wirtschaft und weiterbildung 7-8/2015 - page 64

grundls grundgesetz
Boris Grundl
64
wirtschaft + weiterbildung
07/08_2015
Jede Veränderung in einem Unternehmen betrifft
immer auch Menschen. Dadurch werden tiefgrei-
fende Veränderungen zu einer psychischen Mam-
mutaufgabe. Warum? Der Mensch ist in seiner
Psyche fein ausbalanciert – ähnlich einem Schlaf-
wandler auf dem Dachfirst mit einer langen Balan-
cierstange, auf der links und rechts seine Gewohn-
heiten sitzen. Je heftiger die Veränderungen, desto
instabiler wird das Konstrukt. Darin sind wir alle
gleich. Wer das weiß und vor allem berücksichtigt,
liegt weit vorne.
Gewohnheiten sind ihrem Wesen nach weder gut
oder schlecht. In Form „positiver Rituale“ schen-
ken sie der Seele Stabilität und Orientierung und
regulieren die Psyche. Beobachten Sie, wie oft
Menschen Abläufe automatisieren – wie etwa ein
„Cappuccinoritual“ und wie das Gehirn so in den
neurologisch effizienten Automatikmodus schaltet.
Ein beruhigender Gegenpol zur schnelllebigen, hek-
tischen Zeit von heute. Es existieren hilfreiche oder
hinderliche Gewohnheiten – solche, die uns auf
dem Weg zu besseren Ergebnissen unterstützen
oder uns im Weg stehen.
Doch einfach nur eine Gewohnheit ablegen, funkti-
oniert nicht. Wie bei der Balancierstange. Einfach
etwas sein zu lassen, führt dazu, Schlagseite zu
kriegen. Deshalb gilt: auswechseln und ersetzen!
Wer weniger Kaffee trinken möchte, könnte dafür
mehr Wasser trinken, der neugeborene Nicht-
raucher mit dem Joggen anfangen. Und wer aus
Gewohnheit schlecht über andere redet, könnte
durch ein Erfolgsjournal sein Selbstwertgefühl
anheben, um andere nicht dauernd abwerten zu
müssen.
Eine von mir oft angewandte Technik kann helfen,
hemmende Angewohnheiten zu analysieren und zu
ersetzen. Zuerst fixieren Sie schriftlich,
welcher Schaden durch die Gewohnheit
entsteht: kurz-, mittel- und langfristig.
Malen Sie ein Horrorszenario. Dieser
Schmerz hilft. Dann überlegen Sie, mit
welchem nutzbringenden Ritual Sie Ihre
schlechte Gewohnheit ersetzen und über-
winden können. Wenn Sie beispielsweise
nachts gelangweilt durchs TV-Programm
zappen, könnten Sie sich klar machen, wie viel
Frust und wachsende Stagnation das bedeutet.
Was für ein Schmerz! Nehmen Sie stattdessen
tolle, informative Sendungen auf oder leihen diese
aus, damit Sie, wenn der Schlaf noch fehlt, ihren
Geist zumindest mit sinnvollen Dingen füttern. Das
funktioniert!
Rechnen Sie im Umsetzungsprozess mit Wider-
stand – bei Ihnen, aber auch bei anderen. In
den ersten drei Wochen fällt alles Neue schwer.
Danach, im ersten Jahr, ein Mal die Woche, später
maximal noch zwei Mal im Monat. Planen Sie das
ein. Die gute Nachricht: Es gibt einen Königsweg
bei Veränderungsprozessen. Verlieben Sie sich in
das Ergebnis, nachdem die Veränderung erfolgreich
umgesetzt wurde. Erscheint einfach, ist es jedoch
nicht. Wer sich etwa in den entspannteren Umgang
mit Kunden durch besseres Beschwerdemanage-
ment verliebt, dem fällt der Einsatz für diese Ver-
änderung leichter. Und das gilt immer: Liebe das
Ergebnis und der Wandel fällt leicht. Probieren Sie
es doch einfach mal aus.
Paragraf 37
Ergebnisse
lieben lernen
Boris Grundl ist Managementtrainer und Inhaber der Grundl Leadership Akademie, die Unternehmen befähigt, ihrer Führungsverantwortung gerecht zu werden.
Grundl gilt bei Managern und Medien als „der Menschenentwickler“ (Süddeutsche Zeitung). Sein neues Buch heißt: „Mach mich glücklich. Wie Sie das bekommen,
was jeder haben will“ (Econ Verlag 2014, 246 Seiten, 18 Euro). Boris Grundl beweist, wie leicht und schnell das Verschieben von Verantwortung in eine
zerstörerische Sackgasse führt und die persönliche Weiterentwicklung und damit Glück verhindert.
Wer aus Gewohnheit schlecht über
andere redet, könnte durch ein
Erfolgsjournal sein Selbstwertgefühl
anheben, um andere nicht abwerten
zu müssen.
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