Liebe Leserinnen und Leser,
Innovation und Scheitern sind zwei Seiten ein und der-
selben Medaille. In der Theorie stimmt dem Satz jeder zu,
doch es hapert in der praktischen Umsetzung. Das fängt
damit an, dass jeder Manager und Mitarbeiter gerne über
„seine“ Innovationen redet, aber zu den gescheiterten Pro-
jekten schweigt. Es gibt inzwischen zwar unternehmens-
interne Fuck-up-Nights, beispielsweise in der Otto Group,
doch Scheitern ist nach wie vor ein großes Tabu. Als ich
für mein Podium „Failing Forward“, das auf der Zukunft
Personal Europe stattfand, Teilnehmer suchte, bekam
ich mehr Absagen als sonst. Das Thema sei unglaublich
wichtig, wurde mir versichert, doch leider passe der Termin
nicht. Von einem ehemaligen HR-Konzernvorstand, der
ein Medienstar war und tiefer als andere abstürzte, bekam
ich eine ehrliche Antwort, die mich berührte: „Auch nach
vielen Jahren sind die Wunden noch nicht verheilt.“
Scheitern kann furchtbar schmerzhaft sein, gehört aber
doch zu jedem Lebensweg. Das machten Anne Koark,
Katharina Heuer und Peter Kowalsky auf erfrischende
Weise klar, die sich auf das Podium wagten und über ihren
Umgang mit Niederlagen sprachen. Anne Koark, die durch
die Insolvenz ihres Unternehmens alles inklusive der
Eigentumswohnung verloren hatte, kann Scheitern heute
als eine Lernerfahrung schildern, bei der sie sich ganz auf
ihrer eigenen Kräfte rückbesinnen musste. Katharina Heuer
erläuterte, warum und wie sie als Managerin aus einer
herausgehobenen Position aussteigen und dadurch wieder
Lust auf Neues entwickeln konnte. Und der Unternehmer
Peter Kowalsky schilderte, wie er über ein Jahrzehnt lang
an einer neuen Kinder-Limo tüftelte, die die elterliche
Brauerei in eine neue Zukunft führen sollte. Doch die Limo
schmeckte den Kindern nicht, was ihn fast verzweifeln
ließ. Der Erfolg seiner Innovation stellte sich allerdings ein,
als die Hipster in Hamburg an der Limo Gefallen fanden
und „Bionade“ zu einem Zeitgeist-Getränk machten, das
eine unglaubliche Erfolgsgeschichte schrieb. Kowalsky, der
jüngst wieder ein Start-up gründete, ist ein Beispiel dafür,
wie eng im Unternehmen Innovation, Scheitern und Erfolg
zusammenhängen.
Reiner Straub
Herausgeber
„Wer in
Lebensläufen
nach Brüchen
sucht, sollte
nicht vergessen,
dass Scheitern
und Innovation
zusammen
gehören.“
Foto: Peter Granser
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personalmagazin 11.18
Editorial