WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 14/2015 - page 6

AUS DEN VERBÄNDEN
Bodenhaftung bei Diskussion um preisgünstiges Wohnen fehlt –
Expertenrunde in Frankfurt diskutiert Beschränkung der Baukostenexplosion
Frankfurt am Main – „Es gibt keinen Markt, dessen Kosten- und Preisentwicklungen von so vielen Faktoren gleichzeitig
getrieben wird, wie der Wohnungsbau. Wenn wir die vergangenen 10 Jahre betrachten, dann hatten und haben prak-
tisch alle Veränderungen der Rahmenbedingungen steigende Kosten zur Folge, einige davon haben sich sogar explosi-
onsartig entwickelt“, stellte Dr. Rudolf Ridinger, Sprecher der Aktion „Impulse für den Wohnungsbau – HESSEN“, nach
einem Expertensymposium in Frankfurt zur Entwicklung der Wohnkosten am 23. März 2015 fest.
Ridinger nannte auch konkrete Gründe:
„Wir haben kontinuierlich schlechtere steu-
erliche Rahmenbedingungen; die Baukos-
ten sind um rund 20 Prozent gestiegen, die
qualitativen Anforderungen an das Bauen
wurden zudem immer wieder nach oben
geschraubt. Gleichzeitig stieg der Flächen-
verbrauch pro Kopf. Außerdem konzent-
riert sich die Nachfrage nach Wohnraum
auf die Innenstädte der Verdichtungsregio-
nen, also auf Märkte, in denen Grund und
Boden für Neubau knapp ist. Deshalb ist
die Kostenexplosion beim Bauland beson-
ders ausgeprägt. Seit 2004 lag die Steige-
rung in Hessen bei rund 40 Prozent“, so
Dr.
Rudolf Ridinger
. Obwohl die Politik
auf allen Ebenen, ob Europäische Union,
Bund, Länder oder Kommunen, selbst an
der Preisschraube drehe, fordere sie gleich-
zeitig mehr preisgünstiges Wohnen. Das
habe nichts mehr mit Bodenhaftung zu
tun. Angesichts der Vielfalt der preistrei-
benden Effekte wäre schon viel erreicht,
wenn es gelänge, die anhaltenden Preis-
steigerungen wenigstens zu dämpfen.
Hierfür benannte die Expertengruppe meh-
rere Schlüsselfaktoren:
Engpass bei Bauland überwinden
Der Engpass Bauland müsse vor allem
durch bestehende Nachverdichtungspo-
tenziale verringert werden. Hier sei durch
Aufstockung, Anbauten bis hin zur Quar-
tiersgestaltung vieles möglich. „Während
wir in anderen Ländern häufig die urbane,
dichte Bebauung in den Städten mit sechs-
geschossigen Wohnhäusern bewundern,
stößt in Deutschland die Nachverdichtung
schon ab dem dritten Stockwerk immer
wieder auf grundsätzliche Vorbehalte“,
sagte
Stefan Bürger
, Geschäftsführer der
GWH Wohnungsgesellschaft mbH Hes-
sen. Nachverdichtung könne dabei auch
so gestaltet werden, dass dies zu einer
besseren Wohnqualität für alle Bewoh-
ner beiträgt, betonte Ridinger, etwa mit
Blick auf die Gestaltung von Wohnquar-
tieren aus den 1950er bis 70er Jahren
oder auch im Hinblick auf die Konversion
von Gewerbegebieten. Hier seien beson-
ders die Kommunen mit den Instrumenten
des Planungsrechts gefordert. Gleichzeitig
würden starre Stellplatzsatzungen Entwick-
lungsmöglichkeiten im Bestand hemmen,
nicht selten sogar verhindern. Auch Ände-
rungen im Landesbaurecht könnten den
Wohnungsmarkt entlasten; etwa, wenn
die Vorschriften bei der Aufstockung von
Gebäuden entschärft würden.
