WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 45/2017 - page 5

AUS DEN VERBÄNDEN
Erstes energieautarkes Mehrfamilienhaus in Niedersachsen begonnen
Wilhelmshaven – Zum Auftakt der Weltklimakonferenz in Bonn hat auch die Wohnungswirtschaft ein wichtiges Zeichen
in Sachen Klimaschutz gesetzt. In Wilhelmshaven wurde mit dem Bau des ersten energieautarken Mehrfamilienhauses
in Niedersachsen begonnen. Damit wird der Traum jedes Mieters wahr: modern wohnen und dabei kräftig bei Heizung,
Strom und Warmwasser sparen. Die sechs jeweils rund 90 Quadratmeter großen Wohnungen sollen im Winter 2018 be­
zugsfertig sein, kündigte Dieter Wohler an, Vorstandsvorsitzender der Wilhelmshavener Spar- und Baugesellschaft eG.
Heiner Pott
, Direktor des Verbandes der
Wohnungs- und Immobilienwirtschaft
Niedersachsen Bremen (vdw), lobte die
Genossenschaft für ihr unternehmerisches
Engagement: „Wir waren vom Konzept
überzeugt, und jetzt haben wir auch einen
tatkräftigen Investor gefunden. Mit dem
Projekt wird deutlich: Alle reden über Kli-
maschutz im Wohnungsbau – wir schaf-
fen nun mit dem ersten energieautarken
Mehrfamilienhaus in Niedersachsen eine
Pionierleistung.“
„Energieautark“, was bedeutet das?
Die­
ter Wohler
und sein Vorstandskollege
Peter Krupinski
fassten die wesentlichen
Eckpunkte des Konzeptes von Prof.
Timo
Leukefeld
, Energieexperte aus Freiberg/
Sachsen, zusammen, das den Planungen
zugrunde liegt: „Das Haus erhält eine hoch-
gedämmte Gebäudehülle sowie eine aus-
geklügelte Haustechnik. Es gibt Photovol-
taik-Flächen und eine Solarthermieanlage.
Der auf diese Weise erzeugte Strom wird in
Akkus gespeichert. Die gewonnene Wärme
versorgt einen mit circa 20.000 Liter Was-
ser gefüllten, zentral im Haus eingebauten
Langzeitwärmespeicher mit Wärmeener-
gie. Der Einbau dieses Speichers – voraus-
sichtlich im kommenden Sommer – wird
sicherlich der spektakuläre Höhepunkt der
Bautätigkeiten.
Der Energiespeicher kann bei Bedarf von
den Hausbewohnern „angezapft“ werden.
Erzielte Strom- und Wärmeüberschüsse
werden an die angrenzenden Mehrfami-
lienhäuser Bismarckstraße 35 und 37 wei-
tergeleitet. Zusätzlich kann die gewonnene
Strommenge zum Laden von E-Bikes oder
E-Autos genutzt werden. Hierfür werden
zwei Ladesäulen auf Parkplatzflächen
neben dem Objekt installiert.
Was sich so nüchtern und sachlich anhört,
Foto: VdW Niedersachsen Bremen
Heiner Pott
Verbandsdirektor
vdw Niedersachsen Bremen
Der Verband der Wohnungs- und Immo-
bilienwirtschaft Niedersachsen Bremen
hat die Realisierung eines energieaut-
arken Mehrfamilienhauses maßgeblich
vorangetrieben. Verbandsdirektor Heiner
Pott zeigt sich im Interview zuversicht-
lich, dass das Projekt viele Nachahmer
finden wird.
Die Wohnungsgenossenschaft Spar
+ Bau in Wilhelmshaven wird ein
energieautarkes Mehrfamilienhaus
bauen. Welche Rolle, Herr Pott, spielt
Ihr Verband bei diesem ehrgeizigen
Vorhaben?
Heiner Pott:
Wir haben vor rund zwei
Jahren die Gespräche mit Professor Leu-
kefeld aufgenommen. Unser Ziel war es,
dass eines unserer Mitgliedsunternehmen
das erste Haus dieser Art in Niedersach-
sen errichtet. Wir hatten in der Folgezeit
zahlreiche teils schwierige Gespräche und
Verhandlungen unter anderem mit ver-
schiedenen Landesministerien.
Wie ist die Idee dort aufgenommen
worden?
Pott:
Ausgesprochen positiv. Die
Fachabteilungen waren von der Idee
begeistert. Aber irgendwie passten wir
mit dieser innovativen Idee in kein För-
derschema. Eine finanzielle Unterstüt-
zung scheiterte somit letztlich nicht an
fachlichen, sondern an haushälterischen
Erwägungen.
Wie geht es jetzt weiter?
Pott:
Wir haben mit der Spar + Bau
einen mutigen Investor gefunden. Der
Bau wird in der Fachwelt für Schlagzeilen
sorgen. Ich gehe fest davon aus, dass
das Konzept vielerorts adaptiert werden
wird. Und bestimmt auch von unseren
Mitgliedsunternehmen. Denn Klima-
schutz imWohnungsbau wird im Bereich
des vdw großgeschrieben.
INTERVIEW
Foto: VdW Niedersachsen Bremen
ist in der Tat eine Ingenieursleistung, die
in der Wohnungswirtschaft bislang ihres
Gleichen sucht. „Wir setzen mit dem Bau
sicherlich Maßstäbe“, sagte Peter Krupin-
ski. Die Vorarbeiten waren entsprechend
umfangreich. Unter anderem hat Leuke-
feld eine ganzjährige Verschattungsana-
lyse erstellt, um die optimale Ausrichtung
der Solarkollektoren zu gewährleisten.
Die komplette energetische und gebäu-
detechnische Planung wurde durch das
Ingenieurbüro Mantay Wilhelmshaven
erstellt.
Das Haus wird im KfW-40-Plus-Standard
erstellt. Leukefeld hat den „Autarkiegrad“
des Gebäudes, also die Unabhängigkeit
von der konventionellen Energieversor-
gung mit annähernd 70 Prozent berechnet.
Die beheizte Gesamtwohnfläche beträgt
500 Quadratmeter. Der vom Büro Mantay
ermittelte spezifische Heizwärmebedarf liegt
bei 21,9 Kilowattstunden pro Quadratme-
ter. Der jährliche Endenergiebedarf inklusive
Wärmeverlusten wird mit rund 22.500 Kilo-
wattstunden angegeben. Durch solare Nut-
zung werden davon circa 13.000 Kilowatt-
stunden abgedeckt. Die Wärmekosten für
das gesamte Haus belaufen sich demnach
auf etwa 550 Euro im Jahr. Die anfallenden
Stromkosten hat wurden mit rund 2.000
Euro pro Jahr berechnet. Die Kosten sollen
über eine Pauschalmiete abgerechnet wer-
den.
Weil auch die Fachleute im Wilhelmshave-
ner Rathaus von diesem Projekt überzeugt
waren, ist der Weg frei „für eine echte woh-
nungswirtschaftliche Innovation“, sind sich
Wohler und Krupinski sicher.
(ens/koch)
Spatenstich in
Wilhelmshaven:
Vorstand Peter Kru-
pinski, Aufsichtsrats-
vorsitzender Matthias
Rösner, Prof. Timo
Leukefeld, Vorstand
Dieter Wohler und
Verbandsdirektor
Heiner Pott (v. l.)
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