wirtschaft und weiterbildung 5/2016 - page 64

grundls grundgesetz
Boris Grundl
64
wirtschaft + weiterbildung
05_2016
Wenn ein Terrier in „sein“ Stöckchen beißt, dann
verschmelzen Wille und Jagdleidenschaft – so, als
sei das Stöckchen das Begehrenswerteste der Welt.
Natürlich ist diese extreme Identifikation mit einer
Aufgabe dem Menschen eher fremd. Positiv nennen
wir diesen Zustand übrigens „Flow“. Das Problem:
Was, wenn Sie sich in etwas verbissen haben, das
den Kampf nicht lohnt? Etwa eine Detailbesessen-
heit, die für das Endergebnis unwichtig oder gar
hinderlich ist? Oder das Festhalten an einem Pro-
dukt, das längst in die Ahnengalerie gehört? Oder
negative Gefühle jemandem gegenüber, der Ihnen
Schmerz zufügte?
Und umgekehrt: Wie oft lassen Sie zu früh los? Aus
Bequemlichkeit? Vielleicht, weil die Umsetzung
eines Kundenbedürfnisses intern Staub aufwirbeln
würde? Oder weil Ihr Harmoniestreben notwendige
Auseinandersetzungen scheut? Denken Sie an
Begeisterungstypen, die dem „Zauber des Anfangs“
die Qual des „zu Ende Bringens“ verweigern? Da
wird jede Ausrede willkommener als Regen in der
Sahara. Diese Beispiele zeigen, wie sehr es beim
entschlossenen Handeln auch auf die Qualität des
bewussten Loslassens ankommt.
Ein anderer Fall: Paviane sind extrem neugierig und
lieben Melonensamen. Das afrikanische Volk der
Malachahadi nutzt das, um die Affen zu fangen,
damit diese sie zu verborgenen Wasserstellen
führen. Die Jäger bohren ein Loch in einen Termiten-
hügel und legen eine Handvoll Samen hinein. Der
gierige Pavian greift hinein und packt zu. Um nichts
in der Welt würde er den Imbiss loslassen – selbst
dann nicht, wenn die Fänger nahen. Sein Problem:
Die geschlossene Faust passt nicht durch die Öff-
nung, aber den Schatz aufzugeben, verbietet ihm
seine Gier.
Worauf ich hinauswill? Auf eine Balance zwischen
entschlossenem Handeln und klugem Loslas-
sen. Es gibt Menschen, die ständig mehr in ihren
geistigen Kleiderschrank packen, ohne
dafür ein paar alte Sachen auszuräumen
(loszulassen). Sie packen sich voll, bis sie
platzen. Sie platzen mental. Und dann
gibt es Menschen, die mit dem Loslassen
keine Probleme haben, weil sie selten
richtig zupacken und Verantwortung übernehmen.
Auf den richtigen Mix kommt es an. Als Leser dieser
Kolumne gehören Sie eher zu den Überladern als zu
den Unterladern. Nicht wahr?
Was kann helfen? Heutzutage sind Veränderung,
Transparenz und Tempo unsere ständigen Begleiter.
Deshalb müssen wir unterwegs permanent nach-
justieren, gegensteuern und Überflüssiges schnell
loswerden. Neue Güter aufnehmen und Ballast
entsorgen. Wir müssen klug wenige, dafür entschei-
dende Prioritäten setzen. Doch leicht wird aus weni-
ger viel zu viel. Manchmal ist die Zeit vielleicht noch
nicht reif für das, was wir wollen. Parken Sie es als
„Noch-nicht“, statt es zum „Niemals“ zu stempeln.
Denn das „Nie“ frustriert.
Haben wir aber endlich zugepackt, scheint das
Loslassen sogar die größere Kunst. Wie das geht?
Suchen Sie den Ursprung ihres unbewussten
Reinsteigerns: „Woher kommt das?“ Klären Sie
die Perspektive: „Wohin führt es?“ Der Pavian ist
verdammt dazu, sich ausnutzen zu lassen, weil er
niemals loslässt. Das sind Sie nicht. Nutzen Sie die
größte Gehirnleistung des Menschen, das Verges-
sen, ganz bewusst. Lassen Sie los, was Sie unnütz
belastet. Wie befreiend!
Paragraf 45
Lass öfter los!
Boris Grundl ist Managementtrainer und Inhaber der Grundl Leadership Akademie, die Unternehmen befähigt, ihrer Führungsverantwortung gerecht zu werden.
Grundl gilt bei Managern und Medien als „der Menschenentwickler“ (Süddeutsche Zeitung). Sein neues Buch heißt: „Mach mich glücklich. Wie Sie das bekommen,
was jeder haben will“ (Econ Verlag 2014, 246 Seiten, 18 Euro). Boris Grundl beweist, wie leicht und schnell das Verschieben von Verantwortung in eine
zerstörerische Sackgasse führt und die persönliche Weiterentwicklung und damit Glück verhindert.
Auf eine Balance zwischen
entschlossenem Handeln und klugem
Loslassen kommt es an.
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