personalmagazin 3/2019 - page 97

Ausnahme des § 22 MiloG möglich und im konkreten Fall auch
tatsächlich anzuwenden war. Die Folge: Die 646 Praktikums-
stunden waren unentgeltlich und gerade nicht in Höhe des
gesetzlichen Mindestlohns zu vergüten.
In der Begründung setzte sich die 7. Kammer des LAG zu-
nächst ausführlich damit auseinander, ob ein Praktikums- oder
ein (in jedem Fall mindestlohnpflichtiges) Arbeitsverhältnis
vorlag. Allgemein formulierten die Richter einen Grundsatz,
den Unternehmen beim Einsatz von (Orientierungs-)Prakti-
kanten beherzigen sollten: „Entscheidend dafür, ob ‚noch‘ ein
Orientierungspraktikum oder ‚schon‘ ein Arbeitsverhältnis vor-
liegt, dürfte die Beantwortung der Frage sein, ob der Praktikant
eingesetzt wird, damit er sich ein Bild von der angestrebten
beruflichen Tätigkeit machen kann oder um einen ansonsten
fehlenden Arbeitnehmer zu ersetzen.“
Entscheidend für die Ausnahme von der Mindestlohnpflicht
nach § 22 MiloG war sodann, dass das Praktikum rechtlich ge-
sehen nicht länger als drei Monate gedauert hatte. In diesem
Zusammenhang beschäftigte sich das LAG ausführlich damit,
inwieweit Unterbrechungen zu berücksichtigen sind. Letztlich
kamen die LAG-Richter zu dem Schluss: Die „Missbrauchsgren-
ze“ von drei Monaten „wird auch dann nicht überschritten, wenn
das Praktikum in Zeitabschnitten geleistet wird, die insgesamt
den Zeitraum von drei Monaten nicht überschreiten. Das muss
jedenfalls dann gelten, wenn die Aufteilung der Praktikumszeit
– wie vorliegend – im Interesse des Praktikanten liegt und die
Nachholung der ausgefallenen Praktikumszeit zwischen den
Parteien vereinbart wird“. Eine solche Vereinbarung zu den
einzelnen zeitlichen Abschnitten hält die Kammer jedoch für
notwendig, um Missbrauch und Rechtsunsicherheit zu vermei-
den. Zudem bleibe es dadurch gerichtlich konkret nachprüfbar,
ob der Dreimonatszeitraum überschritten wurde.
Diese Argumentation hat wohl auch das BAG überzeugt. De-
tails zur Auffassung des obersten deutschen Arbeitsgerichts er-
geben sich aus der Pressemitteilung nicht und die ausführlichen
WEITERE ENTSCHEIDUNGEN
Sachgrundlose Befristung: Acht Jahre sind zu kurz
Arbeitgeber müssen künftig stärker auf die Vorbeschäftigung von Mitarbeitern
achten. Das BAG hat aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
(besprochen in Ausgabe 8/2018, Seite 96) seine bisherige Rechtsprechung auf-
gegeben. Zu den vom Bundesverfassungsgericht zugelassenen Ausnahmen zum
Vorbeschäftigungsverbot hat das BAG nun festgestellt (Urteil vom 23.1.2019,
Az. 7 AZR 733/16): Die sachgrundlose Befristung eines Mitarbeiters, mit dem
bereits acht Jahre zuvor ein Arbeitsverhältnis bestand, war unzulässig.
Schriftform: Arbeitsvertrag durch tatsächliches Handeln
Nimmt ein Arbeitnehmer eine neue Tätigkeit auf und lässt der Arbeitgeber ihn
ohne Widerspruch arbeiten, kommt damit konkludent ein Arbeitsvertrag zustan-
de. Dieser ist auch dann wirksam, wenn die Parteien dabei ein tarifvertragliches
Schriftformgebot nicht eingehalten haben. Das hat nun das LAG Schleswig-Hol-
stein (Urteil vom 7.8.2018, Az. 1 Sa 23/18) entschieden.
Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor. Im Ergebnis hat
das BAG jedoch die Auffassung des LAG gestützt: Ein Praktikum
kann prinzipiell unterbrochen werden. Für die Dreimonatsgren-
ze kommt es dann nicht auf die formale Gesamtdauer des Prak-
tikums an, sondern auf die tatsächlich geleisteten Tage. Oder in
einem Satz der BAG-Richter: „Das Praktikum kann jedenfalls
aus Gründen in der Person des Praktikanten/der Praktikantin
rechtlich oder tatsächlich unterbrochen und um die Dauer der
Unterbrechungszeit verlängert werden, wenn zwischen den
einzelnen Abschnitten ein sachlicher und zeitlicher Zusammen-
hang besteht und die Höchstdauer von drei Monaten insgesamt
nicht überschritten wird.“
BAG: Unterbrechungen möglich, soweit
Zusammenhang besteht
Spannend dürften nun die Ausführungen in der Urteilsbegrün-
dung dazu sein, was das BAG konkret unter einem „sachlichen
und zeitlichen Zusammenhang“ versteht. Unter welchen Voraus-
setzungen wird es künftig also möglich sein, Kurzpraktika für
die Mindestlohnausnahme zusammenzufassen, soweit sie ins-
gesamt drei Monate nicht überschreiten? Und wann gilt ein
solches Vorgehen als missbräuchlich? Je klarer sich das BAG
hierzu äußert, desto besser. Damit sich Unternehmen darauf
einstellen können und damit sich auch künftig Erlebnisberich-
te zu schlechten Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit
Praktika in Grenzen halten.
MICHAEL MILLER ist Redakteur beim Personalmagazin und
behält die aktuellen Urteile der Arbeitsgerichte im Blick.
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Urteil des Monats
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