Personalmagazin 7-2018 - page 81

Bei der einzelvertraglichen Vergütungsabrede, so die lapidare
Begründung des BAG, handle es sich gar nicht um eine Allge-
meine Geschäftsbedingung (AGB), sondern um eine „individuell
vereinbarte, nicht der AGB-Kontrolle unterworfenen Regelung
der Hauptleistungspflicht“.
Der Rest ist schnell erzählt: Wo keine AGB, da keine Fiktion
eines kollektiven Bezugs und erst Recht nicht eine Fiktion des
konkludenten Einverständnisses in eine spätere Abänderung
durch eine Betriebsvereinbarung. Der Argumentation des LAG
war somit der Boden entzogen. Im Ergebnis führte dies zur um-
gekehrten Entscheidung: Frühere Einzelvereinbarung schlägt
spätere Betriebsvereinbarung, was vom BAG schon fast genüss-
lich wie folgt erläutert wird: „Die vom Landesarbeitsgericht auf-
geworfene Frage der generellen Betriebsvereinbarungsoffenheit
von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Arbeitsverträgen
bedurfte deshalb keiner Entscheidung.“
Schlusstragik: AGB-Recht hätte geholfen
Der Arbeitnehmer hat also den Prozess gewonnen, weil die
AGB-Bestimmungen nicht zum Zuge kamen. Damit verhielt es
sich hier jedoch gegenteilig zu vielen anderen Rechtsstreitigkei-
ten über Vertragsklauseln: In diesen Fällen obsiegen meist die
Arbeitnehmer, gerade weil AGB-Recht anzuwenden ist. Der
Arbeitgebereinwand der Individualabrede hat dann keine Be-
deutung mehr. Daher ist es im vorliegenden Fall gewissermaßen
Ironie des Schicksals, dass der Arbeitgeber im Prozess unterliegt,
weil das BAG ungefragt eine Individualabrede bejaht hat.
WEITERE ENTSCHEIDUNGEN
Anhörungsfrist bei Verdachtskündigungen
Ein Arbeitnehmer muss ausreichend Zeit zur Verfügung haben, um sich
zu einem Sachverhalt zu äußern, der zur Verdachtskündigung führt. Laut
LAG Schleswig-Holstein (Az. 3 Sa 398/17) sind zwei Tage Anhörungsfrist
zu kurz, die entsprechende Kündigung daher unwirksam.
Konzernbetriebsrat in weltweit tätiger Unternehmensgruppe
Hat ein international tätiges Unternehmen den Sitz nicht in Deutschland,
kann auch nicht zwingend ein Konzernbetriebsrat errichtet werden. Viel-
mehr bedarf es zumindest einer Teilkonzernspitze hierzulande, entschied
das BAG (Az. 7 ABR 60/16). Sie muss über wesentliche Leitungsaufgaben
in personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten verfügen.
THOMAS MUSCHIOL ist Rechtsanwalt im
Arbeits- und betrieblichen
Sozialversicherungsrecht in Freiburg.
Urteil des Monats
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