WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 40/2017 - page 5

EXPO REAL 2017 – SONDERAUSGABE
Klimaschutzpolitik erfordert Augenmaß
Berlin – Die Immobilienwirtschaft spielt eine tragende Rolle beim Klimaschutz und bei der Energiewende. Sie ist ein
starker und verlässlicher Partner der Bundesregierung, wenn es darum geht, die klimaschutzpolitischen Ziele zu erreichen.
Zwischen 1990 und 2014 etwa wurde der CO
2
-Ausstoß im Gebäudesektor von 209 auf 119 Millionen Tonnen pro Jahr redu-
ziert. Kein anderer Wirtschaftszweig kann derart hohe Einsparungen in diesem Zeitraum aufweisen. Allerdings bedarf es
im Gebäudesektor auch einer spezifischen Herangehensweise. Mit einer reinen Verschärfung des Ordnungsrechts ist kaum
mehr etwas zu erreichen. Die „Rolle der Immobilienwirtschaft in der Klimaschutzpolitik“ stand daher am 5. Oktober 2017
im Mittelpunkt der Expertendiskussion auf dem Gemeinschaftsstand der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirt-
schaft Deutschland (BID) auf der Expo Real in München.
Für
Maria Hill
, Vorsitzende des Ausschus-
ses Energie und Gebäudetechnik des Zen-
tralen Immobilien Ausschusses (ZIA), muss
insbesondere der Quartiersgedanke weiter
gestärkt werden: „Wir brauchen ein tech-
nologieoffenes, wirtschaftsverträgliches
und flexibles Umfeld, damit die Branche
ihren Teil zu den ambitionierten Klimazie-
len beitragen kann. Die Klimaschutzpolitik
der Bundesregierung
darf keinesfalls zu
einer Überforderung
des Gebäudesektors
und unnötig steigen-
den Kauf- oder Miet-
preisen in Deutschland
führen. Zudem muss
viel stärker als bisher
die Optimierung des
Energieverbrauchs
vom Gebäude auf die
Quartiersebene erwei-
tert werden, um auch
das einzelne Gebäude
von dem gnadenlo-
sen Effizienzdruck zu
befreien. Der Anwen-
dungsbereich ist so
deutlich breiter und
bietet die Chance,
Technologieoffenheit
wirklich zur Geltung
kommen zu lassen. Durch die Quartiers-
perspektive kann bei der Bilanzierung ein
energetischer Ausgleich zu jenen Gebäu-
den stattfinden, die die Voraussetzungen
für weitere Energieeinsparpotenziale nicht
besitzen.“
Wirtschaftliche Zerreißprobe
Auch
Christian Bruch
, Bundesgeschäfts-
führer des Bundesverbandes Freier Immo-
bilien- und Wohnungsunternehmen (BFW),
warnte im Bereich der Klimaschutzpolitik
vor einer Überforderung: „Die Immobili-
enunternehmen stehen bei den energeti-
schen Anforderungen kurz vor einer wirt-
schaftlichen Zerreißprobe. Seit 2002 sind
die Baukosten bei jeder Novelle der Ener-
gieeinsparverordnung überproportional
angestiegen, während die Energieeinspa-
rung in den Promillebereich gesunken ist.
Hier kann es kein ‚Weiter so‘ geben – weder
für die Immobilienwirtschaft, noch für Mie-
ter und Eigentümer. Deshalb muss künftig
vor der Verabschiedung von jedem Gesetz
die Frage stehen, wo der eingesetzte Euro
die besten Klimaschutzwirkungen entfal-
tet. Das Ergebnis muss ein auf die Immobi-
lie abgestimmter Maßnahmenmix sein, der
die Besonderheit des Gebäudes und der
Eigentümer berücksichtigt. Jeder andere
Weg gefährdet letztendlich den sozialen
Frieden – und somit auch die Akzeptanz
der vereinbarten Klimaschutzziele.“
Stärkere Anreizsysteme
„Der Erfolg der Energiewende wird nicht
durch Anforderungsniveaus und Ord-
nungsrecht bestimmt, sondern durch
ihre Akteure“, meinte
Ingeborg Esser
,
Hauptgeschäftsführerin des GdW. „Bei
Maßnahmen im Gebäudebereich können
wir deshalb nur vorankommen, wenn die
Unternehmen unter der Maßgabe ihrer
Wirtschaftlichkeit und der Leistungsfä-
higkeit der Mieter handeln können. Die
Umsetzung von Energiesparmaßnahmen
muss sich für Eigentümer und Mieter loh-
nen. Freiwilligkeit und Flexibilität haben
sich bei hier Wohngebäuden bisher bestens
bewährt. Das Energieeinsparrecht muss
dabei konsequent auf das CO
2
-Senkungs-
ziel ausgerichtet werden. Es dürfen auch
zukünftig keine Zwangsmaßnahmen ver-
ordnet werden, sondern wir brauchen noch
stärkere Anreizsysteme. Zusätzliche, über-
höhte energetische Mindestanforderungen
würden dagegen jegliches wirtschaftliches
Handeln untergraben.“
Weitere Verschärfungen nicht umzu-
setzen
Dass auch weitere Verschärfungen technisch
nicht mehr machbar sind, betonte
Thomas
Zinnöcker
, CEO von ista und Vorsitzen-
der der Task Force Energie des ZIA: „Wir
haben bereits während der vergangenen
Legislaturperiode die Auswirkungen einer
weiteren Verschärfung der energetischen
Vorgaben durch die
ZIA-Task Force Ener-
gie untersuchen las-
sen. Dabei wurde fest-
gestellt, dass weitere
Verschärfungen im
Gebäudesektor in der
Praxis nicht mehr zu
realisieren sind. Dage-
gen ist die vermehrte
und verbindliche Nut-
zung von zertifiziertem
regenerativ erzeugtem
Strom und Gas mit
niedrigeren CO
2
-Emis-
sionen sinnvoll und
kann dabei helfen, die
Klimaschutzziele der
Bundesregierung zu
erreichen. Auch durch
den Einsatz von Photo-
voltaikanlagen und die
Verbesserung der Rah-
menbedingungen für energetische Quar-
tierslösungen könnten bei allen Gebäude-
typen kostenintensive Maßnahmen an der
Gebäudehülle reduziert werden.“
Jan-Christoph Maiwaldt
, CEO/Vor-
sitzender der Geschäftsführung der
Noventic Group, stellte insbesondere
die Bedeutung der Digitalisierung in den
Vordergrund: „Als Noventic Group sind
wir durch unsere Unternehmen QUNDIS,
PPC, KeepFocus, KALO, IKW und SMAR-
VIS Wegbereiter für die klimaintelligente
Steuerung von Immobilien. Darunter ver-
stehen wir alle Lösungen, die durch den
Einsatz intelligenter Technologien – also
digitaler Infrastrukturen und Datenaus-
wertung – einen Beitrag zur Energie-
einsparung in Immobilien und somit zur
Energiewende durch CO
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-Einsparung leis-
ten. Die für unsere Kunden hierfür not-
wendigen Ausstattungen und Dienstleis-
tungen bringen wir in der Noventic Group
zusammen.“
(hen/schi)
Moderator Jörg Seifert (IW), Peter Rathert (BMUB), Ingeborg Esser (GdW) und Christian Bruch
(BFW) (v. l.)
Foto: Büro Roman Lorenz
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