WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 37/2015 - page 5

AUS DEN VERBÄNDEN
Flüchtlingsunterbringung in Thüringen:
Ministerpräsident Ramelow geht den richtigen Weg
Erfurt – „Wir begrüßen das Angebot von Ministerpräsident Bodo Ramelow aufgrund der Engpässe bei Unterbringungs-
möglichkeiten das Gespräch mit der Wohnungswirtschaft zu suchen. Die Thüringer Unternehmen der Branche stehen
bereit, gemeinsam Lösungen zu suchen, wie beispielsweise Genossenschaftsanteile finanziert werden könnten. Das ge-
meinsame Ziel ist, geeignete leer stehende Wohnungen von kommunalen oder genossenschaftlichen Unternehmen für
die Flüchtlingsunterbringung zu nutzen“, erklärte Constanze Victor, Direktorin des Verbandes der Thüringer Wohnungs-
und Immobilienwirtschaft (vtw.) am 2. September 2015. Viele Unternehmen im vtw. haben bereits Wohnungen zur Ver-
fügung gestellt. Eine Verteilung über das Gießkannenprinzip sei die falsche Alternative, warnte der Verband.
Die strategischen Überlegungen zur Unter-
bringung müssten einhergehen mit ent-
sprechender sozialer Betreuung. Unabding-
liche Voraussetzungen bei Unterbringung
in Gemeinschafts- und dezentralen Unter-
künften seien soziale Betreuungspakete.
Für Thüringen liegt der Betreuungsschlüs-
sel aktuell bei eins zu 150 Flüchtlingen. Das
sei für die Wohnungswirtschaft inakzepta-
bel, so der vtw. Notwendig sei eine soziale
Betreuung nach dem Faktor eins zu 80. Nur
so sei Integration möglich.
Angesichts des wachsenden Drucks unter-
stützt der vtw. auch den jüngsten Vorstoß
von Ministerpräsident Bodo Ramelow
(DIE LINKE), eine Gemeinschaftsunter-
bringung für Flüchtlinge in Regie des Lan-
des zu prüfen. Gemeinschaftsunterkünfte
dürfen nicht vorverurteilt werden, so der
vtw. Allerdings gehören sie nur in Orte,
die damit zahlenmäßig nicht überfordert
sind. Das Verhältnis Einwohner/Flüchtlinge
dürfe nicht aus dem Gleichgewicht gera-
ten. Generell gelte auch hier: Ohne sozi-
ale Betreuung kann es keine qualifizierte
Unterbringung geben. Flüchtlinge sind
meist Bürger ohne englische oder deut-
sche Sprachkenntnisse. Es müssen des-
halb genügend Dolmetscher und Sozial-
arbeiter für Verhandlungen zur Verfügung
stehen, damit Konflikte im Vorfeld ver-
mieden werden können und eine Integ-
ration angebahnt werden kann. Soziale
Betreuungspakete sollen auch Pflicht sein,
wenn es um eine Verteilung in dezentrale
Unterkünfte geht. Pauschale Vorschläge,
wie kürzlich von Baden-Württembergs
Ministerpräsident Winfried Kretschmann
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), die Flüchtlinge
nach Ostdeutschland zu senden, zeugen
für den vtw. von der Hilflosigkeit der Poli-
tik gegenüber den Ankommenden. Dieses
Gießkannenprinzip sei der falsche Ansatz.
Denn nicht jede leer stehende Wohnung
an jedem Ort Thüringens eignet sich auto-
matisch zur Unterbringung von Flüchtlin-
gen beziehungsweise ist den Menschen
zumutbar. Bevor pauschal die Menschen
verteilt werden, müssen Faktoren wie
der Zustand der Immobilie aber auch die
bestehenden Verpflichtungen in Hinsicht
auf Stadt- und Regionalentwicklung des
Gebietes geprüft werden. Der vtw. steht
jederzeit für Gespräche bereit, um mit
genügend zeitlichem Vorlauf die Unterbrin-
gung mit zu organisieren. Diese Unterbrin-
gung muss eingebettet sein in ein Konzept
für Infrastrukturbereitstellung, zum Bei-
spiel Schule, Einkaufsmöglichkeiten, ärzt-
liche Versorgung et cetera und eine auf-
suchende Sozialbetreuung. Für gängige
Mietvertragsinhalte und Erläuterungen
zur Wohnung soll es in mehreren Spra-
chen fertige „Sprachführer“ geben.Nicht
zuletzt sollte den Unternehmen, die sich
in der Flüchtlingsunterbringung engagie-
ren, eine zumindest kostendeckende Ver-
mietung ermöglicht werden. Dem Vermie-
ter müsse es überlassen werden, wie viele
und welche Personen in welchem Gebiet,
in welcher Wohnung untergebracht wer-
den. Denn er kenne Bestände und Mieter-
struktur am besten. Die Überbelegung von
Wohnungen werde abgelehnt.
„Thüringens Wohnungswirtschaft setzt
sich für die Unterbringung von Flüchtlin-
gen ein. Dafür aber müssen alle Förder-
mittel seitens des Bundes und des Landes
auch vollständig durchgereicht werden“,
appellierte Constanze Victor abschließend
an Politik und Verwaltung.
(tei/schi)
Bayerische Wohnungswirtschaft sieht dringenden Handlungsbedarf
für mehr bezahlbare Wohnungen
München – Bis Ende Juli 2015 sind 47.767 neue Asylbewerber nach Bayern gekommen. Die Wohnungswirtschaft enga-
giert sich auf Grundlage ihrer sozialen und gesellschaftlichen Verantwortung mit großem Nachdruck für eine menschen-
würdige und integrationsfördernde Unterbringung dieser Menschen.
„Die Mitgliedsunternehmen des VdW Bay-
ern stellen sich ihrer Verantwortung und
wollen den Betroffenen, aber auch den
Kommunen bei der Wohnraumversorgung
helfen“, sagte Verbandsdirektor Xaver Kro-
ner am 7. September 2015. Dafür brauchen
die Unternehmen politische Unterstützung
und eine Verbesserung der Rahmenbedin-
gungen.Der Verbandsdirektor nannte drei
zentrale Punkte: Ein befristetes Absenken
der Baustandards und die Beschleunigung
von Verfahren, die Sicherstellung von sozi-
aler Betreuung und deutlich kostengünsti-
geres Bauen. „Wir brauchen Konzepte zur
geordneten Aufnahme, schnellen Unter-
bringung und dauerhaften Betreuung der
zu uns kommenden Menschen“, forderte
Kroner. Die Maßnahmen müssten geeignet
sein, um schnell in die Breite des Marktes
zu wirken.
Die Wohnungswirtschaft hält es für erfor-
derlich, dass die Wohnversorgung von
den Bürgermeistern in den Städten und
Gemeinden zur Chefsache erklärt wird.
(stra/schi)
Constanze Victor,
Verbandsdirektorin
des vtw., begrüßte
die Gesprächs-
bereitschaft des
Thüringer Minis-
terpräsidenten.
Foto: vtw.
Xaver Kroner,
Verbandsdirektor
des VdW Bayern,
forderte Konzepte
zur geordneten
Aufnahme, schnel-
len Unterbringung
und dauerhaften
Betreuung.
Foto: VdW Bayern
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