WOHNUNGSPOLITISCHE INFORMATIONEN 22/2015 - page 4

AUS DEN VERBÄNDEN
Preissteigerungen bei Wärme und Strom – Sächsische Wohnungsgenossen-
schaften planen eigenständige Energieerzeugung zur Selbstversorgung
Mittweida – Der Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften (VSWG) hat seine Mitglieder am 19. Mai 2015 zum
Thementag „Unabhängige Energieversorgung“ ins Wasserkraftwerk Mittweida eingeladen. Seit Jahren bemühen sich die
sächsischen Wohnungsgenossenschaften neben der Kaltmiete auch die sogenannte „zweite Miete“, die warmen und kal-
ten Betriebskosten, in Grenzen zu halten. Fast 90 Prozent aller Gebäude sind energetisch saniert. Diese Modernisierungs-
maßnahmen und die Verbesserung der Anlagentechnik zur Warmwasseraufbereitung und zur Beheizung wirken sich ins-
gesamt positiv auf den Verbrauch aus.
„Während der niedrigere Verbrauch
anfangs auch zu deutlichen Nebenkoste-
neinsparungen führte, wird dieser Spar-
effekt jetzt von immer weiter steigenden
Versorgungspreisen (über-)kompensiert
und erreicht die Mitglieder unserer Woh-
nungsgenossenschaften nicht“, erklärte
Dr.
Axel Viehweger
, Vorstand des VSWG.
Ein durchschnittlicher sächsischer Haushalt
einer Genossenschaft gibt bereits heute
mehr als ein Viertel der Wohnkosten für
Wärme und Strom aus.
Neben der Abhängigkeit der Preisentwick-
lung für die primären Rohstoffe Erdöl und
Erdgas gibt es eine weitere Anhängigkeit
von den Energieversorgungsunternehmen
und Stadtwerken. Durch langfristige Liefer-
verträge und tendenziell steigende Grund-
gebühren werden Preissteigerungen in der
Regel weitergegeben. Die Mieter aber pro-
fitieren im Gegensatz oft nicht von Preis-
rückgängen auf den Rohstoffmärkten oder
den geringeren Verbräuchen. Vor diesem
Hintergrund scheint die eigenständige
Energiegewinnung zur Selbstversorgung
eine Möglichkeit, der Entwicklung der
Betriebskosten entgegenzusteuern und
sich so vom Markt abzusetzen.
„In den letzten Jahren konnten so bereits
erste Projekte sächsischer Wohnungsge-
nossenschaften geplant und zum Teil sogar
umgesetzt werden. Dabei lässt sich der Trend,
weg vom Einzelgebäude, hin zur kompletten
Quartiersbetrachtung erkennen“, so
Sven
Winkler
, Referent für Betriebswirtschaft,
Energie und Technik beim VSWG.
In der Gemeinde Sebnitz konnte durch Ini-
tiative der Gemeinnützigen Wohnungs-
genossenschaft Sebnitz eG beispielsweise
ein Nahwärmenetz in Betrieb gehen. Die
notwendige Wärme wird aus einer Kombi-
nation aus einem mit Biogas betriebenen
Blockheizkraftwerk (BHKW), einem Pellet-
kessel sowie einem konventionellen Erdgas-
Kessel erzeugt. Ein weiteres wegweisendes
Projekt könnte eine Quartierslösung in der
Gemeinde Lohmen im Landkreis Sächsische
Schweiz – Osterzgebirge werden, bei der
öffentliche Gebäude mit Wohngebäuden
einer Genossenschaft und mehrerer priva-
ter Eigentümer dezentral versorgt werden
sollen. Einen wesentlichen Baustein bildet
dabei der nahegelegene Fluss Wesenitz.
Mit Hilfe einer Wärmepumpenkaskade
könnte unter anderem rund um die Uhr
Wärme erzeugt werden.
Der nächste Schritt zur unabhängigen Ener-
gieversorgung wäre konsequenterweise
die Erzeugung und Nutzung von Strom
als „Nebenprodukt“ eines BHKW oder aus
einer Photovoltaik-Anlage auf den Dächern
der Wohnungsgebäude. Derzeit wider-
sprechen sich jedoch die Klimaschutzziele
der Bundesregierung und die steuerlichen
sowie energierechtlichen Rahmenbedin-
gungen. „Da der Großteil des Strombedarfs
einer Wohnungsgenossenschaft auf die
Mitglieder und nicht die Genossenschaft
selbst entfällt, kommt ein Eigenverbrauch
in der Regel kaum in Frage. Folglich muss
der Strom in der Regel für eine niedrige
Vergütung ins öffentliche Netz eingespeist
werden. Sinnvoller wäre der Verbrauch des
Stroms direkt vor Ort durch die Mitglieder.
In diesem Fall müsste sich die Wohnungs-
genossenschaft als Energieversorgungsun-
ternehmen behandeln lassen und die glei-
chen Kriterien wie ein Energieriese auf sich
anwenden. Zusätzlich würde in der Regel
die Steuerfreiheit im Vermietungsgeschäft
verloren gehen. In allen Fällen stehen Auf-
wand und Nutzen in keinem Verhältnis, so
dass bisher alle Projekte gescheitert sind“,
erläuterte Sven Winkler.
Neben allgemeinen Trends in der Energie-
versorgung verdeutlichte Prof.
Timo Leu-
kefeld
auf eindrucksvolle Art den Weg
von der Vision zur Realität anhand bereits
vorhandener Projekte beim heutigen The-
mentag im Wasserwerk Mittweida. Einen
weiteren Schwerpunkt bildeten die rechtli-
chen „Fallstricke“ bei einer unabhängigen
Energieversorgung und Wege, die selbster-
zeugte Energie im Rahmen der Nebenkos-
ten abzurechnen. Am Nachmittag standen
vor allem bereits praktizierte und theo-
retische Geschäftsmodelle sowie Effekte
von Speichermedien auf der Agenda, wel-
che eine unabhängige Energieversorgung
trotz der schwierigen Rahmenbedingun-
gen ermöglichen sollen. Die Veranstaltung
bot Anlass für intensive Diskussionen und
ermöglichte zudem die Pflege und Erweite-
rung der bestehenden Netzwerke.
„Zur Realisierung der Ziele der sächsischen
Wohnungsgenossenschaften, die Preise für
Energie zu senken oder zumindest weitere
Weiter auf Seite 5
frage nach Bauland und Bauleistungen,
vor allem aber ständig steigende staatli-
che Planungs-, Prüf- und Ausführungsauf-
lagen. „Wegen der gestiegenen Neubau-
kosten liegen die Neubaumieten heute um
etwa 2,50 Euro höher als noch 2009“, so
Kern. Der BBU schlägt deshalb unter ande-
rem die Aussetzung weiterer Steigerungen
bei energetischen Bauauflagen und eine
Senkung der Grunderwerbsteuer in Berlin
vor. „Hier könnte das Land angesichts der
guten Haushaltslage unmittelbar die poli-
tische Zielsetzung für bezahlbaren Neubau
aus eigener Kraft unterstützen“, sagte
Kern.
(ebe/schi)
Weitere Infos finden Sie unter
Fortsetzung von Seite 3
Foto: VSWG
Die Teilnehmer des VSWG-Thementages „Unabhängige Energieversorgung“ in Mittweida
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