Personalmagazin 6/2017 - page 42

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MANAGEMENT
_FLÜCHTLINGE
personalmagazin 06/17
D
er syrische Praktikant kont­
rolliert unter Aufsicht die
Abfüllanlage für Lacke. Der
äthiopische Einsteiger arbei­
tet im Lager für Farbdosen. Alle zwei
Monate wechseln die Teilnehmer der Be­
rufsvorbereitung die Abteilung. So wie
ihre Kollegen mit deutscher Bildungsbio­
grafie. Zwölf Plätze für Geflüchtete hat
der Lackfarbenhersteller Axalta Coating
Systems in Wuppertal seit April 2016
geschaffen. Roland Somborn, Leiter der
Ausbildung und Qualifizierung, rech­
net damit, dass ein Drittel der jungen
Männer aus Eritrea, Guinea, Syrien und
Äthiopien den Schritt in die Ausbildung
schaffen. Einer, bei dem nach einem
Jahr die Sprachkenntnisse noch nicht
ausreichten, erhielt das Angebot auf
Verlängerung. Aber er lehnte ab. Som­
born entmutigt das nicht, er will weitere
Stellen für Geflüchtete frei halten: „Es
ist spannend, aber auch mühselig. Spaß
macht es, wenn wir Erfolge sehen.“ Dazu
tragen auf der professionellen Seite be­
triebliche Ausbilder, Berufsschullehrer
und Sozialarbeiter der Diakonie bei, die
ein breites Spektrum von kulturellen Ge­
pflogenheiten über Fußball und Klettern
bis zur Traumabegleitung anbieten. Aber
auch Mitarbeiter und Auszubildende
mischen mit. Polen, Griechen, Türken,
Deutsche und ein Arbeiter aus Sri Lanka
gehen offen auf die Neuankömmlinge zu.
Die Ausbildungsabteilung plant für den
Herbst ein Sportfest.
Die Berufsausbildungsvorbereitung
basiert auf dem Modell „Start in den Be­
Von
Ruth Lemmer
ruf“, das der Bundesarbeitgeberverband
Chemie (BAVC) und die Industriegewerk­
schaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE)
schon 2000 für Schulabgänger, denen die
Ausbildungsreife fehlt, vereinbart haben.
DerUnterstützungsvereinder chemischen
Industrie (UCI) gewährt den Jugendlichen
Hilfe zum Lebensunterhalt. Somborn sagt
auch, was nicht so gut läuft: die Koopera­
tion mit kleinen Handwerksbetrieben, die
sich nicht so richtig zutrauen, Geflüchtete
zwei Monate hineinschnuppern zu las­
sen, und der Berufsschulunterricht für
Einstiegspraktikanten, die kein Deutsch
können, denn den Extraunterricht muss
das Schulministerium genehmigen – und
das kann dauern.
Sprachkenntnisse sind entscheidend
Die Einbindung von Praktikanten gelingt
jedoch überall umso besser, je konse­
quenter die deutsche Sprache unterrich­
tet wird. Doch die Qualität genau dieser
von der Bundesagentur für Arbeit finan­
zierten Integrationskurse kritisierte der
Bundesrechnungshof im März scharf:
Verschwendung, doppelte Abrechnun­
gen, fehlende Teilnehmerlisten, Mangel
an Schulmaterial und Erfolgskontrolle.
Allerdings gab die Kontrollbehörde die
schlechten Noten für das Jahr 2015. Seit
2016, so versichert die Arbeitsagentur,
sei alles besser organisiert.
Gut möglich, denn imvergangenen Jahr
entwickelten Institutionen wie Unterneh­
men Strukturen für den Ausbildungs- und
Jobeinstieg von Geflüchteten. Siemens
setzt auf Förderklassen mit sechs Mona­
ten intensivem Sprachunterricht und be­
rufsvorbereitendemWissen in Elektronik
und Mechanik. Praktikumsplätze bietet
der Konzern an mehr als zehn Standorten
in Deutschland. Das Ziel: eine Ausbildung
bei Siemens selbst oder einem Partner­
unternehmen. Die Geflüchteten werden
wie alle Praktikanten bezahlt.
Henkel, Deutsche Telekom und Deut­
sche Post DHL Group forcieren das
Pilotprojekt „Geflüchtete ohne Berufs­
abschluss“ für 100 Geringqualifizierte.
Zuerst wird intensiv analysiert, welche
Berufs- und Bildungserfahrung die
Menschen aus ihren Herkunftsländern
mitgebracht haben. Daran anknüpfend
werden über zwölf Wochen erste Fach­
kenntnisse vermittelt. Wer Willen und
Können beweist, erhält für 24 Monate
eine Anstellung inklusive Sprach- und
Netzwerken macht Spaß
SERIE.
Der Start in die Arbeitswelt gelingt Flüchtlingen am besten über Praktika und
Einsteigerprogramme. Sie erwerben dabei Fach-, Sprach- und Kulturkompetenz.
„Es ist spannend, aber auch mühselig.
Spaß macht es, wenn wir Erfolge sehen.“
Roland Somborn, Axalta Coating Systems
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