PERSONALquarterly 4/2016 - page 58

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_FORSCHERPORTRÄT
PERSONALquarterly 04 /16
unterschiedlicher Ethnizität – Latinos, Chinesen, weißen und
schwarzen US-Amerikanern. Zurück in Deutschland lag Hop-
pes Ziel in Berlin. Zuerst übernahm sie 2010 eine Gastpro-
fessur an der Humboldt Universität, wechselte dann für ein
Semester an die Universität Koblenz-Landau, bevor sie 2011 in
die Hauptstadt zurückkehrte. Ihre wissenschaftlichen Arbeiten
am Institut für Psychologie wurden in dieser Zeit zwischen­
evaluiert. Ihre Veröffentlichungen zu Arbeit und Gesundheit
in renommierten internationalen und nationalen Zeitschriften
sowie Herausgeberwerken wurden als habilitationsäquiva-
lent anerkannt. Seit einem Jahr kann Annekatrin Hoppe als
Professorin noch selbstständiger ihre Forschungs- und Lehr­
interessen vorantreiben. Fit hält sie sich dafür mit Laufen und
dem Tanz-Kampfsport Capoeira – akrobatischen Schritten
und Sprüngen zu rhythmischer Musik, entwickelt von afrika-
nischen Sklaven in Brasilien. Derzeit verzichtet die sportliche
Professorin auf ihr Hobby, weil sie Mutter wird.
Diversität – ein sensibles Thema
Neben den Arbeitsbedingungen von Beschäftigten mit Migrati-
onshintergrund verfolgt sie zwei weitere Ziele: die Erforschung
von gesundheitsbezogenen Interventionen in der Arbeitswelt
und ihre Wirkung auf den Einzelnen sowie die Frage, wie
kulturelle Diversität das Wohlbefinden von Beschäftigten be-
einflusst. Ihre Forschung zeigt, dass unterschiedliche kultu-
relle Gruppen auch unterschiedlich auf Diversität reagieren.
Während Angehörige der Majorität – wie Personen ohne Mi-
grationshintergrund in Deutschland – eher gestresst und mit
geringerer Arbeitszufriedenheit auf hohe Diversität reagieren,
habenMinoritäten einen offeneren Zugang zu Diversität amAr-
beitsplatz. Hoppe: „Gesundheit und Arbeitszufriedenheit in di-
versen Teams zu beschreiben, das ist ein sehr sensibles Thema,
weil man durch die Rückmeldung von Unterschieden zwischen
Gruppen an Unternehmen auch Stereotype verfestigen kann.“
Studien in Branchen wie Pflege, Post und Logistik, in de-
nen Beschäftigte in den gleichen Jobs mit und ohne Migrati-
onshintergrund befragt und untersucht wurden, zeigen, dass
Handlungsspielraum Personen ohne Migrationshintergrund
mehr bringt als Migranten und dass die Unterstützung von
Vorgesetzten möglicherweise den Migranten eher nutzt. Hie-
raus jedoch zu schlussfolgern, dass Handlungsspielräume
oder Unterstützung vom Vorgesetzten nur für eine bestimmte
Gruppe eine wichtige Ressource seien, wäre zu kurzsichtig
gedacht. Von Maßnahmen für die ganze Belegschaft, etwa
Führungskräftetrainings mit einem Fokus auf Wertschätzung
oder zum Umgang mit Handlungsspielraum, profitieren alle
Beschäftigten. Insgesamt ist Annekatrin Hoppe sicher: „Gute
psychosoziale Arbeitsbedingungen sind eine Stellschraube,
um die Gesundheit von Beschäftigten zu erhalten.“
Forscherin Annekatrin Hoppe bearbeitet, wie schon in ihren
Postdoc-Zeiten, etliche Fragestellungen in größeren Teams. Mit
Kolleginnen an der Bundesagentur für Arbeitsschutz und Ar-
beitsmedizin, der Fachhochschule Ludwigshafen, der irischen
University of Limerick und der kanadischen Guelph University
untersuchte sie die Wirkung positiver Interventionen auf die
Gesundheit. Aktuell leitet sie ein Teilprojekt des mehrjährigen
Projekts Engage. Es geht um die Entwicklung einer Online-
Intervention zur Vermittlung von Arbeitsgestaltungs- und
Gesundheitskompetenz bei selbstgestalteten Arbeitsbedingun-
gen. Engage wird vom Bundesministerium für Bildung und
Forschung gefördert. Arbeitspsychologen und Informatiker der
Universität Hamburg und der Fachhochschule Lübeck sowie
die Beratungsunternehmen Gepro und Gitta machen mit. Die
Berliner untersuchen, wie tägliche Mikrointerventionen auf
Erholung wirken. Dabei nehmen die Übungen nicht mehr als
fünf Minuten in Anspruch und können somit leicht in den Ar-
beitsalltag integriert werden. Austausch mit Kolleginnen und
Kollegen erlangt Professorin Hoppe nicht nur in Forschungs-
projekten, sondern auch als Mitglied in Zusammenschlüssen
wie der internationalen Society for Occupational Psychology
(SOHP) und hierzulande der Fachgruppe Arbeits-, Organisa-
tions- und Wirtschaftspsychologie in der Deutschen Gesell-
schaft für Psychologie (DGPs), die arbeitswissenschaftliche
Erkenntnisse weltweit verbreiten will.
Weil die Arbeitspsychologie sehr anwendungsorientiert ist,
interessieren sich Studierende für das Fach, die später in die
Personalentwicklung wollen oder ins Gesundheitsmanage-
ment. Schon während des Bachelorstudiums und vertieft im
Masterstudium hören sie einiges zur Flexibilisierung von
Arbeit, zu arbeitspsychologischen Stressmodellen, Risikofak-
toren bei der Arbeit, Ressourcen und Bewältigungsstrategien
sowie dazu, wie Arbeit gestaltet sein muss, damit Gesundheit,
Leistung und Motivation stimmen. In den Veranstaltungen
werden die Studierenden selbst aktiv: Analysemethoden wie
Fragebogen, Interview und Beobachtungen sowie Trainings­
elemente werden praktisch erprobt – zum Beispiel im eige-
nen Arbeits- und Lebensumfeld. „Mit diesen Voraussetzungen
kommen die Absolventen schnell auf demArbeitsmarkt unter“,
sagt Hochschullehrerin Hoppe aus Erfahrung und schränkt
ein: „Sofern sie nicht unbedingt in Berlin bleiben wollen.“
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