WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 44/2015 - page 5

Angst‘ als neues deutsches Hysterikum,
ähnlich dem ‚Le Waldsterben‘ in den
1980er Jahren“, so Bade. Er differenzierte
deutlich zwischen den Zuwanderern aus
der Europäischen Union, die noch immer
die Mehrheit stellten, und Flüchtlingen
und Asylsuchenden, die möglicherweise
Anspruch auf Schutz haben. Für Bade sei
klar, dass der Migrationsdruck anhalten
wird. „Wir müssen uns darauf einstellen,
dass aus Flüchtlingen Mitbürger werden
– zumindest auf Zeit“, sagte er. Die
Aufnahme und Integration vollziehe sich
im Wesentlichen in den Kommunen,
hier werde sie gelingen oder scheitern.
Unabdingbar sei die massive finanzielle
Unterstützung des Bundes für die
Kommunen. Ansonsten drohe eine
Förderkonkurrenz zwischen inländischen
Armen und Flüchtlingen mit fatalen Folgen.
„Was wir brauchen, ist dreierlei“, sagte
der Professor am Schluss seines Vortrags:
„Wohnungen, Wohnungen, Wohnungen.“
Wohnungspolitische Halbzeitbilanz
„Der Mangel an bezahlbaren Wohnungen
wird imMoment auf die Flüchtlingssituation
der letzten Monate geschoben, doch das
trifft so nicht zu“, sagte
Axel Gedaschko
,
Präsident des Spitzenverbandes GdW, bei
seiner wohnungspolitischen Halbzeitbilanz.
Die Wohnungswirtschaft habe schon
seit längerer Zeit auf den gravierenden
Mangel aufmerksam gemacht und
bessere Rahmenbedingungen für den
Wohnungsbaugefordert.Derschwarz-roten
Bundesregierung konnte Gedaschko nur
bei der Stadtentwicklung uneingeschränkt
gute Arbeit bescheinigen. Hier leiste sie –
vor allem durch die Erhöhung der Mittel
für das Programm Soziale Stadt – mehr als
die Vorgängerregierung. Schlechte Noten
aus Sicht der Wohnungswirtschaft gebe es
für den „Rechtsrahmen“, vor allem durch
den „Placebo“ Mietpreisbremse, der nicht
zu mehr Wohnungsbau führen werde. Bei
der Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung
würden in den Quartieren große Chancen
vertan und die Wohnungswirtschaft
bewusst benachteiligt. Die Erhöhung
der Bundesmittel für die soziale Wohn­
raumförderung sei ein gutes Signal, doch
die Mittel würden für die große Aufgabe
nicht reichen. „Wir können die Welt nicht
allein retten“, so Gedaschko. Auch beim
Thema Steuern sei noch nicht viel erreicht
worden, da sich eine Mehrheit der Länder
gegen ein Sonderprogramm für eine
Neubau-AfA ausspreche.
Beim Bündnis für bezahlbares Wohnen
und Bauen liegen inzwischen erste
Ergebnisse vor. Der GdW-Präsident
informierte über Aussagen von Bundes­
bauministerin Barbara Hendricks. So
werde der Abschlussbericht der Bau­
kostensenkungskommission mit mehr als
60 Empfehlungen zur Kostendämpfung
noch im Herbst vorgelegt. Ansteigende
Wohnflächen,
Ausstattungsmerkmale
und technische Ausrüstungen wurden
dabei als Kostentreiber ausgemacht. Beim
Normungswesen sei eine grundlegende
Revision geplant und die Regelungen für
die Stellplatzverordnung sollen flexibilisiert
werden.
Abschließend ging Gedaschko noch einmal
auf die Unterbringung von Flüchtlingen
ein. Er stellte folgende Hauptforderungen
an die Politik: die Beschleunigung von
Verfahren und ein befristetes Absenken
von Standards; die Sicherstellung von
sozialer Betreuung und ein deutlich
kostengünstigeres Bauen. Doch selbst bei
deutlich besseren Rahmenbedingungen sei
die Aufgabe so groß, dass neben der im
GdW organisierten Wohnungswirtschaft
dringend auch andere Kräfte zum
Wohnungsbau gebracht werden müssten.
Zuwanderung braucht Wohnungsbau
Bayerns Innen- und Bauminister
Joachim
Herrmann
forderte die Wohnungs­
wirtschaft auf, deutlich mehr Wohnraum
zu schaffen. „Wir brauchen erheblich
mehr Wohnungen in allen Landesteilen
und für alle Bevölkerungsteile", betonte
Herrmann. Der Freistaat unternehme alles,
um dafür ideale Rahmenbedingungen zu
schaffen. „Unser neuer ‚Wohnungspakt
Bayern‘ setzt auf ein staatliches Sofort­
programm, ein kommunales Förder­
programm und den Ausbau der all­
gemeinen
Wohnungsbauförderung",
fasste der Bauminister zusammen. 28.000
neue staatlich finanzierte oder geförderte
Mietwohnungen bis 2019 seien das Ziel.
Hierfür stehen dem Freistaat rund 2,6
Milliarden Euro zur Verfügung. Außerdem
sollen Investitionshemmnisse gezielt abge­
baut werden.
ImRahmendesstaatlichenSofortprogramms
als erste Säule des Wohnungspakts plant
und baut der Staat kurzfristig rund 3.300
Wohnungen für anerkannte Flüchtlinge.
Hierfür stehen laut Herrmann 70 Millionen
Euro bereit. Diese Wohnungen sollen mit
reduziertem Wohn- und Baustandard
sowie mit befristeter Standzeit auf
staatlichen Grundstücken entstehen. Das
kommunale Förderprogramm ist die zweite
Säule und richtet sich an Kommunen
und Kirchen, vor Ort Wohnraum für
anerkannte Flüchtlinge zu schaffen. „Unser
Vierjahresprogramm beginnt ab 2016 und
umfasst pro Jahr 150 Millionen Euro“,
so der Bauminister. Die dritte Säule des
Wohnungspakts Bayern ist der Ausbau
der staatlichen Wohnraumförderung.
Die staatliche Wohnraumförderung wird
im Jahr 2016 um aus der Erhöhung der
Bundesmittel zustehende Mittel für den
sozialen Wohnungsbau in Höhe von 59,1
Millionen Euro sowie um 100 Millionen
Euro Eigenmittel der BayernLabo – dem
Förderinstitut der BayernLB – verstärkt.
„2016 steht uns damit ein Betrag von 379,1
Millionen Euro für die Wohnraumförderung
zur Verfügung, den wir jährlich um weitere
56 Millionen Euro auf 547,1 Millionen Euro
in 2019 erhöhen werden“, so Herrmann.
Darüber hinaus verbessert der Freistaat die
Konditionen der Mietwohnraumförderung.
Ab sofort kann bei der allgemeinen
Förderung von Mietwohnungen ein
ergänzender Zuschuss in Höhe von bis zu
200 Euro je Quadratmeter Wohnfläche
gewährt werden. Zusammen mit dem
Zuschuss für einen Vergabevorbehalt
für anerkannte Flüchtlinge könne der
Investor in der Summe bis zu 500 Euro pro
Quadratmeter erhalten. Dadurch erhofft
sich Herrmann weitere Anreize und einen
deutlichen Schub zur Ankurbelung des
Wohnungsmarktes für preisgünstigen
Wohnraum. Außerdem sicherte Herrmann
den bayerischen Wohnungsunternehmen
zu, alles zu unternehmen, dass auch die
übrigen Rahmenbedingungen für den
Wohnungsbau stimmen.
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AUS DEN VERBÄNDEN
Der Verbandsvorsitzende Mario Dalla Torre
und Verbandsdirektor Xaver Kroner (v. l.)
konnten mehr als 500 Teilnehmer zu der
Fachveranstaltung „VdW im Dialog“ begrüßen.
Der bayerische Staatsminister des Innern:
Joachim Herrmann
Fotos: Klaus D. Wolf
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