editorial
wirtschaft + weiterbildung
01_2019
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Wie das Leben so spielt, fiel mir das im letzten Sommer veröffentlichte
Buch „Die Treuhand“ von Marcus Böick in die Finger. Die Treuhand war
von 1990 bis 1995 eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit der Aufgabe,
die „volkseigenen“ Betriebe der zentralwirtschaftlich organisierten DDR
zu privatisieren.
Für diese Aufgabe gab es auf der ganzen Welt keine Vorbilder.
Aus westdeutscher Sicht war die Treuhand nur irgendeine Abwicklungs-
behörde, aus Sicht der meisten Ostdeutschen betrieb diese Institution
den als Demütigung erlebten Ausverkauf der DDR. Das Buch befragt die
ehemaligen Mitarbeiter der Treuhand nach ihren Erinnerungen.
Wie wurden sie ausgewählt? Wie organisierte man sich? Wie wurden
Entscheidungen gefällt?
Das Fazit des Buchs sollte alle Personal- und Organisationsentwickler
aufhorchen lassen: Die Belegschaft der Treuhand war allem Anschein
nach von der Komplexität der Aufgabe komplett überfordert. Die
Politiker setzten sie außerdem ohne Rücksicht unter Zeitdruck und
erwarteten, dass die Treuhand im Sinne der Überlegenheit der
Marktwirtschaft alles „im Griff“ haben müsse. Wie hätte man als
Treuhand mit dem eigenen Nichtwissen umgehen sollen? Hätte es
geholfen, wenn Wessis und Ossis sich gegenseitig ihre Ratlosigkeit
eingestanden und Schritt für Schritt um Lösungen gerungen hätten?
Wenn heute Unternehmen mit ihren Kunden gemeinsam Probleme
bearbeiten, für die es bislang noch keine Lösungen gibt, dann setzen sie
bei der Suche nach dem Neuen auf agile Prinzipien und agile Tools. Statt
auf veraltetes Erfahrungswissen zu pochen, nimmt man sich Zeit zum
aktiven Experimentieren. Die Treuhand setzte zu ihrer Zeit allzu oft auf
endgültige Sofortentscheidungen und lineare Auswege. Wir sollten ruhig
einmal dankbar sein, dass wir im Laufe der Jahre etwas umsichtiger
wurden im Umgang mit der Unsicherheit.
Umgang mit Unsicherheit
Viele Inspirationen mit
unserem neuen Heft
wünscht
Martin Pichler, Chefredakteur
