Wohnungspolitische Informationen 18/2019 - page 4

AUS DEN VERBÄNDEN
Christian Streim
, Vorsitzender des Vor-
stands von Haus & Grund Hessen, kritisierte
den von Bundesfinanzminister Olaf Scholz
vorgelegten Referentenentwurf zur Reform
der Grundsteuer: „Berechnungen unseres
Dachverbands zeigen, dass durch den Ent-
wurf teilweise drastische Steigerungen der
Grundsteuerbelastung zu erwarten sind.
Von der viel gepriesenen Aufkommensneut-
ralität der Reform kann nicht mehr die Rede
sein. Der nun eingeschlagene Weg führt in
die falsche Richtung.“ Haus & Grund Hes-
sen und der VdW südwest fordern statt-
dessen ein einfacheres und nachvollzieh-
bareres Modell, ohne Einbeziehung einer
wertabhängigen Komponente. „Wird der
Wert des Grundstücks in die Berechnung
der Grundsteuer einbezogen, droht sich
die Steuer mit steigenden Immobilienprei-
sen automatisch zu erhöhen“, ergänzte Dr.
Axel Tausendpfund
, Vorstand des VdW
südwest. „Einen solchen Steuer-Turbo und
damit einhergehende Mehrbelastungen
für Bürgerinnen und Bürger lehnen wir
angesichts von Rekordsteuereinnahmen
des Staates ab.“ Auch die von Teilen der
SPD, der Grünen und der Linken wieder-
holt ins Spiel gebrachte Abschaffung der
Umlagefähigkeit der Grundsteuer stößt bei
der Wohnungswirtschaft auf deutliche Kri-
tik. „Das hätte dramatische Folgen für die
Investitionsmöglichkeiten. Darf die Grund-
steuer nicht mehr umgelegt werden, fehlt
dieses Geld 1:1 für den Bau neuer Woh-
nungen oder für energetische Sanierungen
im Bestand. Nach unseren Berechnungen
würde das bedeuten, dass allein die im
VdW südwest organisierten Wohnungs-
unternehmen und die bei Haus & Grund
organisierten Eigentümer jedes Jahr rund
3.000 Wohnungen weniger bauen könn-
ten. Das kann angesichts des eklatanten
Wohnungsmangels niemand ernsthaft
wollen“, so Tausendpfund. Daneben müsse
auch der Zweck der Grundsteuer im Blick
behalten werden. Einnahmen aus der Steuer
dienen der Finanzierung von Infrastruktur
in der Kommune. „Es ist sachgerecht, dass
nur diejenigen die Grundsteuer zahlen, die
davon auch profitieren. Das sind ausschließ-
lich selbstnutzende Eigentümer oder Mie-
ter, nicht aber der außerhalb ansässiger Ver-
mieter. Mit dem Ende der Umlagefähigkeit
würde dieses Prinzip durchbrochen und eine
Vermögenssteuer durch die Hintertür einge-
führt. Dies dürfte verfassungswidrig sein“,
so Tausendpfund und Streim.
(mue/koch)
Grundsteuer: Mehrbelastung verhindern – Umlagefähigkeit erhalten
Frankfurt am Main – Der Verband der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft (VdW südwest) und Haus & Grund Hessen
fordern von der Politik ein einfaches, transparentes und für die Bürger verständliches Modell der Grundsteuer. Dieses
dürfe nicht zu Mehrbelastungen der Eigentümer und Mieter in Hessen führen. Die Verbände appellierten in Frankfurt
außerdem an die Politik, nicht an der Umlagefähigkeit der Grundsteuer zu rütteln. Die von VdW südwest und Haus &
Grund vertretenen Vermieter stellen in Hessen rund 90 Prozent des gesamten Mietwohnungsbestands.
Wahlkampf und Wohnungspopulismus in Thüringen –
nur eine korrekte Diagnose kann zu einer wirksamen Therapie führen
Erfurt – Der Verband Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (vtw) warnt eindringlich vor Wohnungspopulis-
mus im Wahlkampf. „Natürlich klingen einfache Formeln wie bezahlbares Wohnen, mehr Sozialwohnungsbau oder ein
neuer Staatsbetrieb immer gut. Aber es bringt nichts, Angst vor Problemen zu erzeugen, die es hier nicht gibt. Wenn
wir nicht die echten Schlüsselfragen Thüringens beantworten, bekommen wir tatsächlich ein Problem“, unterstrich Ver-
bandsdirektor Frank Emrich.
Erfurt und Jena sind nicht Berlin und Mün-
chen. In den Thüringer Städten gibt es laut
vtw nachweislich genügend verfügbaren
und bezahlbaren Wohnraum. Oberste Prio-
rität hat für den Verband deshalb eine sinn-
volle Strategie für einen funktionierenden
ländlichen Raum. Das bedeute Arbeits-
plätze und Infrastruktur in Form von ÖPNV,
Medizin, Handel & Breitbandanschlüssen.
Denn nur die Umsetzung dieser Aspekte
könne zukünftig den Druck von den Städ-
ten nehmen. Wenn die Städte zu stark
gefördert würden und der ländliche Raum
vergessen, spitze sich die bestehende Situ-
ation immer weiter zu: sinkender Leerstand
in den Städten, wachsender auf dem Land.
Schlüsselthema ländlicher Raum
Frank Emrich betonte noch einen ande-
ren Aspekt: „Wir müssen auch Politik für
die Thüringer außerhalb unserer großen
Städte machen. Wenn der ländliche Raum
nicht deutlich weiterentwickelt wird, fühlen
sich die Menschen dort abgehängt und das
ebnet den Weg für undemokratische Welt-
anschauungen. Ein Blick nach Sachsen zeigt,
wie schnell so etwas geht. Eine solche Ent-
wicklung wollen wir möglichst verhindern.“
Die Wohnungswirtschaft in Thüringen
engagiert sich bereits in umfangreichem
Maße für den gesellschaftlichen Zusam-
menhalt in Thüringen. Viele Unternehmen
übernehmen dabei kommunale und staat-
liche Aufgaben, die nichts mit dem eigent-
lichen Kerngeschäft Wohnraumversorgung
zu tun haben. Das betrifft vor allem die
Unterstützung von Senioren, die Integra-
tion von Flüchtlingen oder die Gewährleis-
tung von Ordnung und Sicherheit in den
Quartieren. Die Kosten dafür tragen letzt-
lich die Mieter. Der vtw fordert deshalb eine
ausreichende Ausstattung der zuständigen
Stellen mit Mitteln und Ressourcen, insbe-
sondere in den Bereichen Ordnung und
Sicherheit sowie Integration.
Nur eine korrekte Diagnose der spezifi-
schen Herausforderungen in Thüringen
kann zu einer wirksamen Therapie füh-
ren. Wichtige Punkte sieht der vtw in der
Schaffung von altersgerechtem Wohn-
raum für ein älter werdendes Thüringen,
eine ehrliche Benennung der Wohnkosten
unter anderem durch die Energiewende
und eine maßgeschneiderte Förderpolitik.
Ein weiterer zentraler Punkt sind konkrete
Ideen zur Umsetzung: „Wer bezahlba-
ren Wohnraum will, muss den Wählern
erklären, wie die Kosten für Wohnraum
sinken können“, so Frank Emrich. Bauen
und Modernisieren kostet viel Geld. Um
die Forderungen zum Beispiel nach Bar-
rierefreiheit und der Einhaltung von Kli-
mazielen zu erfüllen, werden gezielte För-
derungen notwendig, damit die Mieten
trotzdem bezahlbar bleiben. „Wir müssen
die Klimafolgen rechtzeitig angehen und
richtige Instrumente technisch und mate-
riell verfügbar machen“, so Frank Emrich
dazu. Weitere politische Hebel zur Kos-
tensenkung wären laut Emrich beispiels-
weise das Absenken der Grunderwerb-
steuer, besser ausgestattete Verwaltungen
oder günstige Baugrundstücke von Kom-
munen. Solche konkreten Maßnahmen
gehörten in die Wahlprogramme der Par-
teien – statt der plakativen Überschrift
„bezahlbarer Wohnraum“.
(bra/schi)
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