WIRTSCHAFT UND WEITERBILDUNG 5/2017 - page 64

grundls grundgesetz
Boris Grundl
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wirtschaft + weiterbildung
05_2017
Wir wissen, dass unser Gehirn unablässig Gedan-
ken produziert. Über 60.000 pro Tag. Zumindest
behauptet das ein hartnäckiger Weiterbildungs-
mythos. Selbstreflektierte Menschen wissen auch
ohne solche Zahlenspiele, wie sehr sich ihr Geist
mit Denken und inneren Dialogen beschäftigt. Dass
vieles davon unbewusst und wenig produktiv ist,
ist ebenso klar. Doch jenseits aller Hausnummern
ist entscheidender, was qualitativ im Kopf vor sich
geht. Qualität vor Quantität. Der einzige Weg dahin
ist, sich selbst beim Denken zu beobachten. Klar
und unverstellt zu erkennen, was vor sich geht.
Ohne Bewertung. Auch stellt sich die Frage, wie weit
Sie Ihre Gedanken führen (nicht kontrollieren!) und
lenken können. Das ist jeden Tag aufs Neue span-
nend.
Was halten Sie von folgenden Gedanken? „Ich
möchte nicht der sein, der ich sein möchte. Noch
der, der ich sein sollte. Auch nicht der, der ich sein
müsste. Ich bin nicht der, den meine Eltern gerne
sähen. Oder mein Partner, die Gesellschaft, meine
Mitarbeiter. Oder mein Chef. Ebenso bin ich nicht
der, der ich einmal war. Ich bin der, der ich bin!“ Wie
finden Sie das? Realitätsfremder, philosophischer
Quatsch, fernab der harten Realität der Wirtschaft?
Oder erkennen Sie Freiheit und Selbstbestimmtheit
darin und damit einen freien Geist voller Ideen für
eine erfolgreiche Zukunft? Sie entscheiden!
Ich bin fest davon überzeugt, dass genau diese
Gedanken für jeden täglich wichtiger werden. Vom
Tag, an dem Sie beginnen, über „Ihr Dasein“ nach-
zudenken – bis zu Ihrem Tod. Wenn Sie bis hierhin
gelesen haben, gehören Sie zu diesen reflektierten
Menschen. Garantiert. Die weitere Evolution des
Menschen wird eine des Geistes sein. Weniger in
körperlichen Dingen. Längst ist uns bewusst, dass
unsere künftige Daseinsberechtigung von klugen
Ideen, von qualitativer Kreativität abhängig ist.
Meine Überzeugung geht noch weiter: Genau dieses
Denken ist die Antwort auf die viel zitierte
VUCA-Welt, die jeden täglich stärker for-
dert. Nicht höher, schneller, weiter, son-
dern flexibler, klarer, tiefer.
Umso entscheidender ist es, sich mit der
Welt der Ideen auseinanderzusetzen.
Auch, aber weniger, mit Geschehnissen. Bei Men-
schen wird es mehr auf ein „mit“ als ein „über“
ankommen. Es gilt, die Ideen eines entwickelten
Geistes richtig zu werten und klug zu nutzen. Viele
Ideen leuchten wie Sternschnuppen, aber vergehen
in Sekunden wieder, auch wenn sie großes Poten-
zial besaßen. Andere entpuppen sich bei tieferer
Betrachtung als Quatsch, der sich als Geniestreich
verkleidet hat. Es ist eine Kunst, aus dem Überfluss
der Gedanken die wirklich starken herauszufiltern.
Denn jede bahnbrechende Idee steht auf einem
Berg von Ideenmüll. Kreative wissen: Man muss
schon viel Mist produzieren, bis etwas wirklich
Brauchbares dabei herausspringt.
Schaffen Sie deshalb ein Klima der Kreativität
in Ihrem Umfeld. Passen Sie auf, worüber nach-
gedacht und diskutiert wird. Und wenn Sie nicht
meinen Sätzen Glauben schenken wollen, dann
vielleicht den Worten Leonora Roosevelts: „Große
Geister diskutieren Ideen. Normale Geister diskutie-
ren Geschehnisse. Kleine Geister diskutieren Men-
schen!“ Sorgen Sie dafür, dass sich immer mehr
große Geister in Ihrem Umfeld bewegen. Ob das
gelingt, erkennen Sie daran, worüber die Menschen
um Sie herum meistens reden.
Paragraf 55
Sprich über Ideen,
nicht über andere
Menschen
Boris Grundl ist Managementtrainer und Inhaber der Grundl Leadership Akademie, die Unternehmen befähigt, ihrer Führungsverantwortung gerecht zu werden.
Grundl gilt bei Managern und Medien als „der Menschenentwickler“ (Süddeutsche Zeitung). Sein neues Buch heißt: „Mach mich glücklich. Wie Sie das bekommen,
was jeder haben will“ (Econ Verlag 2014, 246 Seiten, 18 Euro). Boris Grundl beweist, wie leicht und schnell das Verschieben von Verantwortung in eine
zerstörerische Sackgasse führt und die persönliche Weiterentwicklung und damit Glück verhindert.
Unsere künftige Daseinsberechtigung
hängt von klugen Ideen, von
qualitativer Kreativität ab.
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