grundls grundgesetz
Boris Grundl
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wirtschaft + weiterbildung
06_2017
Inzwischen ist jedem klar, dass die Digitalisierung
unser Leben tief greifend verändert. Die einen
hassen den Siegeszug der Nullen und Einsen und
verurteilen die autistischen Smartphone-Tipper als
moderne Zombies. Die anderen huldigen der digi-
talen Transformation wie einer Sekte. Lassen Sie
uns der Sache auf den Grund gehen.
Gestern und heute besteht das Web aus einer Ver-
netzung von Rechnern, die binär kommunizieren.
Mit deren Zahl stiegen Tempo, Datenmenge und
Verknüpfungen ebenso rasant. Um mehr Bedürf-
nisse für besseren Absatz gezielt zu bedienen,
wurde immer zielgruppenspezifischer produziert.
Komplexität und Veränderungstempo nahmen
exponentiell zu. Heute drängen sich die Daten
autobahnen als Lösungshighways für alle großen
und kleinen Herausforderungen auf.
Das Problem: Alles musste in Nullen und Einsen
verpackt werden – die Digitalisierung war geboren.
Was heute mit Fotos, Musik und Kommunikation
passiert, ist längst kalter Kaffee. Die Digitalisierung
macht ungeahnte Dienste, Produkte, Informatio-
nen und Mobilität möglich. Ob autonomes Fahren,
vergessener Parkplatz oder niedriger Blutzucker-
spiegel: Die Möglichkeiten sind schwindelerregend.
Viele machen Sinn, andere nicht. Doch die Wucht
dieser Ideen trifft jeden von uns. Ob gewollt oder
nicht. Wie beim „Mensch ärgere dich nicht“. Sie kön-
nen sich am Spiel erfreuen und seine Spielregeln
nutzen oder sich über sie beschweren. Welche
Sichtweise klüger ist, entscheiden Sie. Ich möchte
noch eine weitere Sichtweise ins Spiel bringen.
Denn auch die Digitalisierung schafft am Ende nur
Produkte, die ein Mensch kaufen möchte – egal ob
vernünftig oder nicht. Fast immer geht es dabei um
Emotionen, die unser Leben ausmachen. Es geht
also nicht um die Menge der Atemzüge, die wir tun,
sondern um die Zahl atemberaubender Momente in
unserem Leben. Welch wunderbare Orientierungs-
hilfe. Immer wieder läuft sie auf die Frage nach
„Herr oder Sklave“ hinaus.
Sind wir Herr oder Sklave unseres Smartphones und
des Zwangs zur ständigen Erreichbarkeit? Herr oder
Sklave unserer Ziele? Unseres Perfektionismus?
Der Digitalisierung? Ja, Herr oder Sklave unseres
Lebens? Selbstverantwortung ist bei diesen FRagen
der Schlüssel. Wie viel Einfluss gewähre ich den
Umständen, die an mir zerren und wie begegne ich
ihnen? Kurz: Wie clever nutze ich die Digitalisierung
für mein Leben? Ein Beispiel aus dem Führungsall-
tag: Heute leiten Führungskräfte immer mehr über
Distanz. Daher rührt der überall wachsende Wunsch
nach autonom agierenden, hoch selbstverantwort-
lichen Menschen.
Doch wir wissen alle ganz genau, wie schwer sie zu
finden sind. Weil aber Führen ein emotionaler Akt
ist, sollten wir unsere Kommunikationsme-
dien entsprechend wählen. Das persön-
liche Gespräch im selben Raum bringt die
größte emotionale Bindung. Skype redu-
ziert diese Emotionen, Telefon und Schrift-
verkehr noch mehr. Ein Eins-zu-eins wirkt
intensiver als in der Gruppe. Wenn Sie der Wirkung
dieser Kanäle sensibel Rechnung tragen, nutzen Sie
die digitalen Werkzeuge clever.
Bitte beobachten Sie, in welchen Momenten Sie
Herr oder Sklave sind. Werden Sie sich über die Aus-
löser klar. Je bewusster Sie „Herr“ werden, desto
stärker werden Sie. Je stärker Sie auf diese Weise
werden, desto mehr können Sie andere stärken.
Paragraf 56
Von Digitalisierung
nicht versklaven
lassen
Boris Grundl ist Managementtrainer und Inhaber der Grundl Leadership Akademie, die Unternehmen befähigt, ihrer Führungsverantwortung gerecht zu werden.
Grundl gilt bei Managern und Medien als „der Menschenentwickler“ (Süddeutsche Zeitung). Sein neues Buch heißt: „Mach mich glücklich. Wie Sie das bekommen,
was jeder haben will“ (Econ Verlag 2014, 246 Seiten, 18 Euro). Boris Grundl beweist, wie leicht und schnell das Verschieben von Verantwortung in eine
zerstörerische Sackgasse führt und die persönliche Weiterentwicklung und damit Glück verhindert.
Zählen wir nicht unsere Atemzüge,
sondern die Zahl atemberaubender
Momente in unserem Leben.
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