Personalmagazin 8/2017 - page 53

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08/17 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Das Interview führte
Katharina Schmitt.
personalmagazin:
Trump will die Kranken-
versicherungspflicht, die „Obamacare“,
abschaffen - wie wird sich das auf die
Entsendepolitik auswirken?
Dotou:
Das ist eine der am häufigsten
gestellten Fragen unserer USA-Kunden.
Die Folgen lassen sich jedoch noch nicht
mit Sicherheit ermessen. Wir rechnen
unter anderem damit, dass die Nach-
weispflicht für eine gültige Kranken-
versicherung für Expats entfällt und es
auch keine vorgeschriebene Mindest-
deckung mehr für Policen geben wird.
Unklar ist aber dennoch, ob ausländi-
sche Krankenversicherer in Zukunft
überhaupt akzeptiert werden. Dazu gibt
es unserer Kenntnis nach noch keine
Statements. Bemerkenswert ist zudem,
dass wir von vielen Langzeit-Expats in
den USA wissen, dass diese das Thema
Krankenversicherung zutiefst verun-
sichert. Allein die Vorstellung, dass es
möglicherweise keinen bezahlbaren
Krankenversicherungsschutz für Men-
schen mit Vorerkrankungen oder mit
chronischen Leiden mehr geben könnte,
führt selbst bei dieser Gruppe zu ernst-
haften Überlegungen, zurückzukehren.
personalmagazin:
Gibt es durch den Brexit
Änderungen für die Entsendungen?
Dotou:
Die aktuellsten Änderungen er-
geben sich derzeit im Bereich der Ver-
gütung. Aufgrund starker Wechselkurs-
schwankungen und weil das Britische
Pfund fällt, überdenken Unternehmen
ihre Wechselkurs-Policy, die immer
dann zum Tragen kommt, wenn eine
Teuerungszulage gezahlt wird. Das be-
deutet, dass die Lebenshaltungskosten
für Expats in UK mehrmals jährlich
überprüft werden müssen, während
dies vor dem Brexit-Referendum etwa
einmal im Jahr ausgereicht hat. Mo-
mentan beobachten wir einen verstärk-
ten Trend zu Nettolohnvereinbarungen
ohne Steuerausgleichsmodelle, um gar
nicht erst Kursschwankungen berück-
sichtigen zu müssen. Insgesamt stellen
wir beim Thema Entsendungen nach UK
aber fest, dass die Personaler sehr gut
vorbereitet sind und bereits verschiede-
ne Szenarien durchspielen. Der Brexit
scheint sich besser handhaben zu las-
sen, als etwa die schwer vorhersehba-
ren Entwicklungen in den USA, in der
Türkei oder in Russland.
personalmagazin:
Einige deutsche Unter-
nehmen überlegen dennoch, ihre Stand-
orte in England wieder zu schließen oder
entsandte Mitarbeiter zurückzuholen.
Was ist hier zu beachten?
Dotou:
In dieser Sache stellen sich viele
arbeitsrechtliche Fragen insbesondere
zu Rückkehrklauseln in Entsendever-
trägen. Personaler wollen sicherstellen,
dass sie Mitarbeiter problemlos zurück-
holen können. Wir empfehlen für Ent-
sendungen nach Großbritannien, aber
auch für alle anderen Länder mit geo-
politischen Unsicherheiten, einen Vor-
behaltshinweis zu integrieren bezüglich
genehmigungspflichtiger
Verfahren,
die insbesondere Arbeits- und Aufent-
haltsrecht betreffen. Somit besteht eine
Rechtsgrundlage, sollte aufgrund von
noch nicht klar definierten gesetzlichen
Änderungen ein Abbruch der Entsen-
dung notwendig sein.
personalmagazin:
Und wie steht es hier um
die Sozialversicherung?
Dotou:
Die Deutsche Rentenversiche-
rung stellt A-1-Bescheinigungen über
die anzuwendenden Rechtsvorschriften
für Großbritannien nur noch befristet
auf das Austrittsdatum aus. Bei der
Anerkennung von Sozialversicherungs-
beiträgen wird es kompliziert: Derzeit
zahlt ein Teil der entsandten Mitarbeiter
in Großbritannien die Beiträge vor Ort
ins System und muss nun dafür sorgen,
dass die Versicherungszeiten anerkannt
werden und nicht etwa verfallen. Der
andere Teil zahlt weiter Sozialversiche-
rungsbeiträge ins deutsche System ein,
was aber nur durch die entsprechende
EU-Verordnung funktioniert. Nach dem
EU-Austritt ist zu klären, ob das alte
deutsch-britische Sozialversicherungs-
abkommen wieder in Kraft tritt oder ob
es eine andere Lösung gibt. Immerhin
zeichnet sich nach Äußerungen von Pre-
mierministerin Theresa May gerade ab,
dass EU-Bürgern, die noch vor dem Be-
ginn des Austrittsverfahrens nach Groß-
britannien gegangen sind, das Recht auf
Freizügigkeit und alle damit verbunde-
nen Vorteile – wie eben auch Partizipati-
on am Sozialversicherungssystem – er-
halten bleiben sollen. Auch EU-Bürger,
die in nächster Zeit auf die Insel gehen,
könnten im Rahmen einer Frist noch bis
zum Vollzug des Brexits das Recht auf
Arbeit in Anspruch nehmen.
personalmagazin:
Wo sehen Sie insgesamt
die größten Herausforderungen für Aus-
landsentsendungen im Moment?
Dotou:
Grundsätzlich sollten sich Unter-
nehmen umfassend über die anstehen-
den geopolitischen Veränderungen in-
formieren und überlegen, wie sich diese
auf ihre Standort- und Entsendepraxis
auswirken können. Ein „Weiter so“ wird
nicht mehr funktionieren. Sie müssen
beobachten, wie sich einwanderungs-
rechtliche Vorschriften ändern und sie
sollten Währungseinflüsse regelmäßig
analysieren und dann die Expat-Gehäl-
ter entsprechend anpassen. Derzeit se-
hen wir viel Veränderungspotenzial in
den bereits genannten Ländern. Aber
auch die EU-Länder sind aufgrund vie-
ler Austrittsbestrebungen längst keine
sichere Bank mehr.
„Bei Entsendungen in
die USA bestehen der-
zeit die größten Her-
ausforderungen. Sorge
bereitet uns vor allem
die geplante Änderung
der Visakategorien.“
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