Controller Magazin 6/2018 - page 101

Impressum
BdRA-Geschäftsstelle:
Bundesverband der Ratinganalysten e.V.
Kurfürstendamm 136 – 10711 Berlin
Tel.: +49 (0)30 2000425 69
Fax: +49 (0)30 2000425 9969
E-Mail:
eb:
Geschäftsführer:
Holger Becker |
99
CM November / Dezember 2018
Liebe Leserinnen und Leser,
Rating ist die systematische Beurteilung der
künftigen Fähigkeit eines Schuldners, seinen
Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Nun
werden Gläubiger sicher schon immer diese
Beurteilung angestellt haben, sofern sie nicht
altruistisch Geld verliehen haben. Bonitäts-
einschätzungen gibt es, seit es Gläubiger und
Schuldner gibt. Rating gibt es daher wohl seit
Menschengedenken, allerdings nicht jeher „sys-
tematisch“ und „zukunftsorientiert“.
Der BdRA, Bundesverband der Ratinganalysten
in Deutschland, hat sich als Fachverband der Ra-
tinganalysten und Ratingadvisor etabliert und ist
mit rund 400 Mitgliedern der einzige auf dieses
Thema spezialisierte Fach- und Berufsverband.
Mit Fachgruppen, Regionaltreffen, einer Jahres-
tagung und regelmäßigem Austausch von Exper-
ten, trägt der Verband zur Sichtbarkeit des The-
mas bei. Die oben genannten Attribute der
Systematik und Zukunftsorientierung sind dem
Verband wichtig. Die Zukunftsorientierung des
Ratings hat dabei zweierlei Gesichter: Einmal be-
zogen auf die Systematik, aber auch in Bezug auf
die Fragestellungen, wie es mit diesem Thema
künftig weitergeht und ob ein nur auf Rating be-
zogener Fachaustausch zielführend und eben zu-
kunftsbezogen sein kann. Denn beide Fragestel-
lungen können mit den Fachgebieten Controlling
und Risikomanagement eng verknüpft werden.
Dabei liefert das Controlling häufig nicht nur die
Zahlenbasis für das Rating, sondern kann mit
neuen zukunftsbezogenen Methoden wertvolle
Schlüsse aus der Bonitätsanalyse ziehen.
Zunächst zur Systematik des Ratings und dem
Bezug zum Controlling. Es geht beim Rating
nicht um eine vergangenheitsorientierte Be-
trachtung des Zahlungsverhaltens, wie es bis
heute in Auskunfteien erfragt werden kann. Es
geht vielmehr um eine intersubjektiv überprüf-
bare und nicht zufällige systematische Bewer-
tung der Zahlungs- bzw. Ausfallwahrscheinlich-
keit. Auch wenn bisher Banken Hauptadressaten
und Nutzer von Rating sind, ist für das interne
Controlling in einem Unternehmen diese Bewer-
tung wesentlich, um Schlüsse für controlling-
gestützte Entscheidungen zu treffen. Regulatori-
sche Auflagen gibt es dabei in Unternehmen für
ein risikobewusstes Controlling kaum, wenn
man von Zulieferungen für Lageberichte absieht.
Es macht daher sehr viel Sinn, wenn Risiko-,
Controlling- und Ratingverbände miteinander
reden, um eine integrative Systematik zu entwi-
ckeln. Diese Systematik kann mit der in einer
digitalen Welt verfügbaren Datenbasis deutlich
feiner und präziser entwickelt werden, als dies
bei tradierten und noch auf Basel-Regulatorien
beruhenden Ratingmodellen der Fall ist. Biomet-
rische Daten und Auswertungen von Verhaltens-
weisen mit Big Data Systemen können hier so-
wohl dem Rating, wie auch dem Controlling nut-
zen. Eine Fachdiskussion um ein integriertes
Controlling-Rating-Modell ist dabei überfällig.
Damit sind wir auch bei der Frage der Zukunfts-
fähigkeit des Themas Rating und des BdRA. Ra-
ting ist wie eingangs beschrieben nicht nur so
alt, wie Menschen sich gegenseitig bewerten
und einschätzen, sondern wird es auch solange
geben, solange Menschen sich fragen, wem
welches Vertrauen gegenübergebracht werden
kann. Die Zukunftsfähigkeit des Themas Rating
als Vertrauensmesser steht damit nicht in Fra-
ge. In Kombination mit der Systemfrage ist aller-
dings eine solitäre Stellung eines Themas und
Verbandes in Frage zu stellen. Rating ohne fun-
dierte Controllingbasis und Rating ohne Bezug
zu anderen Risikogruppen und -methoden wird
künftig immer weniger Sinn machen, denn Ver-
trauen hängt eben nicht nur an Zahlungsmoral
und -fähigkeit, sondern an einer Vielzahl von
Vertrauens- und Risikoaspekten. Die oben be-
reits vermisste Integration von Rating, Control-
ling und Risikomanagement in Systemen ist da-
mit auch politisch zu fordern. Verbände und
Fachgruppen sollten nicht länger ihr Fachthema
abgrenzen, eingeengt diskutieren und Bezüge
ignorieren, sondern in großen Zusammenhän-
gen fundierte Entscheidungsgrundlagen für
Gläubiger, Manager und andere Zielgruppen er-
arbeiten. Der Studiengang „Rating, Risk & Fi-
nance“ der SRH Fernhochschule, mit der der
BdRA exklusiv in der Weiterbildung kooperiert,
versucht diese Integration bereits darzustellen.
Dieser kann modern online, d. h. zeit- und orts-
unabhängig studiert bzw. absolviert werden.
Zukunftsorientierung bedeutet also die Weiter-
entwicklung von Systemen und Themen über
den eigenen Tellerrand hinaus. Agilität aller Be-
teiligten ist hier gefragt und das Festhalten an
Pfründen, Funktionen und Themenhoheiten
nicht zielführend. Das Berufsbild des Control-
lers, Risikomanagers und Ratinganalysten wird
verschmelzen.
Ihr Prof. Dr. Ottmar Schneck
Prof. Dr. Ottmar Schneck,
Rektor der SRH Fernhochschule – The Mobile
University – sowie Mitglied des BdRA-Vorstands
Zur Zukunftsfähigkeit des Themas Rating
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