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12|2017
RECHT
BGH, Urteil vom 12.7.2017, XII ZR 26/16
Bedeutung für die Praxis
Gemäß §§ 566 Abs. 1, 578 Abs. 2 Satz 1 BGB tritt der Erwerber eines ge-
werblich vermieteten Hausgrundstücks anstelle des Vermieters in die sich
während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden
Rechte und Pflichten ein. Mit dem Eigentumsübergang entsteht ein neues
Mietverhältnis zwischen dem Erwerber des Grundstücks und dem Mieter
mit dem gleichen Inhalt, mit dem es zuvor mit dem Veräußerer bestanden
hat. Nach seinem Wortlaut findet § 566 Abs. 1 BGB allerdings nur dann
Anwendung, wenn das vermietete Grundstück durch den Vermieter ver-
äußert wird. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Ob
§ 566 Abs. 1 BGB bei fehlender Identität zwischen Eigentümer, Veräuße-
rer und Vermieter entsprechend angewendet werden kann, ist allerdings
umstritten. Teilweise wird eine entsprechende Anwendung des § 566 BGB
bei Nichterfüllung des Identitätserfordernisses grundsätzlich abgelehnt.
Die überwiegende Auffassung hält dagegen eine analoge Anwendung
der Vorschrift jedenfalls dann für geboten, wenn nach den Umständen
des Falls davon ausgegangen werden kann, dass die Vermietung mit
Zustimmung des Eigentümers erfolgt ist, etwa wenn der Mietvertrag vom
Hausverwalter im eigenen Namen, aber für Rechnung des früheren Grund-
stückseigentümers abgeschlossen wurde. Der Bundesgerichtshof hat die-
se Rechtsfrage zuletzt als umstritten und noch nicht abschließend geklärt
angesehen. Der BGH klärt diese Frage nun in dem Sinne, dass die Voraus-
setzungen für eine analoge Anwendung des § 566 Abs. 1 BGB jedenfalls
dann vorliegen, wenn die Vermietung des veräußerten Grundstücks mit
Zustimmung des Eigentümers und in dessen alleinigem wirtschaftlichen
Interesse erfolgt und der Vermieter kein eigenes Interesse am Fortbestand
BGB §§ 241 Abs. 2, 242; WoBindG § 10 Abs. 1 Satz 1; II. BVO § 28 Abs. 4
Kostenmiete und Schönheitsreparaturen
Der Vermieter preisgebundenen Wohnraums ist grundsätzlich
nicht gehindert, die Kostenmiete einseitig um den Zuschlag nach
§ 28 Abs. 4 Satz 2 II. BV zu erhöhen, wenn sich die im Mietvertrag
enthaltene Formularklausel über die Abwälzung der Pflicht zur
Vornahme von Schönheitsreparaturen auf den Mieter wegen unan-
gemessener Benachteiligung des Mieters als unwirksam erweist.
BGH, Urteil vom 20.9.2017, VIII ZR 250/16
Bedeutung für die Praxis
Die Unwirksamkeit einer Formularklausel über die Abwälzung der
Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen führt zur Anwendung
des dispositiven Gesetzesrechts und damit zur Anwendung von § 535
Abs. 1 Satz 2 BGB. Nach dieser Vorschrift trifft den Vermieter die
Pflicht zur Instandhaltung der Mietsache und damit auch die Pflicht zur
Vornahme der Schönheitsreparaturen einer vermieteten Wohnung. Dies
berechtigt den Vermieter einer dem Wohnungsbindungsgesetz unter-
liegenden Wohnung nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH, den
sich aus § 28 Abs. 4 II. BV ergebenden Zuschlag zu verlangen.
Eine Verpflichtung des Vermieters, dem Mieter anstelle der unwirk-
samen Formularklausel im Wege der Individualvereinbarung eine
wirksame Abwälzungsklausel anzubieten, lässt sich weder aus Treu und
Glauben (§ 242 BGB) noch aus dem allgemeinen Rücksichtnahmegebot
(§ 241 Satz 2 BGB) herleiten. Hiergegen spricht schon der Umstand,
dass für den mit einer solchen Forderung konfrontierten Vermieter
unklar bliebe, welchen Inhalt seine Verpflichtung, eine „wirksame
Klausel“ anzubieten, konkret haben sollte, insbesondere ob sie nach
Maßgabe einer an sich verbotenen geltungserhaltenden Reduktion
auf das gerade noch zulässige Maß hinausliefe oder ob weitergehende
Rücksichten zu nehmen wären. Soweit die Revision meint, der über
§ 306 Abs. 2 BGB erfolgende Rückgriff auf § 28 Abs. 4 II. BV verkehre
den AGB-rechtlichen Schutzmechanismus in sein Gegenteil, da die
Unwirksamkeit der mietvertraglichen Regelung für den die Klausel
verwendenden Vermieter „folgenlos“ bleibe, während sie den Mieter
„stärker belastet“, verkennt sie, dass die Regelungen über die Inhalts-
kontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen (§§ 307 ff. BGB) gegen-
über dem Verwender keinen über die Bestimmung des § 306 BGB hin-
ausreichenden Sanktionscharakter haben und die eventuell über § 306
Abs. 2 BGB zu verzeichnende Folge einer im Vergleich zu der Klausel im
wirtschaftlichen Ergebnis stärkeren Belastung des Vertragspartners des
Verwenders die grundsätzlich hinzunehmende Folge der die gegenseiti-
gen Interessen berücksichtigenden gesetzlichen Regelung ist.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
GG Art. 103; BGB § 535
Ruhestörung und deren Darlegung
im Prozess
Bei wiederkehrenden Beeinträchtigungen durch Lärm bedarf es nicht
der Vorlage eines detaillierten Protokolls. Es genügt vielmehr grund-
sätzlich eine Beschreibung, aus der sich ergibt, um welche Art von
Beeinträchtigungen es geht und zu welchen Tageszeiten, über wel-
che Zeitdauer und in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten.
des Mietverhältnisses hat. In diesem Fall ist nicht nur eine planwidrige Re-
gelungslücke gegeben, sondern der zur Beurteilung stehende Sachverhalt
ist auch mit dem vergleichbar, den der Gesetzgeber geregelt hat. Durch
eine Beschränkung der analogen Anwendung des § 566 Abs. 1 BGB auf
die Fälle, in denen der Dritte nicht nur mit Zustimmung des Eigentümers,
sondern auch in dessen wirtschaftlichem Interesse handelt, ist schließlich
gewährleistet, dass bei einer bloßen Untervermietung eine entsprechende
Anwendung der Vorschrift ausscheidet. Bei der Untervermietung gestat-
tet der Eigentümer zwar dem Hauptmieter auch, das Mietobjekt weiterzu-
vermieten. Der Abschluss des Untermietvertrags erfolgt jedoch nicht im
Interesse des Eigentümers, sondern stellt eine besondere Art der Nutzung
der Mietsache durch den Hauptmieter dar.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg