WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 13/2017 - page 6

AUS DEN VERBÄNDEN
Hessen: Mehr Wohnungen wären möglich –
Wohnraumförderung muss dafür aber dringend neu justiert werden
Wiesbaden – Alle Stellschrauben müssen dringend neu justiert werden, wenn die Hessische Wohnraumförderung effek-
tiv wirken soll. Zu diesem Ergebnis kommen die vier in der Arbeitsgemeinschaft der Wohnungs- und Immobilienverbän-
de Hessen (AWI-Hessen) zusammengeschlossenen Mitglieder nach einer gründlichen Analyse der bisherigen Förderpraxis
durch Hessens Staatsministerin Priska Hinz.
Vor allem müssten die Darlehen für die ein-
zelnen Projekte steigen. Die AWI fordert,
die Darlehenshöhe der Wohnraumförde-
rung von 1.600 Euro je Quadratmeter Flä-
che auf bis zu 2.000 Euro zu erhöhen. Auch
müssten die Zinsen von 0,6 auf null Pro-
zent gesenkt werden. Angesichts der nied-
rigen Zinsen auf dem freien Markt seien die
Zinskonditionen des Landes nicht attraktiv
genug. Ferner müsse es Tilgungszuschüsse
geben, die festgelegten Fördermieten den
Marktbedingungen angepasst und das
Fördervolumen verdoppelt werden. Nötig
seien darüber hinaus eine Baulandoffensive
und eine Offensive zur Senkung der Kosten
durch teure staatliche Auflagen und Vor-
schriften beim Bau.
Wohnraumförderung zu unattraktiv
„Unter den jetzigen Bedingungen ist die
soziale Wohnraumförderung in den meis-
ten Fällen für Investoren unwirtschaft-
lich und nicht attraktiv genug“, erklärte
der Vorsitzende der AWI-Hessen und
Geschäftsführer des BFW Landesverban-
des Freier Immobilien- und Wohnungs-
unternehmen Hessen/Rheinland-Pfalz/
Saarland,
Gerald Lipka
. Er forderte die
Landesregierung auf, auch private Woh-
nungseigentümer, die ihre Wohnungen
vermieten, in die Förderung einzubeziehen.
In Rheinland Pfalz und Baden-Württem-
berg sei dies so geregelt und trage erheb-
lich zur Entlastung bei. Die Antragstellung
müsse ebenfalls vereinfacht werden. Vor
allem kleinere Unternehmen seien mit den
komplizierten Prozessen häufig überfor-
dert. Bei der Förderung dürfe man nicht
nur an die Ballungsräume denken. Auch
ländliche Regionen müssten berücksichtigt
werden, um die Bevölkerung dort zu hal-
ten. „Wenn dies nicht geschieht, wird der
Druck auf die Ballungsräume noch stärker
zunehmen“, prophezeite Werner Merkel,
Vorstandsvorsitzender des Verbandes der
Immobilienverwalter in Hessen. Er forderte
neben einer verbesserten Förderung auch
die Senkung der Grunderwerbsteuer und
der Grundsteuer, da letztere gerade hier in
Hessen in den letzten Jahren um über 25
Prozent gestiegen sei. Ebenso wäre eine
Verbesserung der linearen Abschreibung
eine Art von Förderung, die ihre Wirkung
letztlich nicht verfehle, wenn diese ernst-
haft als Anreiz gesetzt würde.
Thorsten Stock
, Stellvertretender Vorsit-
zender des IVD Mitte, wies auf den drama-
tischen Rückgang der Zahl der Sozialwoh-
nungen in Hessen hin. In den vergangenen
25 Jahren habe deren Anzahl sich mehr
als halbiert. 1991 habe es in Hessen noch
knapp 206.000 Sozialwohnungen gege-
ben, 2015 nur noch 100.660. Die schwarz-
grüne Landesregierung habe das Ziel, bis
2019 12.000 neue Wohnungen zu för-
dern. Die unterschiedlichen Dimensionen
machten deutlich, dass der Rückgang nicht
annähernd aufgefangen werde. Mehr als
bedenklich sei außerdem, so die AWI-Spre-
cher, dass es 2016 beim Förderprogramm
„Mietwohnungsbau für mittlere Einkom-
men“ hessenweit keine einzige Anmeldung
gegeben habe. Auch beim Förderprogramm
„Modernisierung von Mietwohnungen“
sei das Anmeldevolumen stark rückläufig.
Von 15 Millionen Euro im Jahr 2013 sei die
Nachfrage 2015 auf zwei Millionen Euro
gesunken.
Masterplan „Wohnen für alle“
„Wenn bei einem Auto die Ventile falsch
eingestellt sind, dann braucht das Auto
zu viel Sprit und bringt nicht die volle Leis-
tung“, fasste der Verbandsdirektor des
Verbandes der Südwestdeutschen Woh-
nungswirtschaft (VdW südwest), Dr.
Axel
Tausendpfund
, die Lage zusammen. Tau-
sendpfund erneuerte seine Forderung nach
einemMasterplan „Wohnen für alle“. Dazu
müssten sich die verschiedenen Bündnisse
für Wohnen auf Landes- und Bundesebene
auf konkrete Zahlen beim Wohnungsneu-
bau festlegen. „Wenn jeder seien Beitrag
dazu leistet, können wir diese große Auf-
gabe gemeinsam stemmen.“
(fra/schi)
NACHRUF
Wohnungswirtschaft trauert um Dr. Karl-Heinz Peters
DieWohnungswirtschaft nimmt Abschied
von einer beeindruckenden Persönlich-
keit, die Berlin und die gesamte Branche
in besonderer Weise nachhaltig geprägt
hat. Dr. Karl-Heinz Peters war über 27
Jahre, von 1951 bis 1978, Vorstandsmit-
glied und Aufsichtsratsvorsitzender der
Gemeinnützigen Heimstätten-, Spar- und
Bau-Aktiengesellschaft (Gehag) in der
heutigen Bundeshauptstadt Berlin. Am
13. März 2017 ist Dr. Karl-Heinz Peters im
Alter von 105 Jahren verstorben.
In Dr. Karl-Heinz Peters vereinten sich
unternehmerischer Weitblick mit höchs-
ter städtebaulicher und sozialer Verant-
wortung. Sein Leben war bis ins hohe
Alter von geistiger Wachheit, wohnungs-
politischem Engagement und reger Neu-
gierde geprägt.
In jahrzehntelangem Wirken hat sich Dr.
Peters sehr um die Wohnungswirtschaft
der Hauptstadtregion verdient gemacht.
So ging beispielsweise die Initiative zum
Bau der Berliner „Gropiusstadt“ mit ihren
17.000 Wohnungen vor allem von ihm
aus: Er stellte auch den Kontakt zum
Architekten Walter Gropius her.
Darüber hinaus gehörte er zu den Grün-
dervätern der Deutschen Entwicklungs-
hilfe für Soziales Wohnungs- und Sied-
lungswesen (DESWOS).
In den wohnungswirtschaftlichen Ver-
bänden hat Dr. Karl-Heinz Peters in ver-
schiedenen Ämtern gewirkt und war
unter anderem langjähriger Vorsitzen-
der des Verbandsausschusses des Ver-
bandes Berlin-Brandenburgischer Woh-
nungsunternehmen (BBU). Für sein
beeindruckendes Lebenswerk wurde
er mit der Victor-Aimé-Huber-Medaille
des Spitzenverbandes der Wohnungs-
wirtschaft GdW, der höchsten Aus-
zeichnung der Wohnungswirtschaft,
geehrt.
In tiefer Dankbarkeit wird die Wohnungs-
wirtschaft ihm stets ein ehrendes Geden-
ken bewahren.
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