WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 41/2017 - page 4

AUS DEN VERBÄNDEN
Der ländliche Raum braucht Hilfe –
Südthüringens Wohnungsmarkt ist abgehängt
Suhl – Eine äußerst besorgte Lagebeschreibung des Wohnungsmarktes in Südthüringen und seines Oberzentrums Suhl
geben Reinhard Guhr, Verbandsdirektor der Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (vtw) sowie Frank Brösicke,
Vorstand der AWG „Rennsteig“ eG und Ralf Heymel, Geschäftsführer der GeWo Städtische Wohnungsgesellschaft Suhl,
am Rande der „WoWi-Tour 2017“ durch Südthüringen.
Allein die beiden großen Suhler Woh-
nungsunternehmen haben zwischen 1991
und 2017 ein Drittel ihres Bestandes abge-
rissen. Von 18.054 Wohnungen fielen
5.911 dem Einwohnerschwund zum Opfer.
Sie verloren durch Bevölkerungsrückgang,
Nichtvermietbarkeit und Abriss 130 Millio-
nen Euro Bilanzvolumen. Dennoch wuchs
in beiden Unternehmen seit 2013 der Leer-
stand in Suhl wieder um circa 3 Prozent
Punkte auf nun 13,7 Prozent im Fall der
GeWo beziehungsweise 11,4 Prozent bei
der AWG, Tendenz steigend. Ein ähnliches
Bild bietet ganz Südthüringen. Die Leer-
stände der vtw-Unternehmen liegen dort
bei 10,7 Prozent – die anderen ländlichen
Räume Thüringens folgen mit 9,9 Prozent.
Der Grund dafür: In Südthüringen besteht
für 75 Prozent dieser freien Wohnungen
keine Nachfrage. Auf ganz Thüringen
gerechnet betrifft das immer noch 48 Pro-
zent der Leerstände.
Strukturelle Hilfe notwendig
„Wir stehen im ländlichen Bereich vor einer
dramatischen Situation,“ unterstreicht
AWG-Vorstand Frank Brösicke, die von der
positiven Entwicklung in Jena, Weimar und
Erfurt überdeckt wird. Dass ohne struktu-
relle Hilfe keine Besserung in Sicht kommt,
zeigen die Mieten. Die durchschnittliche
Miete im Bestand der vtw-Unternehmen
Südthüringens beträgt lediglich 4,59 Euro.
Im Vergleich dazu liegen sie im Landkreis
gesamt bei 4,66 Euro und auf ganz Thü-
ringen gerechnet bei 4,85 Euro. Selbst die
Neuvertragsmieten liegen in Südthürin-
gen im Schnitt nur bei 4,97 Euro. GeWo-
Geschäftsführer Ralf Heymel erklärt: „Mit
diesen geringen Mieteinnahmen wird selbst
die Bewirtschaftung des vorhandenen
Wohnungsbestandes schwer. Eine Anpas-
sung der Wohnungen an den Bedarf einer
alternden Bevölkerung wie Barrierefreiheit
oder Aufzugeinbau ist nicht im erforder-
lichen Maße möglich, ebenso wenig wie
attraktiver Neubau, um Rückkehrer zu
gewinnen und Gutverdiener zu halten.“
Für Suhl formulieren die Unternehmenslen-
ker eine klare Aufgabe: Die Stadt muss den
eingeschlagenen Weg der Konzentration
auf stadtnahe Wohnstandorte fortsetzen
und für freifallende Flächen wirtschaftlich
nachhaltige Nutzungskonzepte entwerfen.
vtw-Verbandsdirektor Reinhard Guhr unter-
streicht: „Die Südthüringer Probleme sind
die Probleme aller ländlichen Räume Thürin-
gens. Der vtw steht deshalb zu einhundert
Prozent hinter den grundsätzlichen Forde-
rungen aus Südthüringen.“
(wol/koch)
Forderungen der Wohnungsun-
ternehmen in Südthüringen
• Die Bevölkerungs- und Haushalte-
entwicklung muss stabilisiert wer-
den. Dazu ist eine Entwicklungs-
perspektive 2035 durch das Land
und alle wesentlichen Akteure zu
entwerfen.
• Die Hauptakteure der Stadtent-
wicklung sind durch öffentliche
Mittel zu unterstützen. Neben dem
Abriss von Wohnungen betrifft
dies ebenso die Beseitigung und
den Umbau überflüssiger Infra-
struktur sowie Anpassungen an
die sich wandelnde Bevölkerungs-
struktur.
• Wegen der durch zu geringe Ein-
kommen begrenzten Mietbelas­
tungsfähigkeit müssen unrentierli-
cheKosten für Barriere-Reduzierung
durch Zuschüsse gedeckt werden.
Zur Verhinderung einer weite-
ren Verödung der Städte durch
leerstehende Gebäude müssen
auch erforderliche Abrisse durch
Zuschüsse vollständig gefördert
werden!
Hessische Wohnungswirtschaft fordert von Politik Vorfahrt für den
Wohnungsbau
Marburg – In vielen deutschen Städten ist die Lage auf den Wohnungsmärkten angespannt. Es gibt eine große Nachfra-
ge in den Ballungszentren, Druck auf die Umlandgemeinden und gleichzeitig Leerstände und bröckelnde Infrastruktur in
den peripheren Regionen. Grund genug, das Thema Wohnen und Stadtentwicklung ernst zu nehmen. Im Rahmen seines
Verbandstages am 12. September 2017 appellierte der Verband der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft VdW süd-
west an die Politik, sich noch klarer zur Schaffung neuer Wohnungen zu bekennen und wirksame Schritte zu ergreifen,
um dieses Ziel gemeinsam mit den Unternehmen zu erreichen.
Zum Start des offiziellen Programms ver-
deutlichte Dr.
Axel Tausendpfund
, Ver-
bandsdirektor des VdW Südwest, die
aktuellen wohnungspolitischen Herausfor-
derungen. „Während in den hessischen Bal-
lungsräumen wie dem Rhein-Main-Gebiet
und den Universitätsstädten Gießen und
Marburg Wohnungen heiß begehrt sind,
sank die Zahl der Baugenehmigungen im
zweiten Quartal 2017 in Hessen um 12,6
Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeit-
raum. Der Boom beimWohnungsbau ist zu
Ende, bevor er richtig begonnen hat.“ Das
sei ein „fatales Signal“, so Tausendpfund
vor den Teilnehmern des Verbandstages.
Hessenweit müssten bis 2020 jährlich
37.000 neue Wohnungen gebaut wer-
den. 2016 entstanden nur rund 20.000
Wohnungen. Für 2017 sei absehbar, dass
das von der Landesregierung formulierte
Ziel ebenfalls nicht erreicht werde. Minis-
terpräsident
Volker Bouffier
sowie die
wohnungspolitischen Sprecher der Land-
tagsfraktionen stellten sich der Diskussion
mit VdW-Vorstand Dr. Axel Tausendpfund
und
Axel Gedaschko
, Präsident des GdW
Bundesverband deutscher Wohnungs-
und Immobilienunternehmen. Einigkeit
herrschte vor allem bei der notwendigen
Ausweisung von Bauland durch die Kom-
munen im Umland größerer Städte.
Von den Kommunen, vor allem den
Umlandgemeinden der Ballungszentren,
wünscht sich Tausendpfund ein aktiveres
Handeln bei der Ausweisung von Bauland.
„Hier ist ein Umdenken sowohl bei Bür-
Weiter auf Seite 5
4
41/2017
1,2,3 5,6,7,8
Powered by FlippingBook