CONTROLLER Magazin 4/2015 - page 64

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Working Capital Management gehört heute
bei markt- und meinungsführenden Unter-
nehmen zu den zentralen Elementen erfolg-
reicher Unternehmensführung. Obgleich die
hohe Bedeutung guten Working Capital Ma-
nagements generell akzeptiert und unbestrit-
ten ist, verfügen nur wenige Unternehmen
über ein nachhaltig erfolgreiches Working
Capital Management. Die Bedeutung von
Working Capital Management ist unumstrit-
ten: Das Vorhandensein von ausreichend
Cash ist die notwendige Voraussetzung für
das Überleben eines Unternehmens. Seit sei-
ner Einführung bei Toyota ist Lean Manage-
ment als Leitlinie für Verbesserungen im Un-
ternehmen generell akzeptiert.
Lean Ma-
nagement unterstützt die Cash-Perfor-
mance durch Reduzierung von Working
Capital.
Erstaunlich ist, dass nur wenige Un-
ternehmen konsequent und dauerhaft Lean
Management einsetzen, um ihre Cash-Positi-
onen zu verbessern.
Volatilität
Früher war alles besser, heißt es. Denn früher
ging es wirtschaftlich immer bergauf: meint
man. Doch schon die Bibel erwähnt mit den
sieben fetten und darauffolgenden sieben ma-
geren Jahren sowie der plötzlichen Sintflut die
flüchtige Unbeständigkeit von wirtschaftlichen
Zuständen. Das Hoch und Runter eines Mark-
tes wird heute allerdings nicht mehr durch lang-
atmige Sieben-Jahres-Rhythmen bestimmt: Im
Jahr und zwischen benachbarten Jahren zei-
gen sich bei wichtigen Marktindikatoren Aus-
schläge von rund plus/minus 30% (Beispiel:
Pkw-Neuzulassungen in Deutschland, Abbil-
dung 1). Auch haben wir in den vergangenen
Jahren mit der Häufung von nicht-einkalkulier-
ten Sintfluten oder Vulkanausbrüchen oder an-
deren Plagen schmerzliche Erfahrung gemacht.
Durch globalisierte Arbeitsteilung und informa-
tionsbeschleunigende Digitalisierung wirken
sich Veränderungen oder Einschläge ungepuf-
fert Just-in-Time und – manchmal sich auf-
schaukelnd – globus-weit aus. Allmählich ge-
wöhnen wir uns an die Erkenntnis:
Volatilität
ist die heutige Normalität!
Cash und Working Capital
Was bedeutet das für Unternehmen? Cash is
King! heißt es. Wer nicht flüssig ist, ist betriebs-
wirtschaftlich mausetot. In krisenhaften Zeiten
geht Liquidität vor Rendite, schafft man sich
notfalls auch Liquidität auf Kosten der Rendite.
In guten Zeiten dreht sich der Blickwinkel, doch
der Fokus auf das Working Capital bleibt – hier
gilt es die (Gesamt-)Kapitalrendite (z. B. Econo-
mic Value Added) zu optimieren und/oder aus-
reichend Liquidität für das weitere Umsatz-
wachstum zu schaffen: Liquidität kann also
nicht nur bei drastischem Umsatzschwund,
sondern vielmehr
auch bei furioser Umsatz-
steigerung zum Engpass werden
.
Abbildung 2 zeigt, wie sich der Geldsaldo eines
Unternehmens zusammensetzt. Wenn in einem
Unternehmen aufgrund unerwarteter Markt-
und/oder Kostenentwicklungen die Position EBIT
+ Abschreibungen nicht stabil und belastungs-
fähig erscheint, gewinnt die Innenfinanzierung
durch gezieltes Working Capital Management
größte Bedeutung. Dies gilt insbesondere dann,
wenn ein Mittelzufluss weder durch Desinvesti-
tion noch durch Außenfinanzierung fristgerecht
möglich erscheint. Als (rechtzeitig anzusteuern-
des!) Ziel ergibt sich:
Verbesserung des Geld-
saldo durch Working Capital-Management
.
Was ist Working Capital?
Working Capital (WoC) wird im Kern verstan-
den als Umlaufvermögen, reduziert um die
kurzfristigen Verbindlichkeiten, die in aller Re-
gel zinsfrei sind. Working Capital umfasst also
im Detail
·
das durch die operative Geschäftstätigkeit
gebundene Umlaufvermögen
·
dessen Positionen nicht zinstragend sind
und das
·
daher durch verzinsliches Kapital zu finan-
zieren ist.
Working Capital
1
= Liquide Mittel
+ Kurzfristige Forderungen
+ Vorräte
./. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und
Leistungen
./. Sonstige kurzfristige Verbindlichkeiten
Working Capital hat zwei Dimensionen:
Geld
und Zeit.
Es ist eine zeitpunktbezogene mo-
netäre Größe. Ein entlang der Zeitachse ge-
schickt agierendes Unternehmen kann durch-
aus ein negatives Working Capital haben. Ein
dauerhaft niedriges oder sogar negatives
Working Capital ist in aller Regel ein Zeichen
besonderer Marktmacht.
Für ein einfach-strukturiertes Unternehmen er-
geben sich in der Praxis folgende, das Working
Capital beeinflussende Abläufe: Rohmaterialien
werden direkt gegen Cash gekauft oder es wer-
den zugehörige Verbindlichkeiten aufgebaut,
die später durch Cash-Zahlung aufgelöst wer-
den. Rohmaterialien werden in fertige Güter
transformiert, diese dann auf Kredit verkauft
und resultierende Forderungen durch Cash-
Zahlung des Kunden aufgelöst. Der Prozess
lässt sich in der Bilanz verfolgen: Bei Prozess-
Fat Cash durch Lean Management – der Treiber:
Working Capital
von Heinz-Jürgen Klepzig und Hendrik Vater
Working Capital Management
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