WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 13/2017 - page 2

Die niederländischen Wohnungsunter-
nehmen, vertreten durch ihren Woh-
nungsbauverband AEDES, hatten die EU-
Kommission verklagt, dass sie mit der
DAWI-Bestimmung von 2009 ihre Kom-
petenz überschritten habe, indem sie eine
europäische Definition des sozialen Woh-
nungsbaus in den Niederlanden einführte
und somit den Zugang zu sozialem Woh-
nungsbau auf benachteiligte Bürger sowie
sozial schwächere Gruppen einschränkte.
Die Bestimmung stieß in den Niederlan-
den auf großen Protest, da die niederlän-
dische Wohnungsbaupolitik bis dahin eine
Wohnraumversorgung für breite Schich-
ten der Bevölkerung vorsah und auf die
Entscheidung der EU-Kommission hin ein
Einkommenslimit für die Vergabe von Sozi-
alwohnungen von 33.400 Euro Haushalts-
einkommen im Jahr festgelegt wurde.
Auch für die deutsche Wohnungswirt-
schaft ist diese Entscheidung von großer
Bedeutung und stellt einen Teilerfolg auf
dem politischen Weg der Klarstellung dar,
wo die Kompetenzen für die Gestaltung
der Wohnraumversorgung in den Mit-
gliedstaaten und damit der Daseinsvorsor-
geaufgaben liegen. Investitionen der Mit-
gliedstaaten in den sozialen Wohnungsbau
sind generell von der Beihilfenotifizierung
der EU ausgenommen und werden damit
nicht als Beihilfen angesehen. Jedoch ist
die EU-Kommission bestrebt, die Definition
für die Zielgruppe des sozialen Wohnungs-
baus im Rahmen der Notifizierungsfreistel-
lung europäisch anzugleichen und damit
einzuengen. Der GdW und seine Partner
in Housing Europe, dem europäischen
Verband der Wohnungswirtschaft, setzen
sich auf europäischer Ebene dafür ein, die
Bestimmungen für die Zielgruppe des sozi-
alen Wohnungsbaus in der Kompetenz der
Mitgliedstaaten zu belassen. Das Gericht
der ersten Instanz – das EuG – wird den
Fall nun erneut verhandeln.
Das Urteil des EuGH finden Sie unter diesem
Kurz-Link:
EUROPAPOLITIK
Sozialer Wohnungsbau in Europa: Neues Urteil mit Signalwirkung
Brüssel – Nachdem vor fast zwei Jahren die niederländische Klage der Wohnungsgenossenschaften gegen die DAWI-Bestim-
mung – also über Dienstleistungen von Allgemeinem Wirtschaftlichem Interesse – gescheitert war, gibt es nun einen Funken
Hoffnung, dass der Fall erneut vom Gericht der Europäischen Union (EuG) untersucht werden muss. Der Europäische Ge-
richtshof (EuGH) urteilte am 15. März 2017, dass der vorliegende Streit an das Gericht zurückverwiesen werden muss.
Dr. Özgür Öner
Leiter des GdW-Büros
in Brüssel
ANALYSE
Foto: Sebastian Schobbert
gen an die Podiumsteilnehmer zu richten,
die dann in Echtzeit beantwortet wurden.
Diese Option fand großen Anklang und so
wurden im Verlauf des Abends zahlreiche
Fragen gestellt und diskutiert.
„Bauflächen sind das Nadelöhr für
bezahlbaren Mietwohnungsbau“
Zu den brennenden Themen der Diskussion
gehörten unter anderem die Schwierigkei-
ten der Wohnungsunternehmen bei der
Beschaffung von Bauflächen. Nur wenn sich
Bauflächen schneller, günstiger und unkom-
plizierter erschließen ließen, könne mehr
bezahlbarer Mietwohnungsbau realisiert
werden, so die einhellige Meinung der Dis-
kutanten. „Das ist das Nadelöhr für bezahl-
baren Mietwohnungsbau“, so Dr. Thomas
Hain (Nassauische Heimstätte). Auch der
Bieterwettbewerb um Grundstücke, bei
dem weiterhin in aller Regel der Höchstbie-
tende favorisiert werde, bereite Sorgen: „Oft
können die Unternehmen, die eigentlich das
sozialere Bebauungskonzept haben, beim
letzten Euro nicht mehr mitbieten“, so Hain.
