Controller Magazin 3/2019 - page 101

Impressum
BdRA-Geschäftsstelle:
Bundesverband der Ratinganalysten e.V.
Kurfürstendamm 136 – 10711 Berlin
Tel.: +49 (0)30 2000425 69
Fax: +49 (0)30 2000425 9969
E-Mail:
eb:
Geschäftsführer:
Holger Becker |
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Liebe Leserinnen und Leser,
Das Thema „Nachhaltigkeit“ ist seit einiger
Zeit in aller Munde und scheint inzwischen die
Öffentlichkeit erreicht zu haben. Nicht zuletzt
nimmt dadurch auch der politische Druck zu,
rechtliche und politische Rahmenbedingungen
zu schaffen und weiter auszubauen.
Ein wesentlicher Aspekt im Rahmen der Nach-
haltigkeitsdiskussionen stellt die Wirtschafts-
und Unternehmensethik dar. Spätestens seit
dem „Dieselskandal“ muss man den Verant-
wortlichen von Unternehmen die Frage nach der
Moral ihres Handelns stellen dürfen.
Untersucht man die Einflussfaktoren auf die
Ethik im Wirtschaftsleben und die Umsetzung
ethischer Anforderungen in den Unternehmen,
muss man zwangsläufig zu dem Schluss kom-
men, inwieweit diese zentralen Fragestellungen
auch in das Ratingurteil von Unternehmen ein-
gehen. Zwar werden durchaus Fragen nach der
Handlungsverantwortung des Managements,
der sozialen Kompetenzen, der Unternehmens-
führung, der Mitarbeiterführung oder zu Com-
pliance, Corporate Governance und dem Code
of Conduct – meist im Rahmen der sogenann-
ten Soft-Facts – gestellt, aber eine tiefgründi­
gere Hinterfragung sowie eine ausführlichere
Berichterstattung und „Bewertung“ hierüber
sind zumindest bei den klassischen Ratingagen-
turen bisher zu vermissen.
Mittlerweile haben sich aber auf Nachhaltig-
keitsthemen spezialisierte Ratingagenturen am
Markt etabliert, die sich vorrangig mit den wich-
tigen Aspekten der Nachhaltigkeit befassen,
meist bei der Beurteilung zu nachhaltigen An­
lageentscheidungen für Investoren.
Wenn Nachhaltigkeit im Unternehmensgesche-
hen beurteilt wird, sollte eine Vielzahl von As-
pekten beleuchtet werden, von denen hier nur
einige aufgeführt sind:
CSR (Corporate Social Responsibility) –
Richtlinie der EU. Sie soll zu einer verbesser-
ten Transparenz von Geschäftsabläufen in
Unternehmen führen. Hierzu werden unter-
schiedliche Verfahrensweisen europaweit
vereinheitlicht. Bestimmte Unternehmen aller
Mitgliedstaaten mussten erstmals mit den
Jahresabschlüssen ab 2017 im Rahmen der
Umsetzung der CSR-Richtlinie zu Umwelt-,
Sozial- und Arbeitnehmerbelangen, Men-
schenrechten und Korruptionsbekämpfung
einheitlich berichten. Die Umsetzung in natio-
nales Recht wurde am 19. April 2017 im Bun-
desanzeiger veröffentlicht und trat damit in
Kraft. Die Regelungen sind in das Handelsge-
setzbuch (HGB) eingeflossen.
Von den Vereinten Nationen wurden 17 Sus-
tainable Development Goals (SDGs) formu-
liert, die von Unternehmen im Rahmen ihrer
Geschäftspolitik unterstützt werden sollen.
Wesentliche Ziele sind unter anderem die
Reduzierung von Armut und Hunger, die
Förderung von Gesundheit und Wohlbefin-
den, die Qualität in der Bildung, die Gleich-
berechtigung sowie menschenwürdige
Arbeitsverhältnisse und wirtschaftliches
Wachstum.
Auch die OECD hat Leitsätze für multinatio-
nale Unternehmen formuliert, die sich unter
anderem mit Menschenrechten, Umweltbe-
wusstsein, Beziehungen zwischen den Sozi-
alpartnern sowie Wissenschaft und Techno-
logie beschäftigen.
Nicht zuletzt wurde bereits im Jahr 2010 ein
Leitfaden zur gesellschaftlichen Verantwor-
tung im Rahmen einer ISO-Norm veröffent-
licht (ISO 26000).
Um die oben genannten Aspekte und die weite-
ren Themenfelder in der Wirtschafts- und Unter-
nehmensethik beurteilen zu können, bedarf es
natürlich auch einer entsprechenden Kompetenz
nicht nur bei den Ratingagenturen selbst, son-
dern auch bei den Verantwortlichen in den Unter-
nehmen sowie bei Unternehmens- und Steuer-
beratern sowie im Rahmen eines Rating-Adviso-
ry-Prozesses. Gerade in der beratenden Funktion
und auf ein Unternehmensrating begleitenden
Vorbereitung sollten die Themen der Wirtschafts-
und Unternehmensethik sowie der Corporate
Social Responsibility fest verankert sein.
Das Ziel zur Erlangung und Vertiefung entspre-
chender Fachkompetenzen sowie die Umset-
zung der Nachhaltigkeitsthematiken in eine
angewandte und „gelebte“ Unternehmensethik
wird auch vom Bundesverband der Rating­
analysten e.V. (BdRA) aktiv unterstützt. In diesem
Zusammenhang sind zukünftig zielgerichtete
Fortbildungsangebote geplant.
Unternehmensethik, Moral, soziale Verantwor-
tung, Umweltbewusstsein und eine authenti-
sche Nachhaltigkeitsberichterstattung sollten in
jedem Ratingurteil ihren festen Platz haben und
zu einem integrierten Bestandteil des Rating-
prozesses werden. Sicher wird sich auch der
BdRA im Rahmen von Regionalkonferenzen,
Arbeitskreisen und Jahrestagungen diesem
Thema intensiv annehmen.
Ihr Holger Becker
Holger Becker,
Geschäftsführer des BdRA e.V.
Nachhaltigkeit und gelebte Unternehmensethik
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