personalmagazin 5/2018 - page 22

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TITEL
_PERSONALSTRATEGIE IM MITTELSTAND
personalmagazin 05/18
Das Interview führte
Christoph Stehr.
würde ich einem kleinen Handwerks-
betrieb auch nicht unbedingt raten. Der
Mittelstand ist stark darin, die Proble-
me und Bedürfnisse seiner Mitarbei-
ter genau zu kennen und im Einzelfall
schnelle und flexible Lösungen zu fin-
den. Dazu braucht es jedoch eine Un-
ternehmensführung, die sich mit Perso-
nalthemen auseinandersetzt und nah an
den Bedürfnissen der Mitarbeiter dran
ist. Das ist in vielen mittelständischen
Unternehmen der Fall. Wenn dann auch
noch die Unternehmensführung mit
dem Inhaber identisch ist, sind die Vo­
raussetzungen für eine gute und wirk-
same Personalstrategie günstig.
personalmagazin:
Wie kann ein mittelstän-
discher Unternehmer vorgehen, der seine
Personalarbeit strategisch aufstellen will?
Block:
Im ersten Schritt gilt es, eine Un-
ternehmensstrategie zu entwickeln.
Das klingt trivial. Aber ich stelle in Ge-
sprächen mit Mittelständlern oft fest,
dass hier noch große Lücken bestehen
und man sich vor lauter Tagesgeschäft
die Frage oft gar nicht stellt, wie das
Unternehmen in 20 Jahren aufgestellt
sein soll. Das Entwickeln einer solchen
Unternehmensstrategie braucht meines
Erachtens nicht ein formalisierter kom-
plizierter Prozess zu sein. Es genügt sich
zu fragen, wie man das Unternehmen
weiterentwickeln möchte und welche
Mitarbeiterkompetenzen und -fähigkei-
ten dafür nötig sind. Im zweiten Schritt
sollte dann ermittelt werden, welche
Kompetenzen und Fähigkeiten aktuell
vorhanden sind und wo eventuell noch
Lücken bestehen. Diese gilt es dann auf-
zufüllen, sei es über Weiterbildung, Neu-
einstellungen oder andere Maßnahmen.
personalmagazin:
Seit einigen Jahren
entstehen im Mittelstand Netzwerke und
Kooperationen, von denen auch das HR-
Management profitiert – beispielsweise
wenn Industriebetriebe in einer Region
sich gegenseitig Fachkräfte ausleihen
oder gemeinsame Entwicklungsprojekte
starten. Ist das die Zukunft?
Block:
Das können im Einzelfall gute An-
sätze sein. Es darf jedoch nicht davon
ablenken, dass sich jedes Unternehmen
selbst Gedanken machen muss, wel-
ches Personal es heute und in Zukunft
benötigt. Die Zusammenarbeit in Netz-
werken und Kooperationen kann sicher
helfen, Kosten zu senken, die Mindest-
größe zu erreichen und für Fachkräf-
te als attraktiver wahrgenommen zu
werden. Es senkt auch das Risiko einer
Fehlplanung – für das Unternehmen
und für die Fachkraft. Man darf jedoch
auch nicht vergessen, dass solche Ko-
operationen und Netzwerke gepflegt
werden müssen und allen Partnern
Vorteile bringen müssen. Das kann im
Einzelfall bei divergierenden Interessen
auch mal schwierig sein und zu hohen
Transaktionskosten führen.
personalmagazin:
Es gibt viele Initiativen
von Ministerien, Kammern, Verbänden
und Kommunen, die den Mittelstand
durch Information, Beratung und Image-
bildung unterstützen sollen. Das Angebot
an Best-Practice-Wettbewerben ist kaum
noch zu überschauen. Kommen diese
Hilfen wirklich bei den Unternehmen an?
Anders gefragt: Was nützt mir eine schö-
ne Auszeichnung als Vorzeigemittelständ-
ler, wenn ich konkret einen Nachfolger
in der Geschäftsführung suche oder eine
Fachkraft, die meine Maschinen bedient?
Block:
Das stimmt zum Teil. Man sollte
sicher kritisch prüfen, an welchem Wett-
bewerb man teilnimmt und welche Aus-
zeichnung zu einem passt. Die Teilnahme
an solchen Wettbewerben und Auszeich-
nungen ist ja mit zeitlichem Aufwand
verbunden und führt damit auch zu
Kosten. Andererseits muss man sich als
Mittelständler mitunter schon etwas ein-
fallen lassen, um gute Mitarbeiter bezie-
hungsweise Nachfolger zu gewinnen, und
da kann eine wohlverdiente und authen-
tische Auszeichnung schon ein hilfrei-
ches Signal sein. Viele Untersuchungen
zeigen, dass Mitarbeiter, insbesondere
der Generation Y, ihren Arbeitgeber nicht
ausschließlich nach der Höhe des Gehalts
auswählen, sondern auch „weiche“ Kri-
terien wie Work-Life-Balance oder span-
nende Arbeitsinhalte eine wichtige Rolle
spielen. Gerade hier können Auszeich-
nungen durch Wettbewerbe et cetera ein
wichtiges Signal darstellen. Dieses sollte
aber authentisch sein und zum jeweiligen
Unternehmen passen. Alles andere ist
nicht glaubwürdig – das wird auch von
den Mitarbeitern erkannt.
personalmagazin:
Welche Erwartungen
haben Sie in puncto Mittelstandspolitik
an die neue Bundesregierung?
Block:
Die Politik muss verstehen, dass
der Mittelstand in puncto Größe und
Eigentümerstruktur sich von anderen
Bereichen der Wirtschaft unterscheidet
und deshalb mitunter auch andere Be-
dürfnisse hat. Daraus sollte sich eine
pragmatische und ideologiefreie Mittel-
standspolitik ableiten. Ziel sollte sein,
die Rahmenbedingungen für den Mit-
telstand attraktiv zu halten. Das betrifft
viele Politikfelder von Bürokratieabbau,
Fachkräfteausbildung, Arbeitsgesetze,
bis hin zu den steuerlichen Rahmenbe-
dingungen. Sich eine oder wenige ein-
zelne Maßnahmen rauszugreifen, halte
ich für wenig hilfreich – vor allem auch
deshalb, weil dann immer nur einzelne
Bereiche und Teilgruppen des Mittel-
stands profitieren.
„Die HR-Maßnahmen
der Großunternehmen
auf den Mittelstand zu
übertragen, wird nicht
funktionieren. Der
Mittelstand muss seine
eigenen Wege gehen.“
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