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JAHRESSTATISTIK
dass der Wohnungsbau nicht ausreichend
an Fahrt aufnimmt“, so der GdW-Chef.
Hinzu kommt, dass Unternehmer heute
viel mehr Geld in die Hand nehmen müs-
sen, um auf die gleiche Anzahl von neuen
Wohnungen zu kommen, als noch vor 15
Jahren. Das bedeutet: Mehr Investitionen
allein führen noch nicht zu ausreichend
bezahlbarem Wohnraum.
Baugenehmigungen gestiegen – Bau-
fertigstellungen deutlich dahinter
Im Jahr 2015 wurde in Deutschland der
Bau von 309.000 Wohnungen geneh-
migt. Die Baugenehmigungen sind damit
um 8,4 Prozent gestiegen. Damit hat sich
der positive Trend des Jahres 2014 erfreu-
licherweise gefestigt. Das Plus gegenüber
2013 betrug damals 5,4 Prozent. Seit Jah-
resanfang 2016 ist die Zahl der Baugeneh-
migungen sehr viel deutlicher angestiegen.
Von Januar bis April wurden gegenüber
dem Vergleichszeitraum vor einem Jahr
31,2 Prozent mehr Wohnungen auf den
Weg gebracht als im Vorjahr. Ein Teil dieses
Anstiegs in diesem und am Ende des ver-
gangenen Jahres ist allerdings durch Vor-
zieheffekte zu erklären. Die betroffenen
Bauherren wollten sich durch eine schnelle
Genehmigung der Vorhaben eine Durch-
führung nach dem alten Standard der
Energieeinsparverordnung (EnEV) sichern.
Seit Anfang 2016 gilt die verschärfte EnEV,
die ein deutliches Plus an Bauwerkskosten
von sieben Prozent verursacht. Die vorge-
zogenen Baugenehmigungen dürften im
weiteren Jahresverlauf zu einem vorüber-
gehenden Absinken der Baugenehmigun-
gen führen. Besonders auffällig: Gerade in
wichtigen Ballungsregionen gehen die Bau-
genehmigungszahlen derzeit schon wieder
massiv zurück. So hat sich beispielsweise in
Frankfurt und München die Zahl der Bau-
genehmigungen im ersten Quartal 2016
im Vergleich zum vierten Quartal 2015 fast
halbiert. Abgeschwächt ist die gleiche Ten-
denz auch in Berlin, Hamburg und Köln zu
beobachten.
Ein Blick auf die tatsächlich fertig gestellten
Wohnungen zeigt: Mit rund 247.700 Woh-
nungen blieb die Zahl der Fertigstellungen
deutlich hinter den Erwartungen zurück.
Schätzungen aus dem letzten Jahr hatten
auf mindestens 260.000 neue Wohnungen
gehofft. Die Fertigstellungen im Mehrfami-
lienhausbau sind dabei zwar um vier Pro-
zent angestiegen. Allerdings nahm hier das
Segment der Eigentumswohnungen mit
einem Plus von 5,4 Prozent stärker zu als
der reine Mietwohnungsbau, wo das Plus
bei 2,4 Prozent lag. Der magere Anstieg
von insgesamt nur 2.400 Wohnungen
mehr als im Vorjahr zeigt, dass der Woh-
nungsbau weiterhin nicht ausreichend in
Schwung kommt.
Deutschland
Alte Länder
Neue Länder
2012
12.110
10.471
1.639
2013
13.036
11.231
1.805
2014
14.729
12.025
2.704
2015
17.382
13.386
3.996
2016
23.341
17.837
5.504
Baufertigstellungen bei den GdW-Unternehmen (in Wohneinheiten)
Quelle: GdW-Jahresstatistik
Fortsetzung von Seite 1
„Die Bilanz beimWohnungsbau ist ernüch-
ternd“, erklärte Gedaschko. Das Ziel, den
Neubaubedarf von 400.000 Wohnungen
jährlich insbesondere in den Ballungsräu-
men zu decken, rückt so in immer wei-
tere Ferne. Statt den Neubaumotor end-
lich anzuwerfen, sorgt die Politik mit einer
immer weiter steigenden Auflagenflut und
fehlenden Anreizen für den Wohnungs-
bau dafür, dass die Dynamik bei den Woh-
nungsfertigstellungen schon wieder deut-
lich abebbt“, so Gedaschko. „So kann es
nicht weitergehen. Alle von der Baukosten-
senkungskommission bereits identifizierten
Maßnahmen müssen jetzt dringender denn
je umgesetzt werden, damit der Woh-
nungsbau wieder für alle bezahlbar wird“,
forderte Gedaschko. Seit dem Jahr 2000
ist der Neubau von Mehrfamilienhäusern
in Deutschland um rund 60 Prozent teurer
geworden, wie neue Analysen der Arbeits-
gemeinschaft für zeitgemäßes Bauen
(ARGE Kiel) zeigen. Zusätzlich bremst die
Politik den Neubau mit Eingriffen ins Miet-
recht und immer neuen Verschärfungen
der Energieeinsparvorgaben aus.
Zwar steigen die Baugenehmigungszah-
len seit einigen Jahren, aber gleichzeitig
wächst der Bauüberhang. Das heißt, immer
weniger Wohnungen werden zügig fertig
gestellt – die meisten davon auch noch
im hochpreisigen Segment. Grund für die
mangelnden Fertigstellungen seien auch
zunehmende Streitigkeiten im Planungs-
prozess, die den Neubau verzögern, so
der GdW-Chef. „Bauherren haben es hier
immer häufiger mit dem sogenannten
‚Nimby‘-Trend zu tun. Nach dem Motto
‚not in my backyard‘ wollen Anwohner
immer öfter Bauprojekte in der eigenen
Nachbarschaft verhindern“, so Gedaschko.
„Dringender denn je braucht der Woh-
nungsbau jetzt wirksame Anreize“, for-
derte der GdW-Präsident. Es müssen
mehr Bauflächen zur Verfügung gestellt
und durch die Kommunen verstärkt nach
Konzeptqualität vergeben werden. Neben
einem Stopp der Preisspirale insbesondere
bei der Grunderwerbsteuer sei zudem eine
Erhöhung der linearen Abschreibung für
Abnutzung (AfA) von zwei auf mindestens
drei Prozent notwendig. Um den Woh-
nungsbau wirklich anzukurbeln, die erst
kürzlich beerdigte Sonderabschreibung für
den Wohnungsbau – sowie zusätzlich eine
gleichwertige Investitionszulage dringend
notwendig gewesen. Die Tatsache, dass
sich die Koalitionspartner hier nicht eini-
gen konnten, stelle ein weiteres unnötiges
Hindernis für den Wohnungsneubau dar.
Konkret müssten in Deutschland bis zum
Jahr 2020 jährlich insgesamt rund 400.000
Wohnungen und damit rund 140.000
Mietwohnungen mehr als in diesem Jahr
gebaut werden. Davon 80.000 Sozialwoh-
nungen und 60.000 Einheiten im bezahl-
baren Wohnungssegment. Angesichts
der im Jahr 2015 fertiggestellten rund
250.000 Wohnungen gibt es also derzeit
jährlich immer noch 150.000 Wohnungen
zu wenig.
(burk/schi)
Lesen Sie in der kommenden Woche mehr zu
Sozialwohnungen und Zuwanderung. Die aus-
führliche Jahresbilanz:
ZITAT DER WOCHE
Foto: GdW
GdW-Präsident Axel Gedaschko
am 4. Juli 2016 für die ARD-Tagesschau
„Wir brauchen in den Großstädten
dringend mehr Wohnungen, aber
Bauherren haben es dort immer
häufiger mit dem sogenannten
‚Nimby‘-Trend zu tun. Nach dem
Motto ‚not in my backyard‘ wol-
len Anwohner immer öfter Bau-
projekte in der eigenen Nachbar-
schaft verhindern.“
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