Einheitliche Regulierungen mit
Wirtschaftlichkeitsgebot
Neue qualitative Anforderungen an das
Bauen gebe es auf allen politischen Ebe-
nen. Diese lieferten sich gleichsam einen
Regulierungswettbewerb. Die Bundeslän-
der überböten sich gegenseitig dabei, neue
kostentreibende Regelungen im Baurecht
zu verankern. Diese reichten von Vorgaben
für Begrünungen, über neue Anforderun-
gen an zusätzliche Fahrradabstellplätze, bis
hin zum Bau von rollstuhlgerechten Woh-
nungen, die andere Grundrisse erforderten.
Das Land Hessen plane zudem eine neue
Abgabe zur Finanzierung des Personen-
nahverkehrs. „Wenn Vorschriften zu Bau-
standards, die in den vergangenen Jahren
deutlich zugelegt haben, zum großen Teil
wegfallen würden, könnte die Effizienz der
Grundstücke und damit der vermietbare
Wohnraum in Einzelfällen um bis zu 15
Prozent gesteigert werden“, sagte
Tobias
Rösinger
, Geschäftsführer WENTZ & CO.
GMBH.
Dies alles erhöhe unmittelbar die Kosten
für Investitionen in den jeweiligen Bundes-
ländern. Bei überregional tätigen Investo-
ren entstünden zudem Folgekosten durch
unterschiedliche Landesvorgaben. Die Län-
der sollten sich deshalb untereinander bes-
ser abstimmen und alle Vorgaben unter den
Vorbehalt der Wirtschaftlichkeit stellen.
Moratorium für Neuregulierungen
In der Wohnungsbaupraxis werde es auf-
grund einer zunehmenden Regulierungs-
geschwindigkeit immer schwieriger, den
Überblick über den Stand der jeweils neuen
Vorschriften zu behalten. Zudem müssten
Investitionsplanungen immer häufiger an
neue Vorgaben angepasst werden. Hinzu
komme, dass Neuregelungen häufig nicht
auf ihre Praxistauglichkeit geprüft seien
und somit unklar blieben. Deshalb sollten
neue Regulierungen im Baurecht in deut-
lich größeren Abständen erfolgen. Auch
sollten diese Änderungen in jedem Fall vor
Inkrafttreten auf ihre Auswirkungen hin
evaluiert werden, schlagen die Akteure des
Bündnisses vor.
Verfahren bei Baugenehmigungen
optimieren
Immer mehr Bauregulierungen führten
auch in der Baugenehmigungspraxis zu
Unsicherheiten und Verzögerungen. Hier
zeigten sich häufig Widersprüchlichkeiten,
zum Beispiel zwischen Anforderungen an
den Brandschutz und den Denkmalschutz.
Zudem seien unterschiedliche Zuständig-
keiten, zum Beispiel bei der Förderung
von Investitionen, ein Grund für erhebli-
che Verzögerungen. Deshalb müssten die
Verfahren optimiert werden. Hier könne
das Land über die Stärkung der Rolle des
Wohnungsbaukoordinators ein wichti-
ger Impulsgeber sein. Ähnliche Institutio-
nen sollten auch auf kommunaler Ebene
geschaffen werden, schlug Ridinger vor. Bei
ihrer Expertenrunde habe sich die Aktion
„Impulse für den Wohnungsbau – HES-
SEN“ auf Lösungsansätze konzentriert, die
mit einem geringen Aufwand verwirklicht
werden könnten. Das Bündnis halte aber
zahlreiche weitere Schritte für notwendig,
um das Angebot an preisgünstigemWohn-
raum zu steigern. Anreize durch Förderung
spielten dabei eine wichtige Rolle. Weitere
Schritte seien notwendig. Die beteiligten
Kammern und Verbände verabschiedeten
bei ihrer Sitzung auch ein Positionspapier,
das die Themenpalette für eine zukunfts-
orientierte Wohnungspolitik benennt. Die
Akteure des Bündnisses böten sich dabei
als Partner auf Länder- und kommunaler
Ebene an, um die notwendigen Schritte
gemeinsam zu konkretisieren. Sie unter-
stützten dabei auch die Vorschläge ihrer
Partner auf Bundesebene.
(fra/schi)
Weitere Infos finden Sie unter
Foto: Duesipics
Bessere Bedingungen für bezahlbaren Woh-
nungsbau - eine Forderung der Aktion Impulse
in Hessen.
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