Wohnungspolitische Informationen 21/2018 - page 6

AUS DEN VERBÄNDEN
„Die perfekte Zukunft gibt es nicht“ –
Traditionsveranstaltung Zwischenahner Gespräch mit vielen Teilnehmern
Bad Zwischenahn – „Wird's besser? Wird's schlimmer? – fragt man alljährlich. Seien wir ehrlich: Leben ist immer lebens-
gefährlich!“ Auf die Frage nach der Zukunft hatte zumindest Erich Kästner eine ebenso einfache wie plausible Antwort
parat. Beim 37. Zwischenahner Gespräch des Verbandes der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Niedersachsen Bre-
men (vdw) hingegen entpuppte sich das mit der Zukunft im April 2018 als ziemlich komplexe Geschichte. Schnelle Lösun-
gen? Patentrezepte? Selbstbewusste Prognosen? Allesamt Fehlanzeige. Dafür sorgten die Referenten bei der traditions-
reichen wohnungswirtschaftlichen Tagung in bester Zwischenahner Manier für ein Potpourri an frischen Ideen, fachkun-
digen Einschätzungen und ausgewogenen Handlungsempfehlungen.
Zum Tagungsmotto „Zukunft? Zukunft!“
hatte der vdw unter anderem den Auto-
ren und brand-eins-Reporter
Wolf Lot-
ter
eingeladen. Nach seiner Einschätzung
ist das „Problem der Zukunft die Gegen-
wart“. Denn nichts sei gefährlicher für
eine gedeihliche Weiterentwicklung als
die Erfolge von gestern. Er selbst wolle
sich nicht anmaßen, die Zukunft vorher-
zusagen, meinte Lotter. Daher halte er es
wie Clint Eastwood, der einmal über seine
Zukunftspläne gesagt hat: „Ich reite in die
Stadt. Der Rest ergibt sich.“
Einen Blick in die unternehmerische
Zukunft haben
Hans Sartoris
und
Lorenz
Hansen
mit ihren Wohnungsgesellschaf-
ten geworfen. Sartoris hat mit der Stadt-
bau Würzburg amWettbewerb Innovativer
Mittelstand teilgenommen und sich dort
mit Betrieben anderer Branchen gemes-
sen. „Für uns ein Glücksfall“, sagte Sartoris
vor den 160 Teilnehmern. Hansen berich-
tete über das Nachhaltigkeitskonzept von
Gundlach Immobilien (Hannover). „Es kann
ein Wettbewerbsvorteil sein, aber es kann
auch nerven“, lautete Hansens Fazit.
Zum „Gespräch und mee(hr)“ konnte der
vdw in diesem Jahr den niedersächsischen
Bauminister
Olaf Lies
(SPD) und den Bre-
mer Staatsrat
Jens Deutschendorf
(Bünd-
nis 90/Die Grünen) begrüßen. Beide waren
sich einig, dass die öffentliche Förderung
eine zentrale Rolle bei der Schaffung von
bezahlbaremWohnraum habe: „Der Markt
regelt eben nicht alles“, hieß es etwa von
Lies. Darüber hinaus sprachen sie sich Lies
und Deutschendorf für eine bundeseinheit-
liche Musterbauordnung aus.
Nicht zentral wohnungswirtschaftlich, statt-
dessen schon in vor-weltmeisterschaftlicher
Stimmung ging es am zweiten Tag weiter.
Zu Gast war DFB-Präsident Reinhard Grin-
del, der mit Moderator Lars Reckermann,
Chefredakteur der Nordwest-Zeitung, einige
der wirklich wichtigen Fragen zwei Monate
vor Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft
erörterte. Es ging aber auch um den Fuß-
ballfan Angela Merkel, Grindels Sportplatz-
besuche beim Heimatverein in Rotenburg/
Wümme, e-gaming und den Videobeweis.
Professor
Harald Simons
von empirica
führte im Anschluss daran die Veranstal-
tung wieder auf die gewohnten Gleise. Er
verteidigte seine Analyse hinsichtlich einer
abschwächenden Preistendenz bei Eigen-
tumswohnungen in München und Berlin,
die ihm in Fachkreisen scharfe Kritik ein-
gebracht hat. „Die perfekte Zukunft gibt
es nicht“, sagte Simons. Daher würden
sich die optimistischen Preisentwicklungen
in den beiden größten deutschen Städ-
ten in den nächsten Jahren nicht erfüllen.
Kurzum: „The party is over.“
Erstmals zu Gast beim Zwischenahner
Gespräch war
Peter Ache
– und dies,
obwohl der Experte von den Gutachteraus-
schüssen im benachbarten Oldenburg zu
Hause ist. Seine Einschätzung zu den sich
abzeichnenden enormen Flächenbedarfen
dürfte in der bauwilligen Wohnungswirt-
schaft noch lange nachhallen.
Axel Gedaschko
, Präsident des Spitzen-
verbandes der Wohnungswirtschaft GdW,
betonte, dass die Branche mit dem Koaliti-
onsvertrag in weiten Teilen einverstanden
sein dürfte. Dennoch seien die anstehenden
Probleme enorm. Es fehlten eine Million
bezahlbare Wohnungen in Deutschland,
und wie diese Lücke geschlossen werden
soll, sei angesichts fehlender Kapazitäten in
der Bauindustrie und im Handwerk sowie
steigender Baukosten eine mehr als span-
nende Frage. Das Baukindergeld – „Recht-
fertigt der Ertrag diesen Aufwand?“ – und
die Mietpreisbremse werden nach Einschät-
zung Gedaschkos jedenfalls nicht des Rät-
sels Lösung sein.
(ens/schi)
Fotos: vdw
Bootsfahrt auf Zwischenahner Meer
Der vdw-Verbandsratsvorsitzende Andreas Otto, der niedersächsische Bauminister Olaf Lies, vdw-
Prüfungsdirektor Gerhard Viemann und der Bremer Staatsrat Jens Deutschendorf (v. l.)
6
21/2018
1,2,3,4,5 7,8
Powered by FlippingBook