Wie verändern Influencer
die Machtverhältnisse in
Unternehmen?
Ein Gespräch mit Heike Bruch,
Leadership-Forscherin an der
Universität St. Gallen.
Personalmagazin: Influencer machen den etablierten Me-
dien Konkurrenz. Viele junge Leute lesen ihre Blogs und
ignorieren die etablierten Medien. Beobachten Sie diese
Veränderung auch in den Unternehmen, dass sichMitarbei-
ter an Influencern orientieren, die außerhalb der Hierarchie
stehen und die Meinungsbildung unter den Mitarbeitern
beeinflussen?
Heike Bruch: In der Leadership-Forschung gibt es die Unter-
scheidung zwischen formeller und informeller Führung. Die
formelle Führung basiert auf Hierarchie. Die wirkungsvollste
Führung basiert nie auf reiner hierarchischer Macht. Die infor-
melle Führung hat sich immer schon auf starke Persönlichkeiten
gestützt, die andere eher informell beeinflussen. Bislang hat
man diese nicht Influencer genannt, sondern Multiplikatoren
oder Meinungsführer.
Woran erkennt man solche Influencer oder Meinungsführer?
Meinungsführer sind informelle Leader – sie exponieren
sich, stehen für Ideen ein, versuchen, andere für Change zu
gewinnen. Und sie haben eine persönliche Autorität, die sich
auf gute Beziehungen, Anerkennung und Beliebtheit stützt.
In Netzwerkanalysen wurde untersucht, wer den größten
Einfluss hat – eher die beliebtesten Personen oder eher die-
jenigen mit dem größten Expertenwissen. Interessanterweise
ist der Zusammenhang zwischen dem Beliebtesten und dem
Einflussreichsten sehr eng, während der Zusammenhang zwi-
schen dem größten Expertenwissen und dem größten Einfluss
nicht stark ist. Den größten Einfluss auf die Mitarbeiter hat
also nicht der Fachexperte, sondern derjenige, der ein großes
Beziehungsnetzwerk hat, Menschen inspiriert und Vertrauen
aufbauen kann.
Was Sie aus der Leadership-Forschung beschreiben, liegt
sehr nahe an dem, was in den sozialenMedien zu beobachten
ist. Influencer sind beliebt, haben eine hohe Glaubwürdig-
keit und viele sind bereit, ihnen freiwillig zu folgen.
Bei den Influencern in den sozialen Medien kommt hinzu,
dass diese eine hohe Medienkompetenz haben und wissen, wie
man Netzwerke gezielt aufbaut und sich selbst vermarktet. Die
informellen Meinungsführer in den Unternehmen bauen ihr
Netzwerk meist nach anderen Mustern auf. Das persönliche
Netzwerk entwickelt sich meist aus der Zusammenarbeit im
Unternehmen heraus.
Manche Mitarbeiter bauen sich in den sozialen Medien als
Influencer auf, ohne in den Unternehmen eine herausgeho-
bene Position zu haben. Ist das für die Führungsstruktur in
den Unternehmen ein Problem?
Interview Reiner Straub, Fotos Enver Hirsch
39
Influencer