen.
Der Gestaltungsspielraum ist rechtlich
umso größer, je frühzeitiger entspre-
chende Maßnahmen umgesetzt werden.
Werden sie im zeitlichen Zusammen-
hang mit einem Personalabbau vorge-
nommen, ist die Gefahr groß, dass sie
als Umgehungskonstruktionen qualifi-
ziert werden. Bereits Diskussionen hie-
rüber, typischerweise im Rahmen von
Kündigungsschutzklagen, führen zu
hohen Kosten, die den Sanierungserfolg
gefährden können. Wichtig ist daher ein
möglichst großer Zeitabstand, der min-
destens mehrere Monate betragen sollte.
Gesetzliche Gestaltungsmöglichkeiten
Optimierungsmöglichkeiten, die das
Gesetz ausdrücklich einräumt, sollten
selbstverständlich ebenfalls genutzt
werden. Vorgesehen sind:
• Herausnahme von Leistungs- und
Know-how-Trägern (§ 1 Abs. 3 Satz 2
Alt. 1 KSchG);
• Sozialauswahl nach Altersgruppen
(§ 1 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 KSchG);
• Sozialauswahl auf Grundlage einer
Personalauswahlrichtlinie (§§ 1Abs. 4
KSchG, 95 BetrVG, „Punkteschema“)
• in einem Interessenausgleich mit Na-
mensliste vereinbarte Sozialauswahl
(§§ 1 Abs. 5 KSchG, 125 InsO).
Im Einzelnen: Die Herausnahme von
Leistungsträgern basiert auf § 1 Abs. 3
Satz 2 Alt. 1 KSchG. Danach sind in die
soziale Auswahl Arbeitnehmer nicht ein-
zubeziehen, deren Weiterbeschäftigung
insbesondere wegen ihrer Kenntnisse,
Fähigkeiten und Leistungen im berech-
tigten betrieblichen Interesse liegt. Die
praktische Bedeutung dieser Möglich-
keit ist jedoch gering, weil das BAG
anknüpfend an das „berechtigte“ be-
triebliche Interesse eine Abwägung mit
den Belangen des sozial schwächeren
Arbeitnehmers vornimmt: Je schwerer
dabei das soziale Interesse wiegt, umso
gewichtiger müssen die Gründe für die
Ausklammerung des Leistungsträgers
sein (BAG v. 12.4.2002, 2 AZR 706/00).
UmÜberalterungs- und Verteuerungs-
effekten entgegenzuwirken, kann auch
eine Sozialauswahl nach Altersgruppen
erfolgen. Eine Sozialauswahl auf der
Grundlage eines Punkteschemas, nach
dem jedem Sozialauswahlfaktor ein be-
stimmter Punktewert zugewiesen, der
dann addiert und mit dem Wert ver-
gleichbarer Arbeitnehmer verglichen
wird, hat den Vorteil, dass die Sozial-
auswahl selbst gerichtlich nur auf grobe
Fehler überprüfbar ist. Sie ist umgekehrt
aber sehr transparent und unflexibel.
Zudem bleibt die Vergleichsgruppenbil-
dung selbst gerichtlich voll überprüfbar
(BAG v. 5.6.2008, 2 AZR 907/06).
Wesentlich effektiver ist ein mit dem
Betriebsrat abgeschlossener Interessen-
ausgleich mit Namensliste (§ 1 Abs. 5
KSchG beziehungsweise § 125 InsO).
Auf dieser Basis ist die gesamte Sozi-
alauswahl – inklusive Vergleichsgrup-
penbildung – gerichtlich nur auf grobe
Fehlerhaftigkeit überprüfbar. Zudem
wird kraft Gesetzes vermutet, dass die
Kündigung durch dringende betrieb-
liche Erfordernisse bedingt ist. Dadurch
eröffnen sich erhebliche Gestaltungs-
spielräume. Denn die Sozialauswahl ist
nur grob fehlerhaft, wenn eine evidente,
ins Auge springende erhebliche Abwei-
chung von den gesetzlichen Vorgaben
vorliegt und der Interessenausgleich
HR muss die Abbaumaßnahmen nicht nur operativ begleiten und umsetzen, sondern
auch die Personalpolitik und öffentliche Wahrnehmung im Blick behalten.
Auch in der Umsetzungsphase kommt der Personalabteilung eine zentrale
Steuerungsrolle zu, namentlich in Bezug auf:
• Planung und Steuerung des Kommunikationsprozesses,
• Einbindung von Finance zur Berechnung der Restrukturierungskosten und
Rückstellungsbildung,
• Steuerung externer Dienstleister und Berater sowie
• operative Aufgaben (von der Vertragserstellung bis hin zur Massenentlassungsanzeige
oder – soweit erforderlich – der Begleitung von Kündigungsschutzprozessen).
Übernehmen sollte die Personalabteilung zudem eine häufig übersehene Kontrollauf-
gabe: Die Restrukturierungsziele werden in der Umsetzungsphase nicht selten „unter-
wandert“. Zum Beispiel erfolgen die Anpassung der Personalabbaulisten, Beauftragung
externer Mitarbeiter und Dienstleister sowie Neueinstellungen häufig unkoordiniert und
die finanzielle Wirkung ist intransparent. Um die Sanierungsziele zu erreichen, müssen
aber alle restrukturierungsrelevanten Themen gebündelt werden. Hierfür ist die Per-
sonalabteilung die optimale Schnittstelle und nur ein derart ganzheitlicher, kontrolliert
umgesetzter Projektansatz bewirkt letztlich den erhofften Sanierungserfolg.
HR-Aufgaben in der Umsetzungsphase
ÜBERSICHT
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