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Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
teren sind es mitunter die „Soft Skills“,
die den Ausschlag geben, zum Beispiel
die Souveränität im Umgang mit Kun-
den. Ein Beispiel: „Heute haben wir
ganz andere Alte, Best Ager und da ist
es von Vorteil auch Best Ager im Kun-
denkontakt zu haben.“
Die Schattenseite gibt es auch. Vor
allem dort, wo es handfest um System­
umstellung, Digitalisierung oder kom-
plett neue Technologie geht, sind Ältere
oft verängstigt und resigniert. Trotz
Hilfestellungen und großer Nachsicht:
Nicht alle können oder wollen die Verän-
derungen mitgehen. Das führt im Zwei-
felsfall dazu, dass man sich trennt oder
auf neue Einsatzbereiche verständigt.
Im digitalen Marktumfeld sind Ältere
(noch) kein Thema. Die Altersstruktur
der Unternehmen ist insgesamt deut-
lich jünger, Nachwuchssorgen gibt es
weniger – man schwimmt auf der Ju-
gendwelle. Die meisten Unternehmen
sehen jedoch im Ausscheiden älterer
Beschäftigter einen Verlust an Wissen
und Erfahrung, worauf allerdings nur
eine Minderheit tatsächlich schon mit
vorbereitenden Maßnahmen reagiert.
Wo Transformation stattfindet, ändert
sich dies gerade. Man darf davon ausge-
hen, dass neben Wissenstransfer auch
lebenslanges Lernen und lebenslange
Beschäftigung in diesen Unternehmen
verstärkt Thema werden.
Diversity – ein blinder Fleck?
Eine große Überraschung hat uns
der Umgang mit dem Thema Diversi-
ty beschert. Lediglich die von einem
kulturellen Marktzugang geprägten
Unternehmensführungen
erkannten
im Begriff Diversity Vorzüge, die sich
auch ökonomisch rechnen. Die große
Mehrheit der Gesprächspartner jedoch
kann mit dem Thema und oft auch
schon mit dem Begriff nichts anfangen.
Das Konzept wird als akademisch emp-
funden und lässt sich nicht in Deckung
mit der betrieblichen Realität bringen.
Man betrachtet es als Image-Thema von
Konzernen und sieht für sich selbst
keinen handfesten Nutzen. Zugespitzt
formuliert es ein/e Gesprächspartner/
in: „Wenn ich mich vor meine Mitar-
beiter stellen würde und würde sagen,
ab heute ist hier Diversity, die würden
mich mit großen Augen und ratlos an-
schauen!“ Man merkt: Diversity als Be-
griff steht sich in diesen Unternehmen
offensichtlich selbst im Weg.
Dabei ist die Praxis vielschichtiger
und tatsächlich auch vielfältig. Die Her-
kunft spielt oftmals keine Rolle und wird
nicht als Problem gesehen, weder in der
betrieblichen Praxis („Wir sind interna-
tional aufgestellt. 16 Nationen sind im
Team.“) noch in der Rekrutierung: „Wis-
sen Sie, wir sind doch schon froh, wenn
wir überhaupt genug fähige Mitarbeiter
kriegen.“ An zwei weiteren Zitaten wird
deutlich, wie sich die Unternehmen ori-
entieren:
•„Wir haben im operativen Bereich 50
Prozent Frauen. Die Altersgruppen
sind gemischt, passend zu unseren
Kunden.“
•„Ich muss sehen, dass die Chemie zwi-
schen Projektleiter und dem Kunden
stimmt. Darum geht es. Passt ein Mit-
arbeiter zum Kunden.“
Kritisch müssen wir die Frage stehen
lassen: Haben die mittelgroßen Unter-
nehmen hier einen blinden Fleck? Wis-
sen sie beispielsweise, woran es liegt,
wenn sie nicht genügend Frauen rekru-
tieren können? Umgekehrt wird aber
auch ein Schuh draus. Als Unternehmen
wie auch als Unternehmensnetzwerk,
die wir sehr viel Engagement in das The-
ma Diversity stecken, müssen wir uns an
dieser Stelle selbstkritisch fragen: Kön-
nen wir gut genug erklären, was wir da
machen und wozu es gut sein soll?
Doch auch wenn Diversity als Begriff
nicht überzeugt: Dem Zitat „Wir müssen
innovativ sein, und dazu brauchen wir in
Zukunft mehr unterschiedliche Mitarbei-
ter!“ konnten alle Befragten zustimmen.
Ausblick
In unserer Studie haben wir eine be-
stimmte Größenklasse an Unternehmen
zu Wort kommen lassen. Wir haben
nach Erfolgsfaktoren gefragt und insbe-
sondere die Themen Demografie, Diver-
sity und Digitalisierung näher beleuch-
tet. Vieles andere, was vielleicht auch
noch unter den Nägeln brennen könnte,
haben wir ausgeklammert. Wir haben
nicht über Internationalisierung gespro-
chen, obwohl wir viele international gut
aufgestellte Gesprächspartner gefunden
haben. Wir haben auch nicht über Fi-
nanzierung gesprochen oder über Nach-
folge. Unser Ziel war es zudem nicht,
bei unseren Gesprächspartnern für
bestimmte Konzepte zu werben, ihnen
vermeintlich kluge Ratschläge zu er-
teilen oder im Nachgang eine kritische
Analyse anzuhängen.
Diese Studie ist mit voller Absicht
voreingenommen in einer Hinsicht: Wir
haben nach Erfolgsfaktoren gefragt. 30
respektable Persönlichkeiten haben uns
dankenswerterweise Zeit eingeräumt
und ihre Erfahrungen und Einschät-
zungen mit uns geteilt. Wir nehmen
diese ernst. Wenn unsere Befragten re-
präsentativ für diese Größenklasse sind,
dann muss man sich keine Sorgen um
die Unternehmen machen. Sie kennen
die Herausforderungen, sie kennen ihre
Stärken und sie verfügen über ein ge-
sundes Selbstbewusstsein und viel Zu-
versicht.
Am Ende wirken diese Unternehmen
auf uns als die Prototypen jener Flexibi-
lität, von der derzeit so viel die Rede ist.
Und es stellt sich unmittelbar die Frage:
Müssten nicht große Unternehmen und
Konzerne mehr von ihnen lernen?
DR. EVA VOSS
ist als Mana-
gerin Diversity & Inclusive-
ness verantwortlich für die
Region Deutschland, Schweiz
und Österreich bei EY.
RUDOLF KAST
ist selbststän-
diger Berater und Vorstands-
vorsitzender des Demogra-
phie-Netzwerks ddn.
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