DIE_WOHNUNGSWIRTSCHAFT 06/2016 - page 17

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ein Anruf des Mitarbeiters vom Gebäudema-
nagement beim für die Vermietung zuständigen
GWG-Teamleiter eine Selbstverständlichkeit. „Die
Frage war, wie vieleWohnungenwir kurzfristig zur
Vermietung an Flüchtlinge zur Verfügung stellen
könnten“, erklärt GWG-Teamleiter Daniel Köster.
„Wie haben dann unseren gesamten Bestand im
Hinblick auf Leerstände und deren Lage und Größe
untersucht und dabei aber auch diskutiert, wie der
Zuzug von Flüchtlingen gestaltet werden kann, so
dass das soziale Gefüge imQuartier stabil bleibt.“
Optimale Bedingungen
Schnell fiel zumindest als Startobjekt die Wahl
auf die Objekte in der Gustav-Heinemann-Straße.
Die 176 Wohnungen verteilt auf drei Gebäude
stammen aus den 1970er Jahren. Hier wohnen
750 Menschen aus mehr als 25 Nationen friedlich
zusammen. Rund 250 davon sind Kinder. Die Mie-
terschaft besteht aktuell inklusive Spätaussiedlern
und Flüchtlingen zu 90% aus Migranten. Vielfalt
und Toleranz werden hier gelebt.
Der Anteil der Transferleistungsempfänger liegt
bei 95%, weswegen schon früh entsprechende
Unterstützungsangebote geschaffen wurden:
Bereits seit 2003 gibt es in der Siedlung den Be-
wohnertreff Oase, ein 2-geschossiges Gebäude
mit Räumen für Angebote für die Anwohner. Die
Oase wird von drei Projektpartnern getragen: der
Diakonie Wuppertal, der Stadt Wuppertal und
der GWG. Die Partner teilen sich die Kosten des
Projektes. Hier gibt es schon lange Angebote für
Mieter, viele speziell auch für Migranten. Sprach-
kurse, Frauengruppe, Beratungsstunden finden
hier unter der Leitung eines Sozialarbeiters und
Ehrenamtlicher statt. Ein guter Ausgangspunkt
also, um ein Flüchtlingsprojekt „anzudocken“.
Rund 200 Flüchtlinge – vorwiegend aus Syrien,
Irak, Iran und Eritrea – sind aktuell in der Siedlung
untergebracht. Für sie ist die „Oase“ zentrale An-
laufstelle vor Ort. Die Mitarbeiter der Oase gehen
direkt auf die neu angekommenen Mieter zu und
informieren sie über das Angebot. Inzwischen
ist die Oase auch Treffpunkt für Ehrenamtler
aus dem Stadtteil geworden. Hier werden Pa-
tenschaften für die Flüchtlinge organisiert und
gesteuert. Paten begleiten und unterstützen
Flüchtlinge z. B. bei Behördengängen. Der Be-
wohnertreff ist bei allemDreh- und Angelpunkt.
Es werden Wünsche, Fragen und Probleme ge-
sammelt und Lösungen angeschoben. Auch der
Kontakt zum städtischen Ressort „Zuwanderung
und Integration“ sowie zum GWG-eigenen Sozi-
alarbeiter ist eng.
Hilfreiche Sprachkenntnisse
Trotzdem ist natürlich auch das Leben in der
Gustav-Heinemann-Straße nicht konfliktfrei.
Die „klassischen Nachbarschaftsthemen“ wie
Mülltrennung, Putz- und Lüftungsverhalten oder
Ruhestörung gibt es natürlich hier ebenfalls. Men-
schen, die gerade in Deutschland angekommen
sind, kennen sich mit solchen – in Deutschland
sehr spezifisch geregelten – Themen teilweise
nicht aus. Bei Schwierigkeiten hilft ein beson-
derer Akteur: Objektbetreuer Sabri Capar. Ca-
par ist Kurde und 1994 selbst aus seiner Heimat
geflüchtet. Seit 2004 ist er GWG-Mieter in der
Gustav-Heinemann-Straße. Er spricht Deutsch,
Türkisch, Kurdisch und Arabisch. Die GWG stellte
Sabri Capar zunächst 2014 als Minijobber an und
hat sich wegen des großen Erfolges im Herbst
2015 entschlossen, ihm eine zunächst bis 2018
befristete 35-Stunden-Stelle zu geben. „Herr
Capar war für uns ein absoluter Glücksgriff“, er-
klärt GWG-Geschäftsführer Oliver Zier. „Er ist mit
seinen Sprachkenntnissen und seiner freundlichen
Art ein großartiger Vermittler zwischen uns und
den Flüchtlingen.“
Sabri Capar kommt schwerpunktmäßig in der
Siedlung Gustav-Heinemann-Straße zum Ein-
satz, aber auch in anderen Siedlungen mit hohem
Flüchtlingsanteil. Er bietet imBewohnertreff eine
Sprechstunde an, klärt nachbarschaftliche Prob-
leme vor Ort und erläutert deutsche Regeln und
Gepflogenheiten. Bei Nachbarschaftsbeschwer-
den spricht er die Mieter in ihrer Muttersprache
an und stößt mit seinen Erklärungen fast immer
auf offene Ohren. In der Regel hört er zur Ant-
wort: „Das wussten wir nicht.“ Da, wo er Defizite
erkennt, vermittelt er den Kontakt zur Oase – sei
es, dass Spenden gebraucht werden oder dass ein
Beratungsbedarf besteht. Die Oase kümmert sich
dann wieder um die entsprechenden Angebote.
Dass das Modell ankommt, zeigt sich auch daran,
dass viele Flüchtlinge aus den Übergangswohnun-
gen später selbst eine Wohnung in der Siedlung
anmieten möchten.
„In der Gustav-Heinemann-Straße gelingt die In-
tegration dadurch, dass viele Partner an einem
Strang ziehen: Stadt, Diakonie, Ehrenamtler, Be-
wohner und GWG. Auf lokaler Ebene lassen sich
solche Kooperationen besonders gut organisieren.
Voraussetzung ist ein gutes Konzept und ein pro-
fessionelles Soziales Management“, ist sich Oliver
Zier sicher.
Weitere Informationen:
Neubau und Sanierung
Energie und Technik
Rechtssprechung
Haufe Gruppe
Markt undManagement
Stadtbauund Stadtentwicklung
Viele Partner ziehen an
einem Strang: GWG-
Geschäftsführer Oliver
Zier (o. r.) im Gespräch
mit den Sozialarbeitern
von Diakonie und GWG
und dem Diakonie-
Bereichsleiter
Sabri Capar vermittelt als
GWG-Objektbetreuer mit
türkischen, kurdischen
und arabischen Sprach-
kenntnissen
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