fachliteratur
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wirtschaft + weiterbildung
05_2015
Die Menschheit, oder zumindest ein Teil von ihr, lebt
dauerhaft über ihre Verhältnisse – in vielerlei Hin-
sicht, sei es beim Konsum von Rohstoffen, der Aus-
beutung der Natur oder von Arbeitern in armen Län-
dern. Obgleich diese Erkenntnis nicht neu ist, gibt es
diesbezüglich kaum Fortschritte. Diesem Thema wid-
men sich nun die Professoren Christian Scholz und
Joachim Zentes in ihrem neuen Buch „Schizo-Wirt-
schaft“. Gegliedert ist es – ähnlich wie ein klassisches
Drama – in fünf Teile: eine Problemstellung („die Ge-
sellschaft ist außer Rand und Band“), zwei Beispiele
dafür, die alle angehen (erstens: ausbeuterische Be-
schäftigungsverhältnisse, zweitens: bewusst falsch
deklariertes (Pferde-)Fleisch), eine Analyse („Was ist
die verbindende Logik?“), die daraus resultierende
Konsequenz („Umkehr und neue gesellschaftliche
Realität“) und ein Fazit („die neue Lebensqualität“).
Ob daraus letztlich eine Tragödie mit katastrophalem
Ausgang oder eine Komödie mit versöhnlichem Ende
wird und ob der Leser geläutert aus der Lektüre her-
vorgeht, entscheidet er selbst – denn er ist gleich-
zeitig selbst in unterschiedlichen Rollen Protagonist
des Buchs: als Unternehmer, der immer günstiger
produzieren und Gewinn machen will; als Mitarbei-
ter, der beste Arbeitsbedingungen und gleichzeitig
viel verdienen will; als Kunde, der billig und bequem
Qualität kaufen will; und als Bürger, der die Zukunft
der Kinder sichern und die Umwelt retten will, wie
Scholz und Zentes schreiben. Die vielen, teilweise
widersprüchlichen Anforderungen zeigen: Wer all
dies will, agiert „gespalten“. Davon leiten die Au-
toren den Begriff „Schizo“ ab: „Wir leben in einer
Schizo-Wirtschaft, in der das eigene Handeln nicht
den Normen entspricht, an denen man das Handeln
der Anderen misst oder die man selbst angeblich ein-
hält“, so Scholz und Zentes. Als Therapie fordern
sie nichts Geringeres als ein radikales Umdenken
aller Wirtschaftsakteure. Dabei soll nicht nur an den
Symptomen herumgedoktert werden; vielmehr soll
das Handeln selbst als Therapie wirken.
„Schizo-Wirtschaft“ ist ein starkes Buch mit einer
starken Botschaft, die wachrüttelt – hoffentlich nicht
nur bis kurz vor der nächsten wirtschaftlichen Ent-
scheidung.
Happy End hängt vom Leser ab
WIRTSCHAFTSKRITIK
Christian Scholz und Joachim Zentes
Schizo-Wirtschaft: Nur radikales Umdenken
und Andershandeln kann uns helfen, Campus,
Frankfurt 2015, 280 Seiten, 24,99 Euro
Die beiden Autoren sind Professoren für Betriebswirt-
schaftslehre an der Universität des Saarlandes und
Direktoren des dortigen Europa-Instituts. Zudem lei-
ten sie das MBA-Programm der Universität. Beide sind
auch neben ihrer universitären Tätigkeit aktiv: Scholz
unter anderem als Kolumnist und Blogger („Per Anhal-
ter durch die Arbeitswelt“) und Zentes unter anderem
als Mitherausgeber der Fachzeitschrift „Marketing ZFP
– Journal of Research and Management“.
Christian Scholz
und Joachim
Zentes
AUTOREN
Fotos: campus Verlag