04/18 personalmagazin
mein Sohn beschwert sich immer wieder, wie ineffizient das Lernen
an der Schule organisiert sei: In manchen Unterrichtsstunden wür-
den Inhalte behandelt, die er längst kenne. Einige Lehrer könnten
Sachverhalte nicht so gut erklären, wie das eigentlich möglich sei.
Sein Vergleichsmaßstab: Erklärvideos, die er im Internet findet.
Wenn ich meinem Sohn zuhöre, drängt sich für mich der Gedanke auf,
dass seine Erläuterungen auch die Lernwelten in manchen Betrieben
treffend beschreiben. Bei
vielen Schulungsangebo-
ten handelt es sich um
Stangenware: Sie sind
nicht passgenau an den
individuellen Lernbedürf-
nissen ausgerichtet, häufig
ohne Bezug zu den Anfor-
derungen am Arbeitsplatz.
Das beste Indiz für die
Distanz vieler Bildungsan-
gebote zu den Lernbedürf-
nissen ist der Hype um
Transfer-Apps, die Start-ups im Markt lancieren. Was zunächst wie
eine charmante digitale Idee klingt, erweist sich bei etwas Nachden-
ken als Trugschluss, wie unsere Autorin Gudrun Porath analysiert:
Über Bildungstransfer müsse man sich vor allem dann Gedanken
machen, wenn Bedürfnisse und Angebote nicht zusammenpassen.
Sie trifft damit einen wunden Punkt einer von oben gesteuerten Per-
sonalentwicklung: Sie findet beim Lernenden zu wenig Akzeptanz.
Wie muss eigentlich eine moderne Lernwelt im Betrieb aussehen, die
bei den Lernenden ankommt? Lernen muss näher am Arbeitsplatz
stattfinden, die Angebote müssen individueller, aber auch digitaler
werden, wie unsere Titelgeschichte zum „Lernen der Zukunft“ zeigt.
Betriebe und Schulen sitzen übrigens im selben Boot: Die Lernenden
erwarten individualisierte Angebote, die organisatorische Umsetzung
ist aber eine gewaltige Herausforderung.
Liebe Leserinnen und Leser,
„Transfer-
Apps sind
ein Indiz
dafür, dass
Lernbedürf-
nisse und Lernangebote
nicht zusammenpassen.“
Reiner Straub, Herausgeber
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EDITORIAL