WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 23/2019 - page 5

Der Bauminister appellierte an Städte und
Gemeinden, Bauland zu aktivieren und für
den sozialen Wohnungsbau bereitzustellen.
Neben der Ausweitung des geförderten
Wohnungsbaus seien aber noch weitere
Investitionsanreize erforderlich, damit auch
der private Mietwohnungsbau deutlich
erhöht wird. Um die Rahmenbedingungen
zu verbessern, setzt sich der Freistaat auf
Bundesebene für die Einführung einer Son-
derabschreibung für den Mietwohnungs-
bau ein. Als weiteres Instrument nannte
Reichhart die Nachverdichtung in den Städ-
ten durch die Aufstockung von Gebäuden.
Bayern spricht sich deshalb dafür aus, die
Aufstockung von Gebäuden steuerlich zu
fördern. Um mehr Bauland zu mobilisie-
ren, plant Bayern eine Bundesratsinitiative,
damit Landwirte Bauland steuerbegünstigt
aus dem Betriebsvermögen entnehmen
dürfen, wenn darauf Wohnraum geschaf-
fen wird. Auch die Beschleunigung von
Planungsverfahren in der Bauleitplanung
sprach Reichhart an. Zur aktuellen Debatte
um eine Verschärfung des Mietrechts und
die Enteignung von Wohnungsunterneh-
men bezog der Bauminister klar Position:
„Das Mietrecht darf nicht zu einem Investi-
tionshemmnis für den Wohnungsbau wer-
den.“
Gute Wohnungspolitik erfordert
einen langen Atem
Auch für Prof.
Christoph M. Schmidt
,
Vorsitzender des Sachverständigenrats zur
Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen
Entwicklung, ist das Wohnen eine der drän-
gendsten Fragen, der sich die Gesellschaft
stellen muss. Vor allem in den Ballungs-
zentren werde die Suche nach einer Woh-
nung immer schwieriger, sagte Schmidt.
Der Präsident des Essener RWI-Leibniz-Insti-
tuts für Wirtschaftsforschung wünscht sich
bei der Suche nach Lösungen eine sachli-
chere Debatte. Um die Relationen vernünf-
tig einschätzen zu können, empfiehlt der
Wirtschaftsweise einen Blick ins Ausland.
Im internationalen Vergleich sei die Situa-
tion auf dem deutschen Wohnungsmarkt
unspektakulär. So gebe es deutschland-
weit keine Hinweise auf Übertreibungen
am Immobilienmarkt. Eine Ausnahme wür-
den die Top-Sieben-Großstädte bilden. Hier
macht Schmidt einen Neubaubedarf von
rund 400.000 Wohnungen für die nächs-
ten Jahre aus, der durch die aktuellen Bau-
fertigstellungszahlen nicht erreicht wird.
Sein Fazit: Schnelle Lösungen wird es nicht
geben. Die Mietpreisbremse bezeichnete
er als begrenzte „Symptomtherapie“ für
bestehende Mieter, sie verschlechtere aber
die Lage für Wohnungssuchende. Als Maß-
nahmen gegen den in manchen Ballungs-
zentren steigenden Wohnungsmangel hält
der Wissenschaftler Wohngeld ebenso ziel-
führend wie die Förderung selbst genutzter
Immobilien und die soziale Wohnraumför-
derung. Gerade die bayerische einkom-
mensorientierte
Wohnraumförderung
lobte er ausdrücklich.
Bezahlbare Mieten und sicheres Woh-
nen – seit 110 Jahren in Bayern
Verbandsdirektor
Hans Maier
ging auf die
Leistungen der 475 Verbandsmitglieder im
Jahr 2018 ein: 4.000 bezahlbare Mietwoh-
nungen, Investitionen von knapp zwei Mil-
liarden Euro und eine Durchschnittsmiete
von 6,18 Euro pro Quadratmeter. „Das
sind Zahlen, auf die wir stolz seien dür-
fen“, sagte Maier. Für die Behebung des
aktuellen Wohnungsmangels wünscht sich
der Verbandschef weniger populistische
Debatten und mehr Realitätssinn. „Gefor-
dert sind Lösungen und keine kurzfristige
Symbolpolitik“, betonte der Verbandschef.
Ein wesentlicher Grund für den Anstieg
der Preise sei, dass das Bauen, Instandhal-
ten, Modernisieren und Bewirtschaften seit
vielen Jahren immer aufwändiger gewor-
den ist. An diesen steigenden Kosten müs-
sen langfristig auch die Wohnungsnutzer
beteiligt werden. „Und wenn wir bei dem
hohen Aufwand für den Neubau günstige
Mieten wollen, dann brauchen wir mehr
Fördergelder“, brachte es Maier auf den
Punkt. Der Freistaat halte aktuell das gute
Niveau der Fördergelder. Anders sähe es
leider beim Bund aus. Im Etatentwurf des
Bundesfinanzministeriums für 2020 seien
500 Millionen Euro weniger für die Wohn-
raumförderung vorgesehen. Für den Ver-
bandsdirektor ist das ein falsches Signal an
die Wohnungswirtschaft. „Dann wird das
mit dem notwendigen Wohnungsbau wohl
nicht so ernst gesehen“, kritisierte Maier
mit Blick nach Berlin. Die einzig wirksame
Lösung für den Wohnungsmangel ist für
den Verbandsdirektor der Neubau. „Wenn
Wohnungen fehlen, müssen sie gebaut
werden“, betonte Maier. Die größte Heraus-
forderung liegt für ihn im fehlenden Bau-
land und in den hohen Baukosten. Deshalb
forderte Maier die vergünstigte Abgabe von
Grundstücken und ein kritisches Hinterfra-
gen baurechtlicher Vorgaben.
Den Abschluss des öffentlichen Teils bildete
eine Podiumsdiskussion mit den Landtags-
abgeordneten Jürgen Baumgärtner (CSU)
und Sebastian Körber (FDP), GdW-Prä-
sident Axel Gedaschko, Prof. Christoph
M. Schmidt sowie VdW-Verbandsdirektor
Hans Maier. Neben Lösungsansätzen zur
Behebung des Wohnungsmangels waren
die Mietpreisbremse, die Grundsteuerre-
form und die Enteignungsdebatte aktuelle
Diskussionsthemen.
(stra/schi)
AUS DEN VERBÄNDEN
Fotos: Andreas Heddergott
Verbandsdirektor Hans Maier beim Politischen
Rechenschaftsbericht
Fortsetzung von Seite 4
Thüringer Wohnungsmarkt funktioniert –
Konzentration auf ländlichen Raum notwendig
Suhl – Am Rande der diesjährigen Tage der Thüringer Wohnungswirtschaft stellte Frank Emrich, Verbandsdirektor des
Verbandes Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (vtw) die aktuellen Zahlen der rund 200 Mitgliedsunterneh-
men vor. Darüber hinaus wurde zum zweiten Mal der Preis der Thüringer Wohnungswirtschaft vergeben.
Die Analyse aktueller Zahlen macht eine
Kluft deutlich, die sich so nicht weiter ent-
wickeln darf, warnte der vtw. Es existiere
eine gefühlte Marktanspannung in den
Städten, die nicht durch Daten gedeckt sei.
Daneben verfälsche die Marktnormalisie-
rung eine fatale Entwicklung im ländlichen
Raum. Die durchschnittliche Miete aller ver-
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Der bayerische Bauminister Dr. Hans Reichhart
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