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6|2015
RECHT
Bedeutung für die Praxis
Wenn ein Mietspiegel Spannen ausweist, dann wird - vorbehaltlich
darzulegender Besonderheiten des Mietobjektes - vermutet, dass
die ortsübliche Vergleichsmiete innerhalb dieser Spanne liegt. Die
Einordnung innerhalb der Spanne ist eine normative Bewertung, die
der Mietspiegel gerade nicht vornehmen kann, da er ja eine abstrakte
generelle Datenbasis darstellt, in die eben jede Wohnung eingeordnet
werden muss. Letztendlich wird also nur vermutet, dass die ortsübliche
Vergleichsmiete für die konkrete Vertragswohnung nicht höher als der
Oberwert der Spanne und nicht niedriger als der Unterwert der Spanne
ist. Innerhalb der Spanne ist die Wohnung dann einzuordnen. Dabei
kommt dem Mittelwert des Mietspiegelfeldes eine besondere Bedeu-
tung zu. Ohne weitere Angaben zu wohnwerterhöhenden Umständen ist
grundsätzlich vom Mittelwert der maßgeblichen Spanne auszugehen.
Soweit die Klägerin ihr Mieterhöhungsbegehren auf einen Zuschlag zum
Mittelwert wegen der Beschaffenheit des Objektes als Einfamilienhaus
stützt, ist ein solcher Zuschlag gerade nicht ortsüblich. Zur Begründung
ihres Mieterhöhungsverlangens beruft sich die Klägerin auf den Miet-
spiegel des Stadtgebiets B-Stadt, welcher gerade keinen Zuschlag für
die Vermietung von Einfamilienhäusern ausweist. Ein Vermieter, der sein
Mieterhöhungsverlangen mit einem konkreten Mietspiegel begründet ist
jedoch grundsätzlich an dessen Struktur und Wertungen gebunden, von
denen lediglich in sehr eingeschränkten Maße Abweichungen zulässig
sind. Sieht der Mietspiegel solche Zu- und Abschläge beispielsweise für
besonders große und kleine Wohnungen, Isolierglasfenster, etc. vor,
dann sind sie zulässig. Unzulässig sind jedoch Zuschläge für bestimm-
te Ausstattungsmerkmale, Beschaffenheiten und Wohnlagen, die der
Mietspiegel gerade nicht vorsieht. Das Fehlen einer entsprechenden
Formulierung im Mietspiegel, die einen Zuschlag für Einfamilienhäuser
benennt - und die in den Mietspiegeln der angrenzenden Gemeinden
ausdrücklich genannt ist - , war eine bewusste Entscheidung der an der
Erstellung des Mietspiegels beteiligten Personen. Unerheblich ist in
diesem Zusammenhang, dass in angrenzenden Gemeinden ein derartiger
Einfamilienhauszuschlag ggfs. ortsüblich sein mag. Bei der Bestimmung
der ortsüblichen Miete ist allein auf die konkreten Gege-
benheiten des (Stadt-)Gebiets abzustellen.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg
BGB §§ 242, 573 Abs. 2 Nr. 2
Rechtsmissbräuchlichkeit einer Eigenbedarfskündigung alsbald nach Abschluss
eines unbefristeten Mietvertrags
Der Vermieter ist weder verpflichtet, von sich aus vor Abschluss eines unbefristeten Mietvertrags unaufgefordert Ermittlungen über
einen möglichen künftigen Eigenbedarf anzustellen (sog. „Bedarfsvorschau“) noch den Mieter ungefragt über mögliche oder konkret
vorhersehbare Eigenbedarfssituationen zu unterrichten
BGH, Urteil vom 4.2.2015, VIII ZR 154/14
Bedeutung für die Praxis
Ein widersprüchliches Verhalten liegt vor, wenn sich eine Partei zu
ihrem früheren Verhalten inhaltlich in Widerspruch setzt. Nicht jeder
Widerspruch zwischen zwei Verhaltensweisen ist jedoch als unzu-
lässige Rechtsausübung zu werten. Vielmehr ist widersprüchliches
Verhalten erst dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil
ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere
besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen
lassen. Entscheidend sind letztlich die Umstände des jeweiligen Einzel-
falls. Gemessen an diesen Maßstäben liegt in den Fällen, in denen ein
Vermieter einen unbefristeten Mietvertrag wegen eines nach Vertrags-
abschluss entstandenen Eigenbedarfs kündigt, kein Rechtsmissbrauch
vor, wenn das künftige Entstehen des Eigenbedarfs zwar im Rahmen
einer „Bedarfsvorschau“ zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses er-
kennbar gewesen wäre, der Vermieter aber zu diesem Zeitpunkt weder
entschlossen war, alsbald Eigenbedarf geltend zu machen, noch ein
solches Vorgehen erwogen, also ernsthaft in Betracht gezogen, hat. In
diesen Fällen ist dem Vermieter schon ein widersprüchliches Verhalten
nicht anzulasten. Ein Vermieter, der eine Eigenbedarfskündigung auf
nach Abschluss des Mietvertrags entstandene Umstände stützt, deren
Eintritt möglich oder sogar konkret vorhersehbar, von ihm aber bei
Vertragsschluss nicht erwogen worden war, setzt sich hierdurch mit
seinem früheren Verhalten regelmäßig schon nicht inhaltlich in Wider-
spruch. Ein Vermieter setzt sich grundsätzlich nur dann in Widerspruch
zu seinem früheren Verhalten, wenn er die Eigenbedarfskündigung
auf Gründe stützt, die ihn zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses schon
den Entschluss haben fassen lassen, die Wohnung für sich selbst oder
seine Familien- oder Haushaltsangehörigen in Gebrauch zu nehmen,
oder aufgrund derer er eine solche Nutzung zum damaligen Zeitpunkt
(ernsthaft) erwogen hat. Um einen solchen Widerspruch aufzulösen,
muss er den Mieter, der mit einer längeren Mietdauer rechnet und
rechnen darf, ungefragt über die beabsichtigte oder zumindest in
Absicht genommene Begrenzung der Mietdauer aufklären. Abgesehen
von diesen Fallgestaltungen kommt ein widersprüchliches Verhalten
des Vermieters dann in Betracht, wenn er anlässlich des Vertrags-
schlusses von sich aus oder auf konkrete Fragen des Mieters vorsätz-
lich unrichtige Angaben („Wissenserklärung“) über den derzeitigen
Stand ihm bekannter, für die Beurteilung einer Eigenbe-
darfssituation maßgebender Tatsachen macht.
RA Heiko Ormanschick, Hamburg