„Wir brauchen eine Konzeptvergabe“. Die
aktuelle Situation verhindert den Bau des
so dringend benötigten Wohnraums im
mittleren und unteren Preissegment. „Es
gibt hier keine Wohnungspolitik aus einem
Guss“ so das Fazit von Moderator André
Tonn in diesem Punkt.
Mietpreisbremse = Wohnraum-
bremse?
Einigkeit herrschte unter den Diskussions-
teilnehmern auch bei der notwendigen
Zweckbindung der Mittel für die soziale
Wohnraumförderung, die der Bund noch
bis Ende 2019 an die Länder zahlt.
Beim Thema Mietpreisbremse taten sich
dagegen Gräben auf: Als „ordnungspo-
litisch fragwürdig“ bezeichnete sie Hain
und eine „Wohnraumbremse“ nannte sie
Sebastian Czaja (FDP). Sie umbauen und
nicht gänzlich abschaffen hingegen wollen
sie Caren Lay (DIE LINKE) und Chris Kühn
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Der Grünen-
Politiker sagte, er vermisse die eingebaute
Bremse und nannte das Gesetz „frust-
rierend“. Silvia Jörrißen (CDU) hingegen
machte klar, dass das Instrument nur zur
kurzfristigen Linderung von Symptomen
diene, aber nicht das ursächliche Problem
– den Wohnungsmangel in Ballungsräu-
men – lösen könne. Nur „bauen, bauen,
bauen“ helfe. Michael Groß (SPD) hinge-
gen forderte eine „Stärkung der sozialen
Funktion des Mietrechts“.
Angeregt durch die Frage eines Zuschauers
über die Live-Chatfunktion, diskutierten die
Podiumsteilnehmer auch über die Effekte
der erhöhten energetischen Anforderun-
gen auf die Bau- und Mietpreise. Sebas-
tian Czaja (FDP) forderte in diesem Zusam-
menhang eine im Gesetzgebungsprozess
zwischengeschaltete Überprüfung der Aus-
wirkungen solcher Regelungen auf „das
Gesamtanliegen des bezahlbaren Wohnens
bei gleichzeitiger Sicherstellung der Wirt-
schaftlichkeit für den Bauunternehmer“.
Wohnungsbau für alle
Eine weitere Zuschauerfrage, die während
der Liveübertragung gestellt wurde, drehte
sich um die Unterbringung der vielen nach
Deutschland geflüchteten Menschen, die
jetzt hier eine Wohnung brauchen. „Uns
ging es immer um Wohnungsbau für alle.
Jedes aufgelegte Programm hat den Bedarf
bei den Menschen im Blick gehabt, nicht
deren Herkunft“, sagte Michael Groß
(SPD). Caren Lay (DIE LINKE) ergänzte, dass
der „Mangel an Sozialwohnungen schon
lange vor der Ankunft der Geflüchteten“
ein Problem gewesen sei: „Das beobachten
wir seit 1990“, so Lay weiter. Die Flücht-
linge machen das Problem in Deutschland
noch deutlicher aber sie seien „mit Nichten
die Ursache dafür“.
Fortsetzung folgt
Der nächste WohWiTalk inklusive
Livestream und Chat findet am 2. Mai 2017
in Gelsenkirchen statt. Thema ist dann:
„Willkommenskultur für Bagger und Neu-
bau“.
(kön/schi)
der Wohnungswirtschaft zur Bundestagswahl
auf dem Laufenden. Hier können Sie vergangene
Talks nochmal ansehen
oder sich bei der nächs-
ten Ausgabe live dazu
schalten. Die Video-
Aufzeichnung des ersten
WohWiTalks gibt's auch
unter diesem QR-Code:
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