WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 44/2015 - page 4

AUS DEN VERBÄNDEN
Thüringer Wohnungswirtschaft startet Transparenzoffensive –
Kostenmietenrechner legt Bestandteile des Mietpreises offen
Erfurt – „Thüringen braucht eine Debatte über den Wert des Wohnens statt nur über Miethöhen“, forderte Constanze
Victor, Direktorin des Verbandes Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (vtw.) anlässlich des Verbandstages
der Thüringer Wohnungswirtschaft am 22. Oktober in Erfurt vor über 200 Teilnehmern. Volkmar Vogel MdB (CDU), Erfurts
Oberbürgermeister Andreas Bausewein und Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft
GdW, begleiteten den Verbandstag mit Statements zu wichtigen Herausforderungen der Branche.
Mit Sorge nimmt die Thüringer
Wohnungswirtschaft den wachsenden –
oft realitätsfernen – Populismus bei der
Diskussion um Mieten und bezahlbares
Wohnen wahr. Um die wahren Probleme
offenzulegen, hat der Branchenverband
vtw. am 22. Oktober 2015 zusammen mit
Thüringer Wohnungsunternehmen eine
Transparenzoffensive gestartet: Über einen
neuen Online-Kostenmietenrechner werden
unter
b
sofort die Kosten des Wohnens offengelegt.
Gezeigt wird, welche Kostenbestandteile
in die Kaltmieten einfließen und wie ihre
Höhe betriebswirtschaftlich ermittelt wird.
Das Programm wurde von der KOWO
Kommunale Wohnungsgesellschaft mbH
Erfurt, der Wohnungsbau-Genossenschaft
„Erfurt“ eG und der Weimarer Wohnstätte
GmbH gemeinsam entwickelt. Interessierte
können so individuell prüfen, ob und wie
die Miete die Kosten deckt. Zwei Beispiele:
Aktuell kostet die Sanierung im Platten­
baubestand (serieller Wohnungsbau) 1.000
Euro pro Quadratmeter und die Errichtung
von Neubau 2.500 Euro pro Quadratmeter.
Unter
den
Gesichtspunkten
der
WirtschaftlichkeitwürdendarausMiethöhen
von Minimum sechs Euro (Sanierung) bis 12
Euro (Neubau) resultieren. Tatsächlich liegen
die Mieten der vtw.-Unternehmen aber
aktuell bei durchschnittlich 4,71 Euro pro
Quadratmeter. „Wir haben Miethöhen, mit
denen man eine Wohnung nur sehr schwer
dauerhaft und nachhaltig bewirtschaften
kann“, sagte Constanze Victor dazu.
„Jede Wohnung, jedes Haus muss
erhalten werden – insbesondere Heizung,
Wasserleitungen, Fassaden und Dächer
müssen regelmäßig erneuert werden. Auch
dazu bedarf es einer Miethöhe von circa
sechs bis sieben Euro pro Quadratmeter.
Die Einnahmelücken wurden – bis heute
wirksam – durch massive Förderungen
zur Sanierung der Wohnungsbestände
nach der Wende geschlossen. Diese Zeit
ist vorbei. In den ländlichen Bereichen
Thüringens liegen die Mieten sogar noch
unter dem Durchschnitt von 4,71 Euro.
Aufgaben wie die bevorstehende zweite
Sanierungswelle oder altengerechter
Umbau von Wohnungen sind aus den
jetzigen Mieteinnahmen deshalb oft
nicht zu finanzieren. „Lediglich in den
großen Thüringer Städten erreichen die
Kaltmieten auch nur teilweise ein Niveau,
das nachhaltige Bewirtschaftung und vor
allem Investition in Neubau überhaupt
ermöglicht“, so Victor weiter. Die für
Neubau-Refinanzierung erforderlichen
Miethöhen von derzeit neun bis 12
Euro pro Quadratmeter (bei steigender
Tendenz) können aber wiederum nur
von wenigen Menschen gezahlt werden.
Es bleibt das Fazit, so Constanze Vic­
tor: „Wohnraumbereitstellung und Woh­
nungsneubau kosten Geld – sie müssen
auch für die Wohnungswirtschaft bezahlbar
sein. Wer Wünsche nach bezahlbarem
Wohnen unterhalb der Kosten des
Wohnens formuliert, muss auch erklären,
woher das zusätzlich benötigte Geld
kommt.“ Wohnen ist ein wertvolles soziales
und ökonomisches Gut, das seinen Preis
hat. Dieses Bewusstsein ist nach 40 Jahren
DDR und 20 Jahren gravierendem Leerstand
etwas verloren gegangen. Es muss in den
nächsten Jahren in einer bestimmt auch
schmerzhaften Diskussion wieder erlangt
werden. Daran führt kein Weg vorbei.
(tei/schi)
Flüchtlingsunterbringung im Mittelpunkt der Fachtagung der bayerischen
Wohnungsunternehmen
Reit im Winkl – Vom 12. bis 14. Oktober veranstaltete der Verband bayerischer Wohnungsunternehmen (VdW Bayern)
seine traditionelle Herbstfachtagung „VdW im Dialog“ in Reit im Winkl. Der Vorsitzende des Gesamtvorstandes, Mario
Dalla Torre, konnte rund 500 Teilnehmer begrüßen. Am „politischen Montag“ standen das bezahlbare Wohnen und
die Unterbringung von Flüchtlingen im Vordergrund. „Die bayerische Wohnungswirtschaft steht dafür, dass sie sich in
schwierigen Zeiten nicht weggeduckt hat. Wir werden uns nach Kräften engagieren, aber wir müssen auch klar machen,
dass die Herausforderungen für die Mitglieder des VdW Bayern alleine zu groß sind. Auch andere Akteure sind gefragt“,
sagte Verbandsdirektor Xaver Kroner.
Über Wirtschaftswanderung, Flucht und
Asyl in Deutschland und Akzeptanz,
Abwehrhaltung und Willkommenskultur
sprach Prof. Dr.
Klaus J. Bade
. Der
Migrationsforscher stellte einen Blick
aus dem europäischen Ausland an den
Beginn seines Vortrags. „Unsere Nachbarn
wundern sind über die ‚German Kultur
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beim Bau von Flüchtlingswohnungen an
einzelnen Stellen gelockert wurden: Bei
der Schaffung von Wohnraum müssen
Investoren nicht sofort die geforderten
Balkone anbringen, sondern können diese
später nachrüsten. Darüber hinaus haben
die Kommunen die Möglichkeit auf die
Anwendung der Stellplatzverordnung
zu verzichten. Beim Brandschutz und
der Gefahrenabwehr werden dagegen
weiterhin keine Abstriche gemacht. Die
Fachtagung hat sich darüber hinaus mit
den Möglichkeiten modularer Bauweisen
beschäftigt, um Wohnungen künftig
schneller errichten zu können, ohne jedoch
die Qualitätsstandards außer Acht zu lassen.
Das Wohn- und Bauministerium schätzt, dass
der Bedarf aufgrund des Flüchtlingszustroms
innerhalb eines Jahres um rund 40.000
Wohnungen steigen wird.
(wink/schi)
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