Wohnungspolitische Informationen 27/2018 - page 4

JAHRESSTATISTIK
Bautätigkeit in den großen Städten reicht bei weitem nicht aus –
zu wenig bezahlbarer Neubau für die Mitte der Gesellschaft
Berlin – In den 14 größten Städten in Deutschland entstehen nur zwei Drittel des notwendigen Wohnungsbaus. Von
rund 84.000 eigentlich benötigten Wohnungen in den Hotspots wurden im Jahr 2017 bundesweit nur rund 56.000 ge­
baut. Unter den TOP 6 erreicht lediglich Frankfurt am Main eine Neubautätigkeit, die den Bedarf trifft. Das ist eines der
Hauptergebnisse der Jahresbilanz des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft, die GdW-Präsident Axel Gedaschko
am Ende Juni 2018 in Berlin präsentierte.
„Die Baubremsen müssen gelöst werden,
damit endlich der notwendige und lang
erwartete Schwung in den Wohnungsbau
kommt“, so Gedaschko. Grundstücke,
Nachverdichtung, Aufstockung – die Lösun-
gen liegen auf dem Tisch. „Die serielle und
standardisierte Bauweise muss gefördert
und dazu eine bundesweit gültige bauliche
Zulassung für diese Gebäude geschaffen
werden“, so der GdW-Chef. So kann man
Kapazitätsengpässen entgegenwirken.
Aber es muss an weiteren Stellschrauben
gedreht werden, um den Wohnungsbau
anzukurbeln. Das im Koalitionsvertrag
verankerte Planungs- und Baubeschleu-
nigungsgesetz
muss zügig kom-
men. Darüber
hinaus müssen
die Ergebnisse
der Baukosten-
senkungskom-
mission aus der
letzten Legisla-
turperiode drin-
gend umgesetzt
und die mehr
als 20.000 Bau-
vorschriften und
Anforderungen
auf den Prüf-
stand
gestellt
werden.
„ D r i n g e n d e r
denn je braucht
der Wohnungs-
bau jetzt wirk-
same Anreize“, forderte der GdW-Prä-
sident. Es müssen mehr Bauflächen zur
Verfügung gestellt und durch die Kom-
munen verstärkt nach Konzeptqualität
vergeben werden. Außer einem Stopp der
Preisspirale insbesondere bei der Grund-
erwerbsteuer sei zudem eine Erhöhung
der linearen Abschreibung für Abnutzung
(AfA) von 2 auf mindestens 3 Prozent not-
wendig. Die angekündigten steuerlichen
Verbesserungen müssen schnell in die
Praxis umgesetzt und durch ein Zuschuss-
modell ergänzt werden. Grund für die
mangelnden Fertigstellungen seien aber
auch zunehmende Streitigkeiten im Pla-
nungsprozess, die den Neubau verzögern,
so der GdW-Chef. „Bauherren haben es
hier immer häufiger mit dem sogenann-
ten ‚Nimby‘-Trend zu tun. Nach dem Motto
‚not in my backyard‘ wollen Anrainer
immer öfter Bauprojekte in der eigenen
Nachbarschaft verhindern“, so Gedaschko.
Für ein besseres Neubauklima sind zualler-
erst Bürgermeister und Stadträte massiv
gefordert.
Letztlich wäre eine Folgenabschätzung für
die Kosten des Bauens und Wohnens bei
allen geplanten Gesetzen ein ebenso not-
wendiges Mittel, das der Koalitionsvertrag
erfreulicherweise vorsieht. Nur wenn alle
Maßnahmen zusammenwirken, lässt sich
das notwendige Tempo beim Wohnungs-
bau erreichen.
Bestand an Sozialwohnungen
schrumpft weiter
Bundesweit gibt es immer weniger Sozi-
alwohnungen. Waren es im Jahr 2002
noch rund 2,6 Millionen Wohnungen mit
Preisbindung, verringerte sich die Zahl bis
zum Jahr 2017 schätzungsweise auf nur
noch rund 1,24 Millionen Wohnungen.
Insgesamt würden in den Jahren 2016 bis
2020 jährlich rund 80.000 Sozialwohnun-
gen benötigt. Bundesweit wurden in 2017
jedoch nur 25.000 Sozialwohnungen fer-
tig gestellt.
Aktuelle Zahlen des GdW unterstreichen
diesen Trend. Die Unternehmen im GdW
bewirtschaften knapp 61 Prozent der Sozi-
alwohnungen in Deutschland. Im Jahr
2017 gab es bei den GdW-Unternehmen
insgesamt nur noch 758.270 Wohnungen
mit Mietpreis- oder Belegungsbindung. Das
sind fast 54.000 Wohnungen weniger als
noch in 2016. „Diesem Minus stehen nur
etwa 6.200 Wohnungen gegenüber, die
im Jahr 2017 von GdW-Unternehmen mit
Mietpreis- oder Belegungsbindung, also
als ‚Sozialwohnungen‘ neu errichtet wur-
den. Insgesamt wurden nach Schätzungen
des GdW 2017 rund 25.000 neue Sozial-
wohnungen gebaut“, kommentierte Axel
Gedaschko die Entwicklung. „Die Zahl der
neu gebauten Sozialwohnungen hat sich
zwar im Vergleich zum Jahr 2015 fast ver-
doppelt, dennoch ist diese Menge ange-
sichts des großen
Wohnungsbedar-
fes als Tropfen
auf den heißen
Stein zu sehen. Es
gibt dringenden
Handlungsbedarf.
Wir brauchen am
Wohnungsmarkt
einen Mix aus
Sozialwohnungen
und bezahlba-
ren Wohnungen
für die Mittel-
schicht.“ Beson-
ders in den Bal-
lungsregionen ist
es derzeit häufig
nicht mehr mög-
lich, den Bedarf
an bezahlbaren
Wohnungen für
die Mittelschicht
durch Neubau zu decken. GdW-Präsident
Gedaschko begrüßte in diesem Zusammen-
hang die Absicht der Bundesregierung, es
über eine Änderung des Grundgesetzes
zu ermöglichen, dass der Bund auch nach
2019 weiterhin die Länder bei der Förde-
rung des sozialen Wohnungsbaus unter-
stützen kann. Die Voraussetzung dafür,
dass wieder die jährlich notwendigen
80.000 Sozialwohnungen geschaffen wer-
den könnten, ist allerdings, dass die Län-
der ihrerseits die Wohnraumförderung mit
eigenen Mitteln in gleicher Höhe zweckge-
bunden ergänzen.
(burk/schi)
Die ausführliche Jahresbilanz der Wohnungs­
wirtschaft sowie einen Video-Mitschnitt der
Pressekonferenz finden Sie hier:
gdw.de/pressecenter/pressekonferenzen
Die Bautätigkeit in den großen Städten reicht aktuell immer noch nicht aus. In den 14 größten Städten
entstehen nur zwei Drittel des notwendigen Wohnungsneubaus.
Quelle: GdW-Jahresstatistik
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