HR-Software-Kompendium - page 69

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Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
spezial Softwarekompendium 2017
Unmittelbar anschließend stellt sich
die Frage, welche Erklärung hinter die-
sem Befund steht. Ein direkter Ursache-
Wirkungs-Zusammenhang zwischen
dem Einsatz einer derartigen Technolo-
gie und der Mitarbeiterbindung bezie-
hungsweise Arbeitszufriedenheit ist
wenig plausibel. Stattdessen ist davon
auszugehen, dass eine oder mehrere
Zwischengrößen den Effekt vermitteln.
Aus einer theoretischen Überlegung
heraus kommen dafür Gerechtigkeits-
aspekte infrage.
Wahrgenommene Gerechtigkeit
Die Befragung umfasste daher auch die
Bewertung von Aussagen, welche auf
die Gerechtigkeit der Einsatzplanung
aus der Sicht der Mitarbeiter abzielen.
Dabei können zwei Gerechtigkeitsdi-
mensionen voneinander abgegrenzt
werden: Die prozedurale Gerechtigkeit
bezieht sich auf die Nachvollziehbarkeit
des Verfahrens. Als distributive Ge-
rechtigkeit wird die Wahrnehmung des
Verfahrensergebnisses im Vergleich der
geplanten Arbeitszeiten von Kollegen
bezeichnet.
Diese zwei Gerechtigkeitsdimensi-
onen könnten solche Zwischengrößen
sein, die den Effekt des Einsatzes einer
digitalen Personaleinsatzplanung auf
Mitarbeiterbindung und Arbeitszufrie-
denheit vermitteln.
Objektive und nachvollziehbare
Planung
Die Analyse zeigt, dass die Verwendung
einer Software, die ohne Ansehen der
Person nach objektiven und nachvoll-
ziehbaren Kriterien die Arbeitseinsätze
verteilt, die empfundene Gerechtigkeit
der Personaleinsatzplanung erhöht.
Dies betrifft sowohl die prozedurale Di-
mension im Sinne eines transparenten
Verfahrens als auch die distributive
Dimension im Sinne eines Vergleichs mit
den geplantenArbeitszeitender Kollegen.
Bezogen auf beide Teilaspekte weist
die „Ja“-Gruppe mit digitaler Personal-
einsatzplanung höhere Werte der wahr-
genommenen Gerechtigkeit auf als die
„Nein“-Gruppe ohne ein solches System
(siehe Abbildung). Im Teilgebiet der pro-
zeduralen Gerechtigkeit ist der Mittel-
wertunterschied mit 2,9 („Ja“-Gruppe)
zu 2,6 („Nein“-Gruppe) noch etwas stär-
ker ausgeprägt als bei der distributiven
Gerechtigkeit (3,8 zu 3,6).
Aber selbst unter Verwendung einer
digitalen Personaleinsatzplanung ist
das Antwortverhalten der Probanden
auf dieser fünfstufigen Skala so, dass
mit Blick auf die Transparenz des Ver-
fahrens (prozedurale Gerechtigkeit) nur
ein Mittelwert links der Skalenmitte von
drei erreicht wird (siehe obere Hälfte der
Abbildung Seite 68). Das bedeutet: Die
Verwendung einer Softwarelösung kann
in diesem Punkt zwar erkennbare Ver-
besserungen bewirken. Aber offenbar
verbleiben Unsicherheiten im Sinne der
Nachvollziehbarkeit der Planung. Die
Beurteilung des Ergebnisses (distributi-
ve Gerechtigkeit) ist dagegen in beiden
Gruppen deutlich besser (siehe untere
Hälfte der Abbildung Seite 68).
Die positiven Effekte der Software
Um die Vermutung eines Mittlereffekts
derGerechtigkeitsdimensionenaufrecht-
zuerhalten, müsste die wahrgenommene
Gerechtigkeit im Endeffekt in einem po-
sitiven Zusammenhang zu den perso-
nalwirtschaftlichen Zielgrößen Mitar-
beiterbindung und Arbeitszufriedenheit
stehen. Tatsächlich zeigt sich: Je besser
die Befragten die beiden Gerechtigkeits-
dimensionen bewerten, desto stärker
sind auch emotionale Mitarbeiterbin-
dung sowie Arbeitszufriedenheit aus-
geprägt. Beide Konstrukte sind dabei
mit etablierten Skalen operationalisiert,
die eine valide Messung der Größen er-
möglichen.
Für die Praxis bedeutet das: Der Ein-
satz einer digitalen Personaleinsatz-
planung kann sich nicht nur in einer
stärkeren wahrgenommenen Gerechtig-
keit der Planung niederschlagen, son-
dern über diesen Kanal auch positive
Effekte auf Mitarbeiterbindung und Ar-
beitszufriedenheit generieren.
Die Schattenseiten der Digitalisierung
Die Gesamtstudie, die im Laufe des Jah-
res veröffentlicht werden soll, wird sich
weiteren Aspekten der Digitalisierung
widmen. Darunter fallen auch negative
Wirkungen. So steht die zunehmende
Nutzung von portablen Geräten (bei-
spielsweise Smartphones oder Tablets),
wie sie für viele Berufstätige bereits
selbstverständlich zum Alltag dazuge-
hört, auch in einem Zusammenhang
mit einer verstärkten Wahrnehmung
von Druck, etwa eine Arbeit sofort erle-
digen zu müssen, weil uns eine E-Mail
über das Smartphone erreicht. Und die
erwünschte zunehmende Flexibilität in
den Arbeitszeiten kann damit einher­
gehen, dass Beschäftigte übermäßig Zu-
satzarbeit zu Hause erledigen.
Somit gilt es wie in vielen anderen
Bereichen auch, eine gesunde Balance
zu finden. Neue Technologien eröffnen
neue Perspektiven und neue Freiheiten.
Aber an manchen Stellen erfordern sie
vielleicht auch neue organisatorische
Rahmenbedingungen, die Fehlentwick-
lungen auffangen können.
KATHARINA HOCHGÜRTEL
hat an der FOM Hochschule
ihre Bachelorarbeit zum
Thema geschrieben.
PROF. DR. CHRISTIAN
RÜTTGERS
ist stellvertreten-
der Direktor des Ipo-Instituts
der FOM Hochschule.
„Neue Technologien
eröffnen neue Perspekti-
ven und Freiheiten.
Aber an manchen
Stellen erfordern sie
vielleicht auch neue
organisatorische
Rahmenbedingungen.“
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