WI Expo 2015 Dienstag - page 3

BUNDESPOLITIK
Die Bundesbauministerin diskutiert am
Messe-Dienstag mit den Präsidenten der
Verbände in der BID. Ihr Ministerium ist
mit dem „Bündnis für bezahlbares Woh-
nen und Bauen“ in diesem Jahr erstmals
am Stand der BID bei der Expo Real ver-
treten. Der wi hat die Ministerin vorab
drei Fragen beantwortet.
wi: Das Bündnis für bezahlbares
Wohnen und Bauen existiert seit
etwas mehr als einem Jahr. Wie
bewerten Sie die bislang erzielten
Arbeitsergebnisse?
Hendricks:
Die Bündnispartner sind sich
einig: Wir müssen den Bau bezahlba-
ren Wohnraums für alle generell erleich-
tern. Das Bündnis wird noch in diesem
Jahr Vorschläge machen, wie wir – also
Bund, Länder und Kommunen, Vermie-
ter, Immobilien- und Bauwirtschaft – den
Neubau von Wohnungen steigern kön-
nen. Ohne den Ergebnissen vorzugreifen
ist jetzt schon klar, dass wir an verschie-
denen Stellschrauben drehen müssen:
bei der Ausweisung von Bauland etwa
– an vielen Orten ein ganz großer Eng-
pass –, bei den Investitionen und bei Nor-
men und Standards, die unnötige Kosten
verursachen im Verhältnis zum ange-
strebten Nutzen – ein sensibles Thema.
Viele Akteure schlagen höhere Abschrei-
bungsätze und steuerliche Anreize vor.
Aber auch mehr Akzeptanz für Neubau
ist wichtig, denn manchmal scheitern
Wohnbauprojekte an Bürgerprotesten.
Alle Vorschläge sollen in ein Aktionspro-
gramm münden, das ich mit den Partnern
im März 2016 anlässlich des Abschluss-
forums zum „Bündnis für bezahlbares
Wohnen und Bauen“ vorstellen will.
Deutschland hat es in diesem Jahr
mit einem enormen Zustrom von
Flüchtlingen und Zuwanderern zu
tun. Werden die von Bund, Ländern
und Kommunen getroffenen Verein-
barungen ausreichen, um die Men-
schen angemessen unterzubringen
und zu integrieren? Wo sehen Sie
Defizite?
Hendricks:
Mein Ministerium und die
gesamte Bundesregierung arbeiten unter
Hochdruck an Antworten auf diese Frage.
Fest steht: Länder und Kommunen spie-
len eine zentrale Rolle. Denn wir müssen
diejenigen, die als Flüchtlinge und Asyl-
bewerber anerkannt werden, schnell
und gut in unsere Gesellschaft integ-
rieren. Wir können stolz sein, dass sich
unsere Gesellschaft als offen, respekt-
voll und gastfreundlich bewiesen hat.
Diese enorme Integrationsleistung wird
vor allem in unseren Städten geschehen.
Und darauf müssen die Städte vorberei-
tet sein. Deswegen ist es wichtig, dass
sich keine Flüchtlingssiedlungen bilden,
die vom Rest der Gesellschaft abgekapselt
sind. Wir müssen auch vermeiden, dass
zwischen denen, die bereits hier leben,
und denen, die neu hinzukommen, eine
Konkurrenz um knappen Wohnraum ent-
steht. Was wir jetzt brauchen, ist bezahl-
barer Wohnraum für alle Menschen mit
kleinem oder mittlerem Einkommen.
Bisher waren wir davon ausgegan-
gen, dass wir in den kommenden Jah-
ren 272.000 neue Wohnungen pro Jahr
brauchen. Das wird in der aktuellen Situ-
ation nicht ausreichen. Wir werden min-
destens 350.000 Wohnungen pro Jahr
benötigen. Dafür brauchen wir eine
Renaissance des sozialen Wohnungs-
baus. Dafür wird der Bund in den kom-
menden vier Jahren insgesamt zwei Mil-
liarden Euro zusätzlich in den sozialen
Wohnungsbau investieren.
Wachstumsregionen mit Wohnungs-
knappheit und Schrumpfungsge-
biete mit Leerstand prägen aktuell
den deutschen Wohnungsmarkt. In
welchen Bereichen will die Bundes-
regierung ein größeres Engagement
zeigen? Welche Maßnahmen wollen
Sie als Bundesbauministerin auf den
Weg bringen?
Hendricks:
Gefragt sind sowohl Lösun-
gen für Wachstumsregionen als auch
für Regionen mit abnehmender Bevöl-
kerung. Städte und Gemeinden, die von
Schrumpfung betroffen sind, müssen
schwierige Aufgaben meistern: Gebäude
und Wohnungen stehen leer, Schulen
gehen die Schüler aus, Infrastrukturein-
richtungen sind nicht mehr ausgelastet.
Wir helfen den Städten und Gemeinden
mit den Programmen Stadtumbau Ost
und West. Aktuell werden die beiden
Stadtumbauprogramme evaluiert. Es ist
schon jetzt absehbar, dass in vielen Regi-
onen die Städte weitere Einwohner ver-
lieren werden. Der Stadtumbau bleibt
deshalb eine wichtige Aufgabe, den wir
auch mit unseren Programmen „Kleinere
Städte und Gemeinden“ und „Aktive
Stadt- und Ortsteilzentren“ begleiten
und unterstützen. Für die Wachstums-
regionen habe ich Vorschläge für nach-
haltige Investitionsanreize für den Woh-
nungsneubau gemacht. Mir geht es um
eine verstärkte Förderung des sozialen
Wohnungsneubaus, den wir wie schon
gesagt in den kommenden vier Jahren
mit zwei Milliarden Euro zusätzlich unter-
stützen. Das muss jetzt von den Ländern
zielgerichtet auch wirklich in den Woh-
nungsbau investiert werden. Darüber
hinaus brauchen wir bessere Abschrei-
bungsmöglichkeiten in angespannten
Wohnungsmärkten. Dazu sind wir der-
zeit in Gesprächen mit dem Finanzminis-
ter und den Ländern.
Foto: BMUB / Harald Franzen
Dr. Barbara Hendricks
(SPD)
Bundesministerin für
Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit
DREI FRAGEN AN…
Foto: Büro Roman Lorenz
Eröffnungsrunde: Der BID-Vorsitzende und
GdW-Präsident Axel Gedaschko (am Mikro)
mit Staatssekretär Gunther Adler (BMUB; links
daneben), Dr. Andreas Mattner (ZIA; ganz links),
Andreas Ibel (BFW; 2. v. l.), Jürgen Michael
Schick (IVD; 2. v. r.) und dem Moderator,
Journalist Andreas Remien (SZ; ganz rechts)
06.10.2015 3
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