WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 6/2019 - page 2

BUNDESPOLITIK
ENERGIE
Gefahr von massiven Grundsteuererhöhun-
gen in den sowieso schon belasteten Bal-
lungsräumen, vor allem beim bezahlbaren
Mietwohnungsbau. Die dramatische Folge
wäre eine fortschreitende Gentrifizierung
in den beliebten Wohnquartieren“, warnte
der GdW-Chef. Notwendig ist dagegen ein
praktisch umsetzbares Modell, das Mieter
und Vermieter möglichst wenig belastet.
Das von der Wohnungswirtschaft gefor-
derte Flächenmodell hätte das auf unauf-
wändige Weise gewährleistet.
Zur Diskussion standen bislang ein flächen­
orientiertes sowie ein ertragswertorientiertes
Modell. Der GdW sowie weitere Vertreter
aus der Immobilienwirtschaft sowie renom-
mierte Wissenschaftler haben eindringlich
an die Politiker appelliert, sich auf ein prak-
tisch umsetzbares Modell zu einigen, wel-
ches Mieter und Vermieter möglichst wenig
belastet. Das kann nur ein Flächenmodell
sein. Die nun vorgesehenen Eckpunkte ori-
entieren sich dagegen am ursprünglichen
Entwurf von Bundesfinanzminister Olaf
Scholz (SPD). Die Union hat deutliche Anpas-
sungen der Eckpunkte im weiteren Verlauf
der Abstimmung angekündigt.
Die Grundsteuer muss spätestens bis zum
31. Dezember 2019 reformiert werden,
da das Bundesverfassungsgericht das Sys-
tem der Grundsteuer im April 2018 für
verfassungswidrig erklärt hatte. Wenn
dies gelingt, dürfen die derzeit geltenden
Regeln für weitere fünf Jahre, längstens
aber bis zum 31. Dezember 2024, ange-
wandt werden.
„Ein rein wertorientiertes Modell kann
nicht die Lösung sein“, so GdW-Präsident
Gedaschko. Die Wohnungswirtschaft for-
dert die Politik für das weitere Gesetzge-
bungsverfahren auf, die Vorteile des Flä-
chenmodells zu berücksichtigen und bei
der Grundsteuer insbesondere die Grund-
stücks- und Gebäudeflächen in den Blick zu
nehmen. Eine Ergänzung um Lagefaktoren
kann je nach Ausgestaltung hier eine sinn-
volle Ergänzung sein.
(schi)
Fortsetzung von Seite 1
Klimaschutz durch bewusstes Heizen –
Allianz legt Forschungsergebnisse für Mehrfamilienhäuser vor
Berlin – Eine Kombination von technischen Maßnahmen, klimabewusstem individuellen Heiz- und Lüftungsverhalten der
Gebäudenutzer sowie eine dieses Verhalten unterstützende Regelung und Steuerung der Heizungsanlagen können dazu
beitragen, den Heizenergieverbrauch in Mehrfamilienhäusern um bis zu 26 Prozent zu senken. Mit den richtigen tech­
nischen Rahmenbedingungen in den Gebäuden und dem Ineinandergreifen der technischen und verhaltensorientierten
Maßnahmen zur Verbrauchsreduzierung kann der Klimaschutz punkten. Potenziale schlummern etwa in einer verbesser­
ten Betriebsführung der bestehenden installierten Heizungs- und Trinkwarmwasseranlagen und der Verbesserung des
hydraulischen Verteilsystems, verbunden mit einer smarten Raumtemperatursteuerung. Dabei sind verschiedene Erfolgs­
faktoren zu beachten.
Das sind die Ergeb-
nisse eines großan-
gelegten, wissen-
schaftlich begleiteten
Praxistests, den die
„Allianz für einen klimaneutralen Wohnge-
bäudebestand“ seit Herbst 2016 über zwei
Heizperioden hinweg durchgeführt hat.
Rund 700 Wohnungen in Mehrfamilien-
häusern in ganz Deutschland waren Teil des
Versuchs, über 13 Milliarden Messwerte aus
über 5.700 Messstellen sind in die Ergeb-
nisse eingeflossen. Das Projekt ist damit
einer der umfassendsten bisher in Deutsch-
land durchgeführten Praxistests zum Thema.
Mehrfamilienhäuser regeltechnisch
anspruchsvoll
Im Projekt konkret untersucht wurden
die Auswirkungen ausgewählter gering­
investiver technischer Maßnahmen zur
Reduzierung des Wärmeverbrauchs bezie-
hungsweise zur Verbesserung der ener-
getischen Effizienz der Wärmeverteilung.
Zu den untersuchten Maßnahmen gehör-
ten der hydraulische Abgleich, lokal pro-
grammierbare smarte Heizkörperther-
mostate – „Smart Home“-Systeme zur
Einzelraumtemperatursteuerung – und
die regelmäßige Information der Bewoh-
ner über ihren Wärmeverbrauch mittels
einer Verbrauchsanzeige-App oder Por-
talanwendung. Weiterer Gegenstand des
Forschungsprojektes waren die Wechsel-
wirkungen der einzelnen Maßnahmen
untereinander, die Wirkung der optimier-
ten Einstellung der Wärmeerzeugungsan-
lage sowie die Unterstützung der Mieter
bei der Wohnraumlüftung. Bei Letzterem
lag der Fokus auf dem bedarfsgerechten
Lüften zur Schimmelvermeidung. Gemein-
sam mit den wichtigen Handlungsfel-
dern „optimierte Heizungssysteme“ und
„verbesserte Raumtemperatursteuerung“
zeigte die Studie auch, dass die Komple-
xität der Wärmeversorgung von Mehrfa-
milienhäusern oft unterschätzt wird. Die
untersuchten Heizungsanlagen waren im
Durchschnitt mehr als 18 Jahre alt und
meist größer dimensioniert als es für den
aktuellen Status der Gebäudehülle not-
wendig wäre. Die Ansprüche der Mieter
an den thermischen Komfort sind sehr
individuell. Die vorhandene Technik der
Heizungsanlagen und deren hydraulische
Wärmeverteilsysteme machen es schwer,
den unterschiedlichen und auch wechseln-
den Ansprüchen gerecht zu werden. Den
Betrieb der verschiedenen Anlagenteile
aufeinander abzustimmen, ist nicht trivial.
Spürbare Heizenergieeinsparung auf
Wohnungsebene möglich
Die Studie, die als wissenschaftliches Koope-
rationsprojekt von der EBZ Business School
in Bochum geleitet und von der Techni-
schen Universität (TU) Dresden begleitet
wurde, zeigte, dass Energieeinsparungen
auf Wohnungsebene von im Mittel 26 Pro-
zent möglich sind, wenn die Bewohner ein
homogenes Heizverhalten besitzen, smarte
Heizkörperthermostate bestimmungsge-
mäß nutzen, zuvor in dem Gebäude ein
hydraulischer Abgleich des Verteilsystems
erfolgt ist und der Wärmeerzeuger opti-
mal betrieben wird. Zu diesem optimierten
Betrieb gehören als Erfolgsfaktoren unter
anderem auch, dass die Vorlauftemperatur
der Anlage auf den Wärmebedarf ange-
passt ist sowie der sachgerechte Betrieb
möglichst regelmäßig kontrolliert und
sichergestellt ist, um die einmal optimierte
Fahrweise dauerhaft zu gewährleisten. Die
gemessenen Mehr- und Minderverbräuche
werden in Kürze in einem Fachpapier auf
zeigen die Untersuchungsergebnisse, dass
Smart-Home-Systeme zur Einzelraumtem-
peratursteuerung ihre grundsätzlichen Ein-
sparpotenziale heben können, wenn sie für
eine individuelle Absenkung der Raumtem-
peraturen auf Wohnungsebene genutzt
werden. Damit die Wohnungsnutzer ihre
individuelle Nacht- und Abwesenheitsab-
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