Wohnungspolitische Informationen 42/2016 - page 4

Danach aber wurde der Austausch kont-
roverser: „Das Land hat mit einem vorbild-
lichen Förderprogramm die Weichen für
mehr Wohnungsbau auch in den Folgejah-
ren gestellt“, sagte
Andreas Becker
(SPD),
Mitglied des NRW-Landtages und des dorti-
gen Bauausschusses. „Die Förderkulisse für
den sozialen Wohnungsbau muss weiter
stimmen.“
Arndt Klocke
, ebenfalls Abge-
ordneter im NRW-Parlament und baupoli-
tischer Sprecher der Fraktion Bündnis90/
Die Grünen im Landtag identifizierte die
nächsten Felder, auf denen noch viel zu tun
ist: „Wir müssen mit den Baukosten run-
ter, und es braucht mehr Personal in den
Bauämtern.“
Dass die Bauämter beim Streben nach
mehr Wohnungsbau häufig zum Nadelöhr
werden – und dies meist aus Gründen des
Personalmangels – in dieser Einschätzung
stimmten die anwesenden Landtagspoliti-
ker nun wieder überein. Hier war es GdW-
Präsident Axel Gedaschko, der ergänzte:
„Ganz unabhängig von den Kommunal-
finanzen sind Fachleute für die Bauämter
nicht in unbegrenzter Menge zu haben. Sie
müssen erst aufgebaut werden. Da ist es
umso wichtiger, dass die Effizienz erhöht
wird.“ Das nötige Personal müsse besser
eingesetzt werden und der Gesetzgeber
habe die Hausaufgabe, die Grundlagen für
schlankere Prozesse zu schaffen.
Kommunalpolitik darf sich nicht
wegducken
VdW-Verbandsdirektor Alexander Rych-
ter nutzte die Runde, um sein Plädoyer für
ein gesellschaftliches Umdenken noch ein-
mal zu unterstreichen: Bürgerbeteiligung
sei gut, werde aber mehr und mehr zur
Bremse für jegliche Art von Bauvorhaben.
„Aufstockung, Nachverdichtung und ganz
allgemein Neubauprojekte rufen allerorts
Bürgerinitiativen und Protestbewegungen
AUS DEN VERBÄNDEN
Fortsetzung von Seite 3
Foto: vdw
„Eine Bleibe und dann vergessen!“ – Wohnungswirtschaft Sachsen fordert
mehr Unterstützung bei der Sozialarbeit
Dresden – Der Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Sachsen (vdw) appelliert an die Verantwortung
der Politik bei der Versorgung von Menschen, die unsere Hilfe brauchen. „Eine Unterkunft allein ist noch lange keine
wirkliche Lösung“, erklärte Rainer Seifert, Verbandsdirektor des vdw Sachsen, anlässlich einer Veranstaltung von
Unternehmern am 14. Oktober 2016.
Seifert bezog sich dabei auf die oft unzu-
reichende Betreuung von Menschen, die
auf Unterstützung angewiesen sind. „Egal
welcher Art“, erläuterte Rainer Seifert
weiter. Viel zu oft werde nach dem Motto
„Aus den Augen, aus dem Sinn“ verfah-
ren, kritisierte der Verbandsdirektor. „Die
Sozialarbeit im Rahmen der Fürsorge für
unsere Mütter und Väter, Bedürftige und
Zugewanderte muss entscheidend intensi-
viert und ausgebaut werden.“ Die vor allem
kommunalen und städtischen Wohnungs-
gesellschaften fühlen sich häufig mit diesen
Herausforderungen allein gelassen. „Dabei
tun wir schon viel mehr als von Vermietern
vdw-
Ver-
bands-
direktor
Rainer
Seifert
Prof. Dr. Dr. Michel Friedmann vertrat in seiner
Keynote leidenschaftlich den Standpunkt des
überzeugten Europäers.
auf den Plan.“ Gesellschaftliche Konflikte
würden auf die Wohnungsunternehmen
und -genossenschaften verlagert. „Kom-
munalpolitik darf sich in solchen Fällen
nicht wegducken, sondern sollte sich ehr-
lich machen: Es gilt, in einer transparen-
ten und öffentlichen Debatte zu klären,
was Wohnungsneubau im preisgünstigen
Segment unserer Gesellschaft wert ist.“
Dass es Zielkonflikte zwischen Energieeffi-
zienz, Rollstuhlgerechtigkeit und Neubau
gebe, sei an sich kein Problem. „Diese Ziel-
konflikte müsste die Politik den Bürgern
gegenüber jedoch noch viel klarer benen-
nen.“
„Was war früher alles besser?“
Auch Prof. Dr. Dr.
Michel Friedmann
bezweifelt, dass das Wegducken eine
Lösung ist: In seiner Keynote „Erfindung
Europa: am Anfang oder am Ende?“ for-
derte er die Zuhörer auf, in politischen Dis-
kussionen Farbe zu bekennen. Friedman
selbst vertrat dabei leidenschaftlich den
Standpunkt des überzeugten Europäers.
„Es wird jetzt oft gesagt, früher sei alles
besser gewesen“, so Friedman. „Dann gilt
es, eine solche Aussage zu durchleuchten
und die Gegenfrage zu stellen: Was war
eigentlich früher alles besser?“ Er zeigte
sich überzeugt, dass die Europäische Eini-
gung bei allen damit verbundenen Kosten
und Konflikten ihren Preis mehr als wert
sei: „Freizügigkeit, Minderheitenschutz,
Demokratie und die längste Friedensperi-
ode der europäischen Geschichte wären
ohne die Europäische Einigung nicht denk-
bar.“ Der Gedanke der Kooperation könne
aber offenbar ebenso schnell verschwin-
den, wie er auf der Bühne erschienen sei.
Ihn zu verteidigen, so Friedman, seien jetzt
die Demokraten gefragt. „Citoyen zu sein
bedeutet, sich zu engagieren. Wer mit sei-
nen Politikern nicht zufrieden ist, der muss
selbst tätig werden. Anderen das Feld zu
überlassen, ist keine Option.“
„Demokratisch legitimierte Entschei­
dungen müssen umsetzbar bleiben“
Zum Abschluss des Verbandstags 2016 fand
NRW-Bauminister
Michael Groschek
die
richtigen Worte: Er drückte Stolz auf die
Zusammenarbeit im Bündnis für Woh-
nen und die erreichten Verbesserungen
aus. „Das Wohnungsbauförderprogramm
wurde erst umsetzbar durch unsere Partner-
schaft.“ Nun gehe es darum, weitere Prob-
leme zu lösen, anstatt neue zu beschwören.
„Das Thema Wohnungsbau erhält wieder
mehr mediale und kommunale Aufmerk-
samkeit, und das ist gut so. Jetzt fehlt es
an Grundstücken und beschleunigten Bau-
genehmigungsverfahren“, so Groschek.
„In Hinsicht auf die von Alexander Rychter
geforderte ‚Willkommenskultur für Bau-
kräne‘ stimme ich zu: Demokratisch legiti-
mierte Entscheidungen müssen umsetzbar
bleiben. Bauvorhaben, die auf dem dafür
vorgesehenen Weg vorbereitet wurden,
müssen von der Politik auch gegenüber
Zweiflern und Bedenkenträgern selbst-
bewusst vertreten werden.“ Mit Blick auf
die Diskussion über eine neue Variante der
Energieeinsparverordnung kündigte der
Bauminister an: „Wir werden einen spür-
baren Erfolg erzielen.“
(wink/kön/schi)
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