WI Expo 2015 Montag - page 5

Immobilien-Finanzierung 2016:
Externe Faktoren gewinnen an Einfluss
Münster – Als die chinesische Regierung kürzlich einige überraschende geld-
politische Entscheidungen fällte, führte das zu erheblicher Aufregung auch
an deutschen Finanzmärkten. Zwar hat sich diese inzwischen gelegt, doch sie
machte deutlich, wie stark die internationale Geldpolitik Kapitalmärkte, euro-
päische Zinsen und damit auch die Bedingungen der Immobilienfinanzierung
beeinflussen kann.
Das gilt insbesondere für die internationa-
len Zentralbanken: Sie müssen kalkulierbar
handeln, um unbeherrschte Ausschläge im
internationalen Pulsschlag zu vermeiden.
Doch die FED – die Zentralbank der Verei-
nigten Staaten – lässt immer noch offen,
wann sie den Leitzins erhöhen will. Und die
EZB hat die Zinsen zum Spielball der euro-
päischen Geldpolitik gemacht, wie die vola-
tilen Langfristsätze des vergangenen Jahres
belegen. Die unklare Zukunft des QE-Pro-
gramms, dessen für September 2016 avi-
siertes Auslaufen in Frage steht, tut ihr
Übriges. Trends für die Immobilienfinan-
zierung des Jahres 2016 sind daher ohne
den Blick auf die internationale Geldpolitik
nicht zu beschreiben. Allerdings macht er
die Vorhersage auch nicht leichter.
Zu allem Überfluss zeichnet auch die deut-
sche Binnenschau ein uneinheitliches
Bild. Die regionale Ausdifferenzierung der
Standorte wird aller Voraussicht nach wei-
ter voranschreiten: Die Metropolen regist-
rieren steigende Bau-, Miet- und Kaufpreise
bei weiter zunehmendem Nachfragedruck.
Die im historischen Vergleich immer noch
niedrigen Zinsen stärken insbesondere das
Interesse von Anlegern an Immobilien in
Top-Lagen. Übertreibungen, die als eine
Immobilienblase verstanden werden müss-
ten, sehen wir derzeit aber nicht. Auch
der Ausschuss für Finanzstabilität erkennt
keine akuten Hinweise auf eine destabili-
sierende Wechselwirkung zwischen Preis-
steigerungen, zunehmender Kreditvergabe
und einer Lockerung der Kreditvergabe-
standards am Wohnimmobilienmarkt. Sta-
bilisierend wirken sich die steigende mitt-
lere Zinsbindung sowie die Zunahme der
Tilgungsquoten aus. Dennoch müssen wir
diese Entwicklung sorgsam beobachten.
Andere Regionen erwarten eine rückläu-
fige Entwicklung durch Bevölkerungs-
stagnation und Abwanderung. Das gilt
besonders für ländliche Gebiete in den
östlichen Bundesländern, aber keinesfalls
nur für dort. Die Auslöser sind demogra-
fischer und sozioökonomischer Art. Sie
bedingen und verstärken sich wechsel-
seitig, was eine Trendumkehr zusätzlich
erschwert. Zwischen diesen Regionen lie-
gen manchmal keine 50 Kilometer, aber
ganze Immobilien(finanzierungs)-welten.
Trends für 2016 lassen sich daher nur vor-
behaltlich dieser beschriebenen Einschrän-
kungen identifizieren:
1. Lange Zinsbindungen
Langfristige Zinsbindungsfristen bleiben
ein Schwerpunkt in der Baufinanzierung,
solange das Zinsniveau nicht signifikant
ansteigt. Allerdings bleibt es notwendig,
die eigenen Finanzierungsstrategien per-
manent zu überprüfen und gegebenenfalls
zügig anzupassen, wenn sich die Voraus-
setzungen ändern.
2. Neubau
Aufgrund der hohen Nachfrage, die durch
den quantitativen und einen qualitativen
Wohnungsmangel in den Städten ange-
trieben wird, bleibt der Trend zum Neubau
bestehen. Wie weit der aktuelle Zustrom
an Flüchtlingen die Nachfrage durch eine
Erhöhung der Netto-Bevölkerungszunahme
verstärkt, lässt sich nur schwer absehen.
Dass Bestandsbauten, die aufgrund der
demografischen Entwicklung vom Leer-
stand bedroht sind, durch diesen Bedarf
neue Perspektiven erhalten, ist fraglich und
letztlich eine politische Entscheidung. Als
Immobilienfinanzierer werden wir die Ent-
wicklung aber mit Blick auf die Bestands-
bewertung und auf Neubauoptionen im
Auge behalten.
3. Energetische Renovierung
Ab 2016 gelten verschärfte Anforderungen
der Energieeinsparverordnung (EnEV), die
höhere Energiestandards von Neubauten
definieren. Dies beeinflusst ebenfalls vor
allem die Neubautätigkeit in Deutschland,
da sich für Bestandsbauten im Vergleich zur
derzeit gültigen EnEV 2009 keine wesent-
lichen Neuerungen ergeben. Auf Dauer
gesehen bleibt der Bedarf an energetischer
Modernisierung auch im Bestand jedoch
groß.
Fazit: 2016 setzen sich bestehende Finan-
zierungstrends fort, werden aber stärker
von externen Faktoren beeinflusst.
BID-MARKTPLATZ
Foto: WL BANK
Frank M. Mühlbauer
Vorstandsvorsitzender
WL BANK
ANALYSE
05.10.2015 5
1,2,3,4 6,7,8
Powered by FlippingBook