personalmagazin 5/2018 - page 61

05/18 personalmagazin
Sie natürlich zunächst die richtigen
Leute an einem Tisch versammeln und
jemanden bestimmen, dessen Rolle das
Herbeiführen oder Fällen von Entschei-
dungen ist. Dann geht es um die Klä-
rung der Ziele, die Sichtung der stan-
dardisierbaren Prozesse und wie diese
gestaltet werden sollen. Außerdem soll-
ten Unternehmen auf eine umfassen-
de Qualitätssicherung bei der Durch-
führung der Prozesse Wert legen. Ich
empfehle auch, die Prozesse im Sinne
einer einheitlichen Unternehmenskul-
tur standort- und fachbereichsübergrei-
fend zu betrachten und an den verfüg-
baren Ressourcen auszurichten, ob Sie
eher mit einer kleinen Pilotgruppe be-
ginnen und Erfahrungen sammeln oder
aber mit einer Größenordnung starten,
die – einmal umgesetzt – sofort einen
spürbaren Nutzen in der Fläche bringt.
personalmagazin:
Welche Prozesse eignen
sich besonders zur Automatisierung?
Montel:
Besonders eignen sich Prozesse
oder Prozessschritte, die sich häufig
wiederholen und viel manuellen Auf-
wand erzeugen. Durch die Einführung
automatisierter
Online-Assessments
zur Bewerbervorauswahl sparen Perso-
naler viel Zeit bei zugleich fairen und
validen Auswahlkriterien. Hier liegt
auch ein enormer Vorteil der Standar-
disierung, wenn wir von Themen wie
Gender Diversity und Gleichberechti-
gung reden. Das sind beispielsweise die
Trainee- und Azubiauswahl, die Fach-
kräfterekrutierung oder die risikofreie
Potenzialanalyse, bei der interessierte
interne Mitarbeiter im Vorfeld einer
Bewerbung anonym ein Online-Assess-
ment absolvieren, um ihre Chancen auf
Beförderung besser abwägen zu können.
personalmagazin:
Was bleibt dann noch an
Aufgaben für HR?
Montel:
Der Mensch wird – davon bin ich
überzeugt - bei aller Automatisierung
auch in Zukunft im Recruiting uner-
setzlich sein. Es gibt viele Prozesse in
der Personalabteilung, die sich eben
nicht sinnvoll standardisieren las-
sen. Computer sind in der systemati-
schen Aufbereitung der Daten, die ein
Mensch für das Fällen einer Entschei-
dung benötigt, kaum schlagbar, aber
das Abwägen der Daten und das Fällen
der Entscheidung ist und bleibt eine
Domäne, in der Menschen besser sind.
personalmagazin:
Trotzdem häufen sich
Vorwürfe, dass standardisierte Kommu-
nikation keinen angemessenen Umgang
mit Bewerbern darstelle.
Montel:
Solcher Kritik möchte ich ganz
entschieden widersprechen. Gerade
standardisierte Prozesse im Recru-
iting werden dazu beitragen, dass
Bewerbungsverfahren als fair und
respektvoll wahrgenommen werden.
Die Vorwürfe beinhalten das Szenario
einer Welt, in der Bewerber nur noch
mit Maschinen sprechen. Das persön-
liche Gespräch wird im Recruiting
aber zentral bleiben. Es ist eine Stra-
tegiefrage, ob Sie die Gesprächszeit
mit dem Hinterhertelefonieren hinter
unvollständigen Lebensläufen ver-
bringen möchten oder eher mit einem
telefonischen Interview, an dessen
Ende die Kandidaten eine fundierte
Potenzialrückmeldung erhalten, die
ihnen auch bei erfolgloser Bewerbung
etwas bringt. Ein sinnvoll umgesetz-
ter Prozess wird „Qualitätszeit“ als
Standard schaffen. Es gibt im Talent
Relationship Management eine Reihe
von sich wiederholenden Prozessen,
etwa die Vorauswahl von Bewerbern
für ein Traineeprogramm im Rahmen
eines Online-Assessments, die sich gut
automatisieren lassen. Hier lohnt sich
die Digitalisierung des Recruitings, da
psychologisch fundierte Testverfah-
ren eine hohe prognostische Validität
aufweisen und auch Bewerber iden-
tifizieren, die aufgrund von weniger
validen Kriterien wie Abiturnote oder
Auslandserfahrung fälschlicherweise
abgelehnt werden würden.
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Das Interview führte
Katharina Schmitt.
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