Wohnungspolitische Informationen 49/2018 - page 6

AUS DEN VERBÄNDEN
Holzbau, Recyclingbeton und Ressourcenschonung –
Experten diskutieren nachhaltige Baumaterialien in der Praxis
Reutlingen/Heidelberg – Die kommunalen Wohnungsunternehmen in Baden-Württemberg bauen Tausende neue Woh­
nungen. Bei diesem hohen Bauvolumen ist auch die Ressourceneffizienz ein wichtiger Aspekt. Rund 40 Geschäftsführer
kommunaler Unternehmen haben sich deshalb im November bei einer Tagung in Reutlingen mit nachhaltigen Baumate­
rialien beschäftigt.
„Angesichts der Preisdiskussion ist die
Nachhaltigkeit beim Bauen in den Hinter-
grund getreten“, so die Reutlinger Ober-
bürgermeisterin
Barbara Bosch
(parteilos)
bei ihrer Begrüßung der Teilnehmer. „Dabei
gehört das Thema in eine Zeit, in der so viel
gebaut wird.“
Ressourcenintensives Bauwesen
Das Bauwesen ist ein sehr ressourcenin-
tensiver Wirtschaftszweig. In Deutschland
werden pro Jahr 517 Millionen Tonnen
mineralischer Rohstoffe verbaut – was 90
Prozent der gesamten inländischen Ent-
nahme entspricht. Schätzungen zufolge
umfasst der hiesige Gebäudebestand rund
15 Milliarden Tonnen Material. Dieser Roh-
stoffeinsatz birgt große Einsparpotenziale.
Schwerpunkte der Tagung waren die Mate-
rialien Recyclingbeton und Holz.
Florian
Knappe
vom Institut für Energie- und
Umweltforschung Heidelberg GmbH (ifeu)
stellte Recyclingbeton (R-Beton) als Baustof-
falternative vor: „Dieser Beton hat die glei-
chen Eigenschaften wie regulärer Beton.
Der einzige Unterschied besteht darin, dass
ein Teil der Steine durch ein Material mit
Vorleben ersetzt wird – Gesteinskörnungen
aus Altbeton.“
Ein Verbundforschungsvorhaben unter
Führung der TU Darmstadt legte in den
1990er Jahren die Basis für den Einsatz von
R-Beton. Während in Deutschland zunächst
nur wenige Gebäude mit diesem Baustoff
errichtet worden sind, deckt die Schweiz
mittlerweile knapp 15 Prozent der gesam-
ten Beton-Nachfrage mit R-Beton.
Projekte mit Recyclingbeton
In Baden-Württemberg hat insbesondere
der Bau- und WohnungsVerein Stuttgart
Erfahrung mit R-Beton. Im Pilotprojekt
errichtete er zwei Mehrfamilienhäuser mit
Tiefgarage mit R-Beton. Die Zuschlagstoffe
stammten aus dem Abriss von Gebäuden
auf den gleichen Grundstücken. Inzwi-
schen hat das Unternehmen bei mehreren
Projekten R-Beton eingesetzt.
Thomas
Wolf
, Vorstandsvorsitzender, empfahl den
Tagungsteilnehmern, Betonarbeiten auch
mit R-Beton auszuschreiben. Die Erfahrun-
gen seien gut, allerdings könne je nach
Region die Verfügbarkeit des Materials den
Einsatz behindern.
Dominik Buchta
, Geschäftsführer der
Stadtsiedlung Heilbronn GmbH, bestä-
tigte die positiven Erfahrungen. Die Stadt-
siedlung hat mit dem Wissenschafts- und
Technologiezentrum das bundesweit erste
Hochhaus aus R-Beton errichtet. Mehr als
20 Prozent der verwendeten Gesteinskör-
nungen stammen aus aufbereitetem Altbe-
ton. Das Gebäude ist mit dem Zertifikat in
Gold der Deutschen Gesellschaft für Nach-
haltiges Bauen (DGNB) ausgezeichnet.
Projekte im Holzbau
Auch mit zwei weiteren Leuchtturmprojek-
ten in Holzhybridbauweise setzt die Stadt-
siedlung auf Nachhaltigkeit: dem Kinder-
haus „KINJA“ mit hohem Anspruch an die
Lebenswelt von Kindern und die Architek-
tur sowie dem 10-geschossigen Hochhaus
„SKAIO“. Es wird einen deutschen Höhenre-
kord im Holzbau markieren. Beide Gebäude
sind Teil der Stadtausstellung Neckarbogen
und damit der Bundesgartenschau.
„Die Holzbauweise hat viele Vorteile, ins-
besondere bei der Schnelligkeit im Bau
und der hohen Ausführungsqualität“, so
Dominik Buchta. „Das Raumklima ist her-
vorragend; die Menschen fühlen sich wohl
darin.“ Allerdings gibt es in Deutschland
bislang wenige Architekten und Firmen für
solche Projekte, und viele Details des SKAIO
werden zum ersten Mal entwickelt. Die Pla-
nung ist im Holzbau aufwändiger.
Ralf Güthert
, Geschäftsführer der GWG
- Wohnungsgesellschaft Reutlingen mbH,
stellte das TIMBERQuartier mit 29 Dop-
pelhaushälften und Reihenhäusern sowie
21 Wohnungen im Mehrgeschosser vor.
Hierfür hat die GWG mit einem Bauträ-
ger kooperiert. Auch Ralf Güthert warb
für die Vorteile von Holz: „Die gesunde,
ökologische Bauweise wird sehr gut ange-
nommen.“ Der Kindergarten des Quartiers
ist in Modulbauweise in nur acht Monaten
Bauzeit errichtet worden. Im Quartier wer-
den naturbelassene Holzspäne aus Fichten-
holz als Wärme- und Schalldämmstoff für
Dächer, Decken und Wände eingesetzt.
„Es geht den kommunalen Unternehmen
nicht nur darum, möglichst schnell bezahl-
baren Wohnraum zu schaffen. Wir ach-
ten dabei auch auf die architektonische
und ökologische Qualität und schaffen so
gefragte Quartiere für die nächsten Jahr-
zehnte. Wir verstehen uns als Vorreiter
einer Wohnungs- und Stadtentwicklung,
die gleichermaßen an den Bedürfnissen der
Menschen und der Umwelt ausgerichtet
ist“, fasste
Peter Bresinski
, Vorsitzender
der Vereinigung baden-württembergischer
kommunaler Wohnungsunternehmen, die
Tagung zusammen.
(sieb/koch)
Ralf Güthert (GWG Reutlingen), Reutlingens Oberbürgermeisterin Barbara Bosch, Klaus Kessler
(GWG Reutlingen), Peter Bresinski (Vorsitzender der KoWo) und Dominik Buchta (Stadtsiedlung
Heilbronn) (v. l.)
Foto: KoWo
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