WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 40/2017 - page 3

Prozent und hänge insbesondere vom Aus-
gang der Landtagswahlen in Niedersachsen
ab. Die Erwartungen der Immobilienbranche
dämpfte er mit der Einschätzung, dass Woh-
nen und Bauen auch weiterhin „unter dem
Radar“ behandelt würden – und damit nicht
entsprechend ihrer hohen Bedeutung. Einen
weiteren Dämpfer erteilte
Christof Harde-
busch
vom Fachmagazin Immobilienma-
nager: Ein eigenständiges Bauministerium
sei aus seiner Sicht unwahrscheinlich, denn
die Wahlprogramme hätten außer Placebo-
Politik wenig Konkretes dazu hergegeben.
Der freie Journalist
Christian Hunziker
hält
ein Bauministerium an sich für nicht sinn-
voll. Vielmehr sei ein Infrastrukturminis-
terium notwendig, das neben Bauen und
Wohnen auch die Bereiche Verkehr, Umwelt
und Energie umfasst. Ein solches Supermi-
nisterium sei angesichts der aktuellen Ent-
wicklungen im Bereich Wohnen angemes-
sen – und insbesondere dürften bei allen
Diskussionen die ländlichen Räume nicht
leichtfertig aus den Augen verloren wer-
den. Zu vergessen sei aber auch nicht, dass
der Bund beim Bauen wenige Regulierungs-
kompetenzen habe. Gerade beim Thema
Baulandmangel seien die Kommunen am
Ruder, merkte Michael Fabricius an. Und:
Die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft
müsse sich wohl oder übel auf das Thema
neue Wohnungsgemeinnützigkeit einstel-
len, wenn es denn zu einer Regierungsbe-
teiligung der Grünen komme. Bei der Perso-
nenfrage eines möglichen Bauministers wies
Andreas Remien – mit nicht ganz ernstem
Unterton – darauf hin, dass es bei Ministern,
wie bei Journalisten, ja nicht in erster Linie
auf Kompetenzen ankomme. Bei beiden
gebe es eine Einarbeitungsphase, so dass
er sich auch die Grünen-Parteivorsitzenden
Cem Özdemir oder Kathrin Göring-Eckardt
als Bauminister vorstellen könne. Inhaltlich
viel zu tun bleibe vor allem beim Thema
Stadt-Umland-Beziehungen, waren sich die
Immobilien-Journalisten einig. Um den Flä-
chenmangel in Innenstädten auszugleichen,
müssten insbesondere die Verkehrsanbin-
dungen mit den Umlandregionen verbes-
sert werden, betonte Christian Hunziker. In
Wien habe man beispielsweise kürzlich eine
U-Bahn-Linie mit Haltestelle auf der grünen
Wiese fertig gestellt, bevor dort überhaupt
mit dem Bau eines neuen Wohnviertels
begonnen wurde, so Michael Fabricius. Ber-
lin fehle dagegen der „Wille zumWachsen“,
die S-Bahn-Anbindungen seien dort alles
andere als auf dem neuesten Stand. Beim
Thema innerstädtisches Bauland brachte
Christof Hardebusch eine Besteuerung von
Flächenspekulationen ins Spiel. Sehr konkret
wurde hier auch Michael Psotta: Wenn er in
seiner Heimatstadt Frankfurt am Main vom
obersten Stockwerk eines Hochhauses in die
Umgebung blicke, sehe er eine Fülle freier
Flächen, beispielsweise Schrebergärten und
Äcker. Paris sei beispielsweise 10 mal mehr
verdichtet als die Mainmetropole.
(schi)
EXPO REAL 2017 – SONDERAUSGABE
wi: Vier Jahre als Umwelt- und Bau-
ministerin liegen hinter Ihnen. Was
würden Sie als den größten Erfolg
Ihrer Amtsperiode bezeichnen?
Hendricks:
Der Abschluss des Pari-
ser Klimaabkommens ist für mich als
Umweltministerin der wichtigste Erfolg.
Das Zusammenrücken der Staatenge-
meinschaft war einzigartig. Auch natio-
nal haben wir viel erreicht und mit dem
Klimaschutzplan 2050 eine Vorreiterrolle
eingenommen. Bei der Erreichung unse-
rer nationalen Klimaschutzziele sind wir
aber noch nicht am Ziel. Daher wird es
darauf ankommen, bei den nächsten
Koalitionsverhandlungen nachzusteuern.
Als Bauministerin stand und steht für
mich natürlich der Wohnungsbau im
Mittelpunkt. Hier haben wir eine Trend-
wende eingeleitet. Das von mir ins Leben
gerufene Bündnis für bezahlbares Woh-
nen und Bauen hat daran einen gro-
ßen Anteil. Vor wenigen Jahren glaub-
ten noch viele, Deutschland sei zu Ende
gebaut. Das war ein Irrtum. Inzwischen
brummt es auf Deutschlands Baustellen.
In diesem Jahr werden nach aktuellen
Prognosen 320.000 Wohnungen fer-
tiggestellt. Das wäre im Vergleich zum
Jahr 2009 schon eine Verdopplung. Wir
brauchen allerdings in den nächsten Jah-
ren mindestens 350.000 neue Wohnun-
gen pro Jahr. Der Bedarf an bezahlbaren
Wohnungen ist vor allem in den Städten
riesig. Die Verdreifachung der Bundes-
mittel für den sozialen Wohnungsbau
auf 1,5 Milliarden Euro war dafür ein ers-
ter wichtiger Schritt. Ich werbe für eine
Grundgesetzänderung, damit ab 2020
Bund und Länder in gemeinsamer Ver-
antwortung den sozialen Wohnungsbau
weiter vorantreiben können.
In welchem Bereich konnten Sie
aus Ihrer Sicht mehr erreichen – im
Umweltbereich oder im Bereich
Bauen und Wohnen?
Hendricks:
Wir konnten in beiden Berei-
chen sehr viel anstoßen. Das Besondere
war, dass wir erstmals unter einem Dach
Lösungen bei Umwelt- und Bauthemen
finden konnten. Die Überschneidungen
bei den Themenbereichen sind riesig und
werden weiter zunehmen. Ich denke hier
z.B. an die energetische Sanierung von
Häusern und ganzen Quartieren. For-
derungen nach der Wiedereinführung
eines isolierten Bauministeriums stehe
ich daher sehr kritisch gegenüber.
Die Herausforderungen von Woh-
nungsmangel in den Großstädten,
strukturschwachen ländlichen Räu-
men, anspruchsvollen Klimaschutz-
zielen und der Bezahlbarkeit des
Wohnens bleiben groß. Wie sieht
Ihr Erfolgsrezept für die Umsetzung
der zahlreichen im Bündnis gefun-
denen Lösungswege aus?
Hendricks:
Seit 2014 sind im Bündnis
alle relevanten Akteure aus Politik, Ver-
waltung, Wirtschaft und Gesellschaft an
einem Tisch vereint. Gemeinsam ist es
gelungen, mit den 10 Punkten der Woh-
nungsbauoffensive die Schaffung von
mehr bezahlbarem Wohnraum anzusto-
ßen. So haben wir zum Beispiel mit dem
Urbanen Gebiet eine neue Baugebiets-
kategorie durchgesetzt, die eine Nach-
verdichtung in den Städten erleichtert.
Über die Vereinfachung von Standards
und Normen im Bauwesen haben wir
endlich den notwendigen Dialog ange-
stoßen. Im Rahmen der Innovationspart-
nerschaft unseres Bündnisses entwickeln
wir gemeinsam Maßnahmen, um Klima-
schutz und bezahlbares Wohnen in Ein-
klang zu bringen.
Foto: BMUB / Harald Franzen
Dr. Barbara Hendricks
Bundesministerin für
Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit
DREI FRAGEN AN …
Fortsetzung von Seite 2
Foto: Büro Roman Lorenz
Moderator Dr. Hans-Michael Brey (BBA) mit
Christof Hardebusch (IM), Michael Psotta (FAZ),
Michael Fabricius (Welt/N24), Christian Hunziker
(Freier Journalist) und Andreas Remien (SZ) (v. l.)
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