05_2015
wirtschaft + weiterbildung
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Franke:
Nein, jeder Entscheider, der ein Projekt umsetzt, kann
auch sagen: „Hey, ich probiere das.“ Das muss nicht der Ge-
schäftsführer oder Vorstand sein. In dem Film zeigen wir des-
halb auch die Bandbreite vom kleinen Unternehmen bis hin
zum großen Konzern. Bei adidas ging die Veränderung zum
Beispiel nicht vom Vorstandsvorsitzenden aus, sondern von
mutigen Menschen in der Organisation, die sich ihre Arbeits-
kultur anders vorstellen. Wir haben oft Grenzen und einen ge-
wissen vorauseilenden Gehorsam im Kopf. Aber wenn wir uns
auf den Weg machen, merken wir, dass die Grenzen gar nicht
da sind oder zumindest, dass wir viel mehr machen können,
als wir uns ausgemalt haben.
Aber die Gefahr besteht doch, dass man für ein solch
eigenmächtiges Verhalten einen Rüffel bekommt ...
Franke:
Kürzlich sagte eine Dame auf einer der Film-Veran-
staltungen in Mannheim: „Wie viele gesellschaftliche Verände-
rungen kamen denn von oben? Die kamen immer von unten.“
Da brauchen wir nur die Geschichte der deutschen Wiederver-
einigung anzuschauen. Das lässt sich zwar nicht direkt verglei-
chen, aber man kann einen Gedanken mitnehmen: Vielleicht
ist der, der glaubt, alleine zu sein, einfach nur der erste, der
den Mut hat. Aber natürlich besteht immer die Gefahr, dass
sich die Organisation wehrt. Dabei spielt das Machtthema eine
große Rolle: Wer sich bisher etwa als Abteilungsleiter und Vor-
gesetzter über seinen von oben verliehenen Titel identifizierte,
braucht ein neues Rollenverständnis.
Worin besteht denn dann in einer partizipativen Organisation
die Rolle von Führungskräften noch?
Franke:
Führungskräfte werden dann nicht mehr dafür ent-
lohnt, dass sie Macht und Wissen für sich behalten, sondern
dass sie es teilen und weitergeben. Dieses Umdenken fällt vie-
len schwer. Ich kenne Unternehmen, die versucht haben Titel
abzuschaffen. Als sie das gemacht haben, waren die Leute aber
plötzlich total unzufrieden, weil sie nicht mehr wussten, was
sie Freunden auf dem Fußballfeld erzählen sollten. Was bin
ich denn jetzt? Ein Abteilungsleiter wird vom Titel her wertge-
schätzt. Aber jetzt ist er plötzlich nicht mehr Abteilungsleiter.
Da heißt es dann im gesamten Umfeld: „Oh, was ist denn mit
dem passiert?“
Das Karrieredenken sitzt demnach in der Wirtschaft noch
sehr tief. Inwiefern könnte das bei der jungen Generation in
Zukunft anders sein?
Franke:
Ich arbeite viel mit Startups und unterstütze sie beim
Thema Mitarbeiterbeteiligung und Organisationsentwicklung.
Selbst da erleben Sie diesen Automatismus: Sobald man an
die acht bis neun Mitarbeiter hat, glaubt man Abteilungsleiter
zu brauchen. Das kann ja richtig sein, aber die Entscheidung
muss bewusst getroffen werden. Denn die „Nerds“ gehen dann
lieber zwei Türen weiter. Wenn sich Unternehmen das leisten
können, dann können sie sich auch einen Abteilungsleiter
holen. Da dieses hierarchische Denken noch so tief verankert
ist und wir es oft schon an Hochschulen oder noch früher im
Sven Franke.
Seit 1997 unterstützt Franke
Unternehmen bei der Implementierung von
Beteiligungsmodellen
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