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05/15 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
für Recruiter ist die gesamte Klaviatur
von Social Media, SEO und Active Sour-
cing. Personalentwickler müssen mit
Werkzeugen wie MOOCs und Lern-Com-
munities umgehen können. Die HR IT-
Spezialisten müssen künftig in der Welt
der durchgängigen Digitalisierung und
Mobilisierung der HR-Prozesse, Cloud
Services und integrierten Lösungen
zu Hause sein. Mit dem Erlernen und
Anwenden vieler neuer Techniken und
Methoden gehen dann auch eine Verän-
derung der Führungskultur in HR und
eine organisatorische Anpassung einher.
Ebene zwei: Neues HR-Portfolio
Diese Methoden können auch für die
eigene Portfolioentwicklung angewandt
werden. Dabei gilt es, Services und Pro-
dukte für die Transformation der Ar-
beitswelt 4.0 zu entwickeln. Darunter
fallen unter anderem die Demokratisie-
rung und Flexibilisierung von Organisa-
tionsformen, digitale Wertschöpfungs-
prozesse, New Leadership und die
bereits genannten agilen Management-
methoden und sozialen Anwendungen.
Beim ersten Lesen wirken die vielen
Elemente der Runderneuerung erschla-
gend. Doch moderne Personalmanager
haben in den vergangenen Jahren schon
einige Hausaufgaben erledigt. Wer sich
noch nicht auf den Weg gemacht hat, der
hat ein dickes Brett zu bohren, seine Rol-
le, Kompetenzen und Aufgaben neu aus-
zurichten. Denn die Zeiten haben sich
längst geändert.
Digitale Kompetenz erwerben
Hierbei stellt sich die berechtigte Fra-
ge, ob der Aufwand lohnt. Das tut er:
Ein digital kompetentes Unternehmen
erwirtschaftet im Durchschnitt 26 Pro-
zent mehr Gewinn als andere Firmen,
ermittelte eine Cap Gemini-Studie von
2013. Digitale Kompetenz ist keine stan-
dardisierbare, sondern eine individuelle,
je nach Job und Anspruch der Aufgabe
genau zu definierende Angelegenheit.
Jeder Mitarbeiter braucht digitale
Kompetenz, um Zusammenhänge und
Entwicklungen zu verstehen, die Medi-
en richtig zu nutzen und dies im Job an-
zuwenden. Digitale Kompetenz für eine
Führungskraft bedeutet, die Digitalisie-
rung und die Implikationen für das eigene
Unternehmen zu verstehen, strategische
Ableitungen zu ziehen und diese umzu-
setzen. Für Angestellte mit Kommunika-
tionsfunktion sieht digitale Kompetenz
komplett anders aus: Sie müssen sich
konkret mit allen Medien und Kanälen
und deren Vernetzung auskennen und
verfügen über mobile und soziale Skills.
Die Voraussetzungen für viral wirkende
Kommunikation sind ihnen bekannt und
sie sind technologieaffin.
Vom Scheinwissen verabschieden
So individuell die benötigte digitale Kom-
petenz ist: Für alle Berufsgruppen gilt,
dass sie sich von ihrem Scheinwissen
verabschieden müssen. Bereits Sokrates
unterschied drei Kompetenzlevel: Das
niedrigste ist das des Scheinwissens,
darauf baut das Nichtwissen auf, zum
Schluss folgt die Weisheit.
Scheinwissen ist persönliches Wissen
und individuelle Erfahrung. Es wird als
Wahrheit und feststehende Tatsachen
wahrgenommen. Scheinwissen hat sei-
ne Vorzüge, da es dabei hilft, jederzeit
sehr schnell und professionell zu agie-
ren. Gleichzeitig ist es aber auch gefähr-
lich: Es achtet auf seinen Status und lässt
nicht zu, dass es hinterfragt wird.
Ebenso wehrt sich das Scheinwissen
gegen Neues und möchte frisches Wis-
sen am liebsten als nicht notwendig oder
bereits vorhanden wegsortieren. Au-
ßerdem problematisiert es Neues: Müs-
sen wir wirklich jede Sau durchs Dorf
treiben? Es macht Neues klein: Wer hat
sich denn den Quatsch ausgedacht? Und
es redet Neues tot: Keine Sorge, das ist
ganz schnell wieder vorbei. So steht das
Scheinwissen wie eine Betonmauer zwi-
schen dem Menschen und dem Neuen
und verhindert das Lernen.
Das Nichtwissen zulassen
Nichtwissen ist der nächsthöhere Kom-
petenzlevel: Ich weiß, dass ich nichts
weiß. Es beschreibt die Kompetenz, ler-
nen und praktisches Wissen aufbauen
zu können. Gegenüber dem Scheinwis-
sen ändert sich die Qualität der Wahr-
nehmung und Erfahrung. Nichtwissen-
de nehmen die Umrisse neuen Wissens
wahr, ohne die tatsächlichen Inhalte
schon zu kennen. Dies hilft dabei, zu
überblicken und zu verstehen, dass und
wo Wissen aufgebaut werden muss.
Nichtwissende rechnen damit, dass
Wissen lebt, sich bewegt und verändert
– und auch sterben kann. Nur sie sind
imstande, die nächste Kompetenzstufe
zu erreichen: die der Weisheit. Nach
Sokrates ist dies das Spezialwissen und
die höchste Stufe der Erkenntnis.
Vor diesem Hintergrund stellt das
Nichtwissen die wichtigste Kompetenz
in der sich digitalisierenden Welt dar.
Nichtwissen ist notwendig, um offen
zu sein und zu bleiben. Es schenkt die
Freiheit, jederzeit alles hinterfragen zu
können, um das Neue stets vorbehaltlos
hereinlassen zu können. Nichtwissen
ist die notwendige Voraussetzung für
Aufbau und Besitz jeglichen – nicht nur
digitalen – Wissens. Und es bietet auch
innerhalb einer Organisation die Voraus-
setzung für Aufbau und Management
von nicht nur digitalen Kompetenzen.
SIMONE ASHOFF
ist Grün-
derin und Geschäftsführerin
der Good School in Hamburg
sowie Digital-Konzeptionerin.
STEPHAN GRABMEIER
ist
Experte für digitale Transfor-
mation sowie Gründer der
Innovation Evangelists.
Der Drei-Punkte Plan zu digitaler
Kompetenz – für mehr Profit oder den
nächsten Karriereschritt – lautet:
• altes Scheinwissen enttarnen
• digitales Nichtwissen wertschätzen
• praktisches, digitales Wissen pflegen
(es leben, sich verändern und auch
wieder sterben lassen)
DREI-PUNKTE PLAN
1...,69,70,71,72,73,74,75,76,77,78 80,81,82,83,84
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