PERSONALquarterly 4/2016 - page 48

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ESSENTIALS
_REZENSIONEN
PERSONALquarterly 04/16
D
ie Rolle von extrinsischen Anreizen zur Förderung von
Kreativität im organisationalen Kontext ist nicht ein-
deutig geklärt: Auf der einen Seite steht das Problem
des „Crowding-outs“ intrinsischer Motivation (der ex-
trinsische verdrängt den intrinsischen Anreiz, einer bestimmten
Aktivität nachzugehen). Auf der anderen Seite steht das Problem,
dass intrinsisch motivierte Aktivitäten nicht zwingend kongru-
ent zu den Zielen der Organisation sind. Sue-Chan und Hempel
sehen daher weniger Bedeutung in der Frage, ob extrinsische
Anreize Kreativität fördern können, als vielmehr in der Frage, ob
extrinsische Anreize die Art und Weise ändern, in der Kreativität
zum Ausdruck gebracht wird.
Sue-Chan und Hempel differenzieren zwischen zwei Dimen-
sionen von Kreativität: Neuartigkeit und Nützlichkeit. Auf der
einen Seite erfordert Kreativität, über existierende Standards,
Rollen- und Rationalitätserwartungen hinauszugehen. Auf der
anderen Seite ist Kreativität darauf beschränkt, dass ungewöhn-
liche Ideen oder Problemlösungen immer noch anschlussfähig
sein müssen (z.B. an eine bestehende Produktpalette anknüpfen
müssen), um von Wert zu sein. Aus dieser Perspektive betrach-
tet liegt es nahe, dass die Beurteilung der Job Performance von
Mitarbeitern mehr von Kreativität im Sinne von Nützlichkeit als
im Sinne von Neuartigkeit beeinflusst wird. Darüber hinaus ge-
hen Sue-Chan und Hempel davon aus, dass Kreativität im Sinne
von Neuartigkeit durch den gezielten Einsatz extrinsischer An-
reize gefördert werden kann – durch das Signal, dass neuartige
Ideen und Problemlösungsansätze unterstützt werden – sowie
zusätzlich in die richtigen Bahnen gelenkt werden kann – durch
das Signal, für welche Ziele der Organisation Kreativität gefragt
ist. Damit verschiebt sich der Fokus der Mitarbeiter notwendi-
gerweise aber auch von der Generierung tatsächlich nützlicher
Ideen und Problemlösungsansätze (Job Performance im engeren
Sinne, wie bspw. in jährlichen Leistungsbeurteilungen erfasst)
hin zur Generierung potenziell nützlicher Ideen und Problem-
lösungsansätze.
Um ihre Theorie zu überprüfen, befragten Sue-Chan und
Hempel rund 300 Mitarbeiter eines chinesischen Hotelvermitt-
lungsportals zu deren subjektiver Einschätzung, inwiefern ihr
Arbeitgeber Kreativität wertschätzt und belohnt. Zusätzlich
wurden die Vorgesetzten dieser Mitarbeiter zu deren Kreativität
sowie allgemeiner Job Performance befragt. Wie erwartet fanden
Kreativität und Job
Performance
Christina Sue-Chan
&
Paul S. Hempel
(City University of Hong-
kong). The creativity-performance relationship: How rewarding
creativity moderates the expression of creativity. Human Resource
Management, Vol. 55, No. 4, pp. 637-653.
die Autoren Kreativität im Sinne von Nützlichkeit (z.B. Identifika-
tion von Verbesserungsmöglichkeiten bei einem Prozess) positiv
mit der Job Performance assoziiert, nicht jedoch mit Kreativität
im Sinne von Neuartigkeit (z.B. Anwendung unkonventioneller
Lösungsansätze). Unter Berücksichtigung der subjektiv wahr-
genommenen Wertschätzung und Belohnung von Kreativität
vonseiten des Arbeitgebers ergab sich jedoch ein differenzier-
teres Bild: Wenn diese als hoch wahrgenommen wurde, bestand
ein positiver Zusammenhang zwischen Kreativität im Sinne von
Neuartigkeit und der Job Performance, was im Sinne der Theorie
auf eine stärkere Fokussierung der Mitarbeiter auf praktisch
verwertbare Ideen hindeutet. Umgekehrt hatte Kreativität im
Sinne von Nützlichkeit nur dann einen (positiven) Effekt, wenn
die Wertschätzung und Belohnung von Kreativität als niedrig
wahrgenommen wurde – bei einem hohen Level zeigte sich kein
Zusammenhang, was auf eine gewisse Ablenkung der Mitarbei-
ter zugunsten neuartiger Ideen hindeutet, die sich aber weniger
in der mit „harten“ Kriterien gemessenen Leistungsbeurteilung
niederschlagen.
Die Ergebnisse lassen einen gewissen Trade-off erkennen: Mit
entsprechenden extrinsischen Anreizen (z.B. frei verfügbare
Arbeitszeit für „Neues“, wie es z.B. bei Google üblich ist) kann
die Generierung neuartiger Ideen und Problemlösungsansätze
zwar so gelenkt werden, dass die Ergebnisse für die Organisation
verwertbar sind; auf der anderen Seite muss jedoch in Kauf ge-
nommen werden, dass sich Kreativität im Sinne der Generierung
nützlicher, praktisch verwertbarer Ideen auch in geringeremMa-
ße in der eher kurzfristig orientierten, an „harten“ Kriterien wie
der Einhaltung von Budgetvorgaben oder Zeitplänen gemessenen
tatsächlichen Job Performance niederschlägt. Zusätzlich gilt es
zu bedenken, dass das allgemeine Verständnis von Kreativität
stärker Neuartigkeit als Nützlichkeit betont, sodass eingehend
untersucht werden muss, ob extrinsische Anreize zur Förderung
von Kreativität tatsächlich so wie intendiert von der Belegschaft
wahrgenommen werden.
Besprochen von
Benjamin P. Krebs
, Lehrstuhl International
Business, Universität Paderborn